- WELTBÜRGER-Stifter: MAP
- Programm: Schüleraustausch
- Land: USA
- Dauer: 10 Monate
- Name: Leo Jacques-Ferhat
Gastfamilie – Schulalltag – Thanksgiving
Ein Austauschjahr zeichnet sich meistens dadurch aus seine Sprachkenntnisse zu verbessern und natürlich auch kulturelle Erfahrungen zu sammeln. Aber was verbirgt sich hinter diesen großartigen Erfahrungen und wie verläuft eigentlich ein Jahr außerhalb von seinem normalen Alltag? Mein Name ist Leo Jacques-Ferhat Coste und ich habe mich im Herbst 2014 endgültig dafür entschieden ein Auslandsjahr, bevor die zwei Jahre Abiturvorbereitung anfangen, in den Vereinigten Staaten zu machen. Mein Bruder Carl Coste berichtete vor zwei Jahren von großartigen Ereignissen in seiner Gastfamilie in Florida, was mich dazu veranlasste in dieselbe Gastfamilie zu gehen. Ich zögerte etwas, da ich mein soziales Umfeld und auch meine Tätigkeiten im ehrenamtlichen Bereich nicht aufgeben wollte. Jedoch sah ich den großen Vorteil an einem Austauschjahr, eine Weltsprache sprechen zu können. Carl kam wieder und kann seitdem fließend Englisch sprechen und studiert nun Jura auf Englisch.
Ich schickte eine Online-Bewerbung an dieselbe Austauschorganisation MAP-Sprachreisen und diese reagierten schlagartig. Ich erhielt jegliche Informationen über ein Auslandsjahr per Post, welches nicht nur einen guten Eindruck hinterließ, sondern auch eine gute Grundlage bat, meine Eltern zu überzeugen sich nun auch 10 Monate von mir zu verabschieden. Die Monate vergingen wie im Flug und jedes Mal wenn meine Mutter mich angerufen hat und mir erzählte, dass ein Brief von MAP ankam, konnte ich es kaum erwarten nach Hause zu kommen, um zu erfahren ob ich wieder einen kleinen Schritt näher an meinen großen Traum kam.
Ein kleiner aber bedeutender Schritt an den ich mich noch erinnere, war einen Termin bei der amerikanischen Botschaft für die Visumsbeantragung zu finden. Da es nur über ein Onlineverfahren möglich ist, einen Termin zu arrangieren, versuchte mein Vater sich mit mir durch alle Fragen der Online-Bewerbung zu kämpfen, bis zur endgültigen Terminbuchung und der darauffolgenden Bestätigungs-Email. Wir gingen dann endlich Ende Juni mit dem Ausdruck von meiner Online-Bewerbung und meinem J1 Visa, welches mir von MAP zugesendet wurde, zur Botschaft in Berlin. Dort angekommen wurden sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um Einlass gewährt zu bekommen, Datenträger oder Mobilfunkgeräte waren nicht gestattet mit ins Konsulat zu nehmen. Innen angekommen durfte ich meinen Reisepass zusammen mit meinem Visa abgeben und im Wartezimmer platznehmen, bis mein Name aufgerufen wurde. Nach einer halben Stunde konnte ich dann mein Visa abholen, jedoch nicht meinen Reisepass, dieser wurde per Post versandt. Mein Vater mag es manchmal, sich über allen möglichen Sachen Sorgen zu machen und spekulierte darauf, da die Post zu diesem Zeitpunkt streikte, dass mein Reisepass nicht bis zum 11. August ankommen wird, da dort mein Abflugtermin ist. Jedoch konnte ich ihn nach einer Woche mit meinem Reisepass in meiner Hand beruhigen.
Die Nacht zum 11 August war eine schlaflose Nacht und auch eine traurige Nacht für meine Mutter, jedoch in meinem Kopf spielte sich nur die Frage ab, ob ich auch wirklich alles für die nächsten 10 Monate eingepackt habe. Am Morgen des Abfluges warteten dann einige Freunde und meine Familie am Flughafen, um sich dann endgültig zu verabschieden. Mit diesem letzten guten Eindruck ging ich dann behutsam in dem Flieger nach Frankfurt, wo mich dann eine Schaar von Austauschülern erwartete. Eine nette Flugbegleiterin von MAP stellte dann sicher, dass wir einen guten Flug von Frankfurt nach Chicago und dort unseren Anschlussflug zu dem jeweiligen Endflughafen hatten. Sie persönlich war selber vor einigen Jahren eine Austauschschülerin von MAP und sprach von unglaublichen Nebeneffekten von diesem Jahr, da sie nun auch immer eine Familie in den USA erwartet.
Persönlich machte ich mir in meinem Anschlussflug Gedanken über meine Familie in den USA und kam zu dem Entschluss, dass Carl mir fast gar nichts über die Familie erzählt hat, außer dass er ein großartiges Jahr hatte. Natürlich Skypt man vorher miteinander aber das zeigt nicht wirklich den richtigen Charakter der Familie. So machte ich mir selber unnötige Sorgen bis zum Flughafen, wo mich meine Gastmutter mit ihren Armen umschlang. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass diese Familie die richtige sein wird und wir fuhren zu ihrer Farm in St. Cloud, was eine einstündige Autofahrt mit tausenden Fragen von meiner Gastmutter, Mary Ellen Schweiger, hieß. Auf dem Bauernhof angekommen, konnte man nur Umrisse der Farm erkennen, da es schon sehr dunkel geworden war.
Jedoch am nächsten Morgen konnte ich mir einen Überblick über meine zukünftigen Genossen verschaffen. Mit rund 50 Ziegen in jeweils nach Geschlecht und Alter getrennten Gehegen untergebracht, konnte ich dann gleich mit anpacken um die Ziegen zu melken, da diese im Sommer bis zum Herbst Milch geben. Die älteren weiblichen Ziegen befanden sich in einem riesigen Gehege zusammen mit drei Pferden, einer Kuh und einem Lama. Jedoch sah ich auch noch ein Gehege, welches man auf Anhieb nicht sofort erkennen konnte, nämlich den Hühnerstall. So habe ich jedenfalls genug Freunde für dieses Jahr, welches mich gleich zu meiner Tätigkeit führte, nämlich allen Tieren jeden Tag Wasser und Heu zu geben. Am Sonntag darf ich dann eine Runde ausgeben und jeden Behälter reinigen, da sich Algen in den Wasserbehältern relativ schnell bei dieser Hitze vermehren. Ich lernte auch ganz schnell die anderen Mitbewohner im Haus kennen: einen Papagei, welcher mir jeden Morgen einen guten Morgen wünscht, indem er „Hello“ oder „Goodbye“ sagt, wenn ich an ihm vorbei gehe und sechs Hundeaugen erwarten mich, wenn ich ins Wohnzimmer marschiere und die Tür aufmache, um alle Hunde mit raus zu nehmen. Im Neben-apartment leben meine Gastschwester, Michelle, und ihr Mann Jay mit deren Sohn Haydn. Abends stoßt dann mein Gastvater Thomas zum gemeinsamen Abendessen dazu.
Als ich das erste Mal meine neue Schule zu Gesicht bekam, war ich zunächst etwas erschrocken, da diese Schule im Gegensatz zur meiner deutschen Schule gigantisch ist. Ich lernte einen sehr engagierten Schulleiter kennen, welcher gleich den Eindruck hinterließ, dass er ein Herz für Kinder hat. Des Weiteren hatte ich ein Gespräch mit einem so genannten „Guidance“, welcher den Stundenplan organisiert und für Schüler von A bis K zuständig ist. Mary Ellen und ich saßen dann gemeinsam nach dem Gespräch im Wartezimmer, um mein Schulalltag mit Stunden zu füllen. Ich wählte meine Fächer, welche ich gerne haben würde, und wir gaben die Liste danach meinem Guidance und fuhren zurück nach Hause. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, da ich mir selbst die Frage stellte, ob ich denn wirklich zur Schule gehen möchte, meine Englischkenntnisse waren nicht gerade die besten und brachten mich auf den Gedanken, was wäre, wenn die Kurse schon überfüllt sind, da er nicht versprechen konnte, ob er mich in die Kurse, die ich gewählt habe, packen konnte.
Einige Tage vergingen und meine Gastmutter klopfte an der Tür und meinte, dass sie mich mitnehmen möchte, um bei anderen Austauschülern eine Orientierung durchzuführen. Mary Ellen arbeitet für CCI und ist ein „Lokal Coordinator“. Ihre Aufgaben umfassen, sich um jegliche Probleme von ihren Schülern zu kümmern. Vor allem wenn gerade alle ankommen, treten die meisten Probleme auf, berichtete sie mir. In diesem Fall musste sie einen Jungen vom Flughafen abholen, da seine Gastfamilie verhindert war ihn abzuholen und danach ein Mädchen, welches körperlich eingeschränkt ist, in ihre Familie bringen. Der junge Mann, mit Namen Phillip saß insgesamt neun Stunden in seinem Flugzeug in New York fest, da ein starker Sturm das Ausladen und das Öffnen zum Gate behinderte, doch nun ist er am Ende seiner Reise angekommen. Der letzte Schritt für ihn ist es nur noch nach Hause gefahren zu werden und eine Aufklärung von Mary Ellen zu bekommen, was für Regeln ihn erwarten und wenn gegebenenfalls Probleme mit seiner Gastfamilie auftreten sollten, an wen er sich wenden kann. Diese Orientierung war relativ kurz, da schon bald das Mädchen aus Moldawien ankam.
Fernweh? JuBi!
Zum zweiten Mal am Flughafen angekommen, erwartete uns schon die Gastfamilie von Ana und sie in ihrem Rollstuhl. Ana machte einen netten Eindruck auf mich, was für sie später noch eine wichtige Rolle spielen wird. Nach der Orientierung von Ana gingen wir zurück zur Schule, da es der Tag der offenen Tür war und ich die Gelegenheit hatte, alle meine Lehrer kennen zu lernen, da mir nun der Stundenplan ausgehändigt wurde.
Mein Stundenplan:
Period Unterrichtsfach
1 US-Geschichte
2 Chemie
3 Engineering
4 Mathematik
5 Englisch
Lunch
6 Sport
7 Physik
Die Lehrer machten alle einen sehr netten und hilfsbereiten Eindruck, worüber ich sehr erstaunt war, da es nicht selbstverständlich ist, einen Austauschschüler bei sich im Unterricht aufzunehmen. Ich kann mir vorstellen, dass es sicherlich mehr Arbeit ist den Unterricht für einen Austauschschüler dementsprechend zu gestalten, dass er ihm folgen kann. Mein erster Schultag stand dann nach einer Woche vor der Tür und meine Gastmutter erklärte mir, dass der Schulbus mich um 5:50 Uhr von dem Ende der Straße aufgabeln wird und sie fuhr mich den ersten Tag zu der Stelle, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich zur Schule gehe.
Seitdem ging ich meinen eigenen Weg zum Bus und lernte gleich den neuen Schulalltag kennen. Um 7:10 a.m. startet die erste Unterrichtstunde, zuvor hat man noch das Privileg von einem kostenlosen Frühstück, wovon ich seit dem ersten Schultag Gebrauch mache. Jedoch gab es am Anfang einige Komplikationen, da ich meine „Student ID“ noch nicht ganz beherrschte und so meinen Stundenplan mit meiner Nummer zu Hilfe zog. Der reguläre Unterrichtsschluss ist dann um 2:15 p.m. Am Anfang war ich etwas verwirrt, da es gewöhnungsbedürftig ist, alles in Englisch zu erklären und niemanden zu haben, den man nach einem Wort fragen konnte. Das Wörterbuch wurde so sehr schnell mein bester Freund und ich eignete mir schnell einen neuen Wortschatz an, um mich besser zu verständigen. Da ich jede Stunde den Unterricht wechsele, fiel es mir sehr schwer Freundschaften zu schließen. Mary Ellen erklärte mir, dass es einfacher ist Freunde in einer Sportmannschaft zu finden. Ich entschied mich „Cross Country“ nach der Schule zu beginnen, da ich in Deutschland an einigen Laufwettbewerben teilgenommen und relativ gut abgeschnitten habe.
Jedoch vergaß ich die klimatischen Unterschiede zwischen Hamburg und Florida, sodass es eine Qual war, sich in der Sonne körperlich zu betätigen. Ich startete als Anfänger und somit in der „JV“ Kategorie und lief meinen ersten Lauf in einem Wettbewerb gegen andere Schulen und machte den 3. Platz von allen „JV“ Jungen. Diese Platzierung gab mir die Möglichkeit, nicht nur weiter zu trainieren, sondern auch die Chance, mich mit den besseren Läufern zu messen. Da aber nur 7 Läufer regulär als „Varsity“ laufen können, wird bei einem Wettbewerb nach der Zeit gegangen, wer beim nächsten Rennen unter den Top 7 läuft. Jeder hat so die Möglichkeit sich zu verbessern und als Varsity zu laufen, was Anerkennung in der Schule und im Team bedeutet. Ich habe es leider nicht in der Season geschafft einen aus den Top Sieben zu schlagen, jedoch ließ mich der Coach die meiste Zeit in Varsity laufen, da es manchmal erlaubt ist bis zu Zehn Läufer anzumelden.
Am Anfang des Schuljahres wird jedes Jahr eine Feier in der Schule gefeiert, nämlich „Homecoming“. Das Lauf Team bot an, sich bei einem Freund zu Hause zu treffen um dann gemeinsam zu Abend zu essen und danach als Cross Country Team auf der Schulparty zu erscheinen. Der Abend verlief großartig in der riesigen Schulsporthalle. Mit lauter Musik, die der DJ von den amerikanischen Charts vorgab, tanzten wir und ich traf auf andere Austauschschüler die den Abend dann mit uns genossen, bis mich dann meine Gastmutter um 10:00 p.m. abholte.
Anfang September rief Mary Ellen mich an und meinte, dass sie zu Anas Gastfamilie fahren müsse, da etwas vorgefallen sei, jedoch hatte sie keine Zeit zu telefonieren, sondern teilte mir nur mit, dass sie nicht zu Hause sein wird, wenn ich vom Training kommen werde. Am Abend kam dann Ana auf unsere kleine Farm und Mary Ellen erklärte mir, dass sie für einige Wochen bei uns bleiben wird. Ana ist ein sehr nettes Mädchen, sie ist nur sehr weit körperlich eingeschränkt, was es wirklich erschwerte unserem Alltag nachzugehen. Mary Ellen versuchte sie in einer neuen Gastfamilie unterzubringen, jedoch mit keinem Erfolg. An einem Abend, an dem sie schluchzend im Wohnzimmer saß, fragte ich sie was denn vorgefallen war, warum Ana nun bei uns ist. Ana hatte in der Schule ein Gespräch mit einer Lehrerin, die extra für Austauschschüler zuständig ist. In der Konversation erwähnte sie Angst vor ihrer Gastmutter zu haben, die sich auch im Rollstuhl befindet. An dem Tag, wo sie mich angerufen hat, stand die Polizei bei der Gastfamilie vor der Tür mit dem Jugendamt, wo Mary Ellen sofort agieren musste, bevor Ana mitgenommen wurde.
CCI eröffnete daraufhin eine lokale Suche in den USA um sie unterzubringen und ich bekam von CCI einen netten Brief, ob ich damit einverstanden bin, Ana in die Gastfamilie aufzunehmen, bis eine neue Gastfamilie für sie gefunden wird. Ein Hamburger zögert bei so einer Situation nicht lange und unterzeichnet, wofür sich auch meine Eltern in Hamburg entschieden hatten. Seitdem hatte ich eine Schwester, was auch viel Spaß mit sich brachte. Football ist ein sehr anerkannter Sport in Amerika und gehört auch zu den wichtigsten Sportarten in der Schule. Zusammen mit Freunden gingen wir auf ein Footballspiel gegen East River. Das Spiel beginnt mit einem Orchester von der Schulband. Danach steht das ganze Publikum auf, um die Loyalität zum Lande zu zeigen und sagt das „The Pledge of Allegiance“ auf. Danach startete das Footballspiel und wir haben am Ende den Sieg mit nach Hause genommen.
Am Ende der Season steht ein wichtiges Rennen an, wo alle Läufer aus ganz Florida gegeneinander antreten. Mein Coach sah bei drei Läufern eine enorme Verbesserung, unteranderem auch bei mir. Sie bot uns an, die letzten zwei aus Varsity gegen uns laufen zu lassen. Die besten zwei kommen mit zum Großen Lauf und stehen für die ganze Season als Varsity im Jahrbuch. Wir mussten zwei Runden um die Schule laufen, was zwei Meilen bedeutete. Leider war ich der dritte und habe es so nicht zur Qualifikation geschafft. Nach diesem Rennen endete das Training, zumindestens für JV. Ich ging eine Woche länger zum Training, als jedoch die Jungs leider nicht die Punktzahl erreichten, um gegen die besten Läufer in ganz Amerika zu laufen, endete die Season von Cross Country auch für mich. Jedoch endete damit nicht die Kameradschaft im Team und wir entschieden uns am Wochenende gemeinsam am Strand laufen zu gehen. Nach dem Laufen genossen wir dann das schöne Wetter und nutzten auch die großen Wellen aus dem Ozean aus um uns zu vergnügen.
Das war auch ganz gut, da ich so etwas mehr Zeit mit meiner Gastfamilie am Wochenende verbringen konnte und nicht immer auf einem Wettbewerb war. Unter anderem war für meine Gastmutter eine Operation an ihrem Knie geplant, welche nur zwei Wochen nach Season Ende dann am 15. November gut überstanden war. Jedoch konnte Mary Ellen nicht mehr länger Ana unterstützen, wenn ich in der Schule war. CCI gab daher der Austauschorganisation in Moldawien Bescheid, dass sie wahrscheinlich in einer Woche nach Hause fliegen müsse, da sie keine Familie für sie finden konnten. Mary Ellen würde sie bei sich aufnehmen, jedoch weigert sich die Schule Ana aufzunehmen. In diesem Dilemma möchte keiner stecken. Zwei Tage vor der Frist, meldeten sich drei Familien um sie aufzunehmen und bei einer Familie in Minnesota stimmte auch die Schule zu. Es war nur eine Woche vor dem Erntedankfest Thanksgiving, als wäre es ein großes Geschenk vorzeitig. Mein Lokal Coordinator, Babara, erwies sich so nett Ana zum Flughafen zu bringen, nachdem wir uns alle in Tränen von ihr verabschiedet hatten. Es hatte aber auch eine positive Seite an sich, nämlich eine riesige Entlastung für Mary Ellen. Nun stand nichts mehr im Weg sich komplett auf Thanksgiving vorzubereiten. Drei Tage zuvor wurde der Truthahn zum Auftauen in den Kühlschrank getan und unterschiedliche Desserts bereitete meine Gastmutter vor.
Am vierten Donnerstag ist Thanksgiving und es ist ein staatlicher Feiertag, sodass mein Gastvater Thomas an diesem Tag frei bekommen hat. Um 8:00 Uhr morgens klopfte Mary Ellen an meiner Tür um mich zu wecken, damit ich ihr beim Kochen helfen konnte. Es war lediglich der Truthahn vorzubereiten, da die Beilagen von Freunden, welche um 2:00 Uhr nachmittags eintrafen, mitgebracht wurden. Es war ein reichlich gedeckter Tisch und eine sehr leckere Mahlzeit. Es erinnerte mich etwas an Weihnachten. Mit Thanksgiving wurde auch automatisch einige Tage später die Weihnachtsdekoration aus der Scheune gekramt, um sie dann am Haus zu befestigen. Jedoch ist es nicht mit einem Weihnachtsbaum und einer Lichterkette getan. Amerikaner sind was Dekoration betrifft Profis, es wird das komplette Haus verziert mit allem möglichen Schnickschnack.
Obwohl Mary Ellen eine Scheune mit mindestens 20 Kisten Weihnachtsdekoration besitzt, kann sie es nicht lassen noch mehr Dekoration zu kaufen, so auch an Black Friday. Black Friday startet einen Tag nach Thanksgiving, jedoch kann man auch schon in der Nacht von Thanksgiving Shoppen gehen. Das besondere an diesen Tagen sind rapide Rabatte auf ein bestimmtes Sortiment, jedoch nur bis zu einem gewissen Zeitraum. Auf Youtube fand ich einige Videos vom letzten Black Friday 2015, wo Personen um die letzten Produkte kämpfen. In der Nacht gingen wir zu einem Einzelhandelsgeschäft namens Target. Michelle und Jay sind mit uns gegangen und waren sehr erstaunt, dass es sehr leer sei, jedoch konnte ich mich kaum in den Gängen frei bewegen, da überall Menschen auf der Jagd nach irgendwelchen Konsumgütern waren. Am Ende des Tages ging Mary Ellen mit einem neuen Weihnachtsbaum nach Hause und zahlreichen Geschenken für ihre Freunde und ich mit einigen DVDs und einem riesen Teddy für meine Freundin, da sie mich wahrscheinlich im März besuchen kommen wird.
Von Ziegenshows und anderen Feierlichkeiten
In der Vorweihnachtszeit ging ich mit meiner Gastmutter, Mary Ellen, des Öfteren Weihnachtsgeschenke für die ganze Familie einkaufen. Da die Vorbereitungen nicht wie in Deutschland ablaufen, beschränkte ich mich mehr darauf anderen Menschen eine Freude zu machen. Ich engagierte mich im „Best Buddies Club“, wo wir eine Party für körperlich oder geistig beeinträchtigte Schüler der Schule vorbereiteten, die am vorletzten Schultag stattfand. Am letzten Sonntag vor Weihnachten half ich mit Freunden in der Gemeinde, um der Kirche bei der Essensausgabe für ein Festival zu helfen, wobei ich nette Bekanntschaften mit anderen Schülern von meiner Schule machte. Dann stand endlich der Tag, auf den meine Gastfamilie hin gefiebert hatte, vor der Tür. Mary Ellen klopfte am Weihnachtsmorgen an meine Tür und bat mich, ihr bei der Essensvorbereitung zu helfen. Als alle Gäste in unserem Haus erschienen waren, aßen wir gemeinsam und genossen netten „small talk“ miteinander, bis auch der letzte Gast sich wieder auf den Weg nach Hause machte.
Traditionell werden Geschenke bei meiner Gastfamilie am Abend des ersten Weihnachtstages geöffnet, wobei die gesamte kleine Familie unter einem völlig überladenen Weihnachtsbaum die Bescherung genießt. Persönlich erwartete ich keine Vielzahl an Geschenken, da ich derselben Meinung wie meine Familie in Deutschland bin, nämlich dass der wesentliche Kernpunkt verloren ginge, wenn die Geschenke zu sehr im Mittelpunkt stehen: Die Geburt Jesu Christi. Jedoch wurde ich von meiner Gastfamilie sehr reich beschenkt, worüber ich mich auch sehr freute. Dennoch war es mir etwas unangenehm, da jeder von mir nur ein kleines Geschenk erhalten hatte. Der Zweite Weihnachtstag war der erste Tag in meinem Aufenthalt, an dem wir keine Arbeit auf der Farm hatten.
In den Winterferien ging ich auf eine Party, die mein Betreuer ausrichtete, wobei ich auf viele bekannte Gesichter traf. Peter aus Ungarn begrüßte mich recht herzlich, da wir schon engen Kontakt aus der Schule hatten. Er ist der Gastsohn von meiner „local cordinator“ Babara. Im Verlaufe des Abends wurden wir immer mehr und kamen am Ende auf etwa 15 Austauschschüler. Als der letzte eintraf, konnten Mary Ellen und Babara mit Kennenlernspielen und einem kleinen Geschenkeaustausch alle unterhalten. An diesem Abend fiel mir besonders ein Junge aus Brasilen auf, sein Name ist Fernando. Fernando war erst in der vorherigen Woche mit seiner Gastfamilie aus Georgia nach Florida umgezogen und fühlte sich nach seiner ersten Woche in Florida eigentlich sehr wohl. Einen Tag vor Neujahr sprach Mary Ellen dann aber die Problematik an, dass Fernando unglücklich in der Schule sei, da er aufgrund seiner Herkunft ausgegrenzt würde. Mary Ellen wollte ihm gerne helfen und notfalls in unserem Haushalt unterbringen. Das Thema wurde dann aber erstmal vom anstehenden Neujahrsfest verdrängt. Wir holten zwei Austauschschüler ab, Jasna aus Napanee und Dasha aus der Ukraine.Zuerst gingen wir gemeinsam shoppen, dann verbrachten wir den Silvesterabend zusammen.
Die große Erwartung von Feuerwerk und Partys wurde nicht erfüllt und wir starteten, wie die meisten anderen Gastfamilien, Silvester vor dem Fernseher mit dem Countdown von New York ins neue Jahr. Mit einer herzlichen gegenseitigen Umarmung endete der Abend und wir gingen eine halben Stunde nach Mitternacht ins Bett. Schon sechs Stunden vorher hatte ich das Vergnügen meinem Bruder, meinen Eltern und auch meiner Freundin ein frohes neues Jahr wünschen zu können. In dieser Nacht fiel mir das Schlafen relativ schwer, zum einen da dieser Tag anders war als das Silvester, welches ich achtzehn Jahre mit meiner Familie verbracht hatte, und zum anderen wegen meiner Gedanken an meine Freundin und meine Familie. Ich dachte daran, wie deren Silvester ohne mich verlief. Obwohl mir klar war, dass alle zu dieser Zeit schlafen würden daheim, fragte ich mich dennoch, was die einzelnen Personen gerade machten.
Teilnahme an Farmwettbewerben
Zwei Tage später entschied ich mich, die Weihnachtsbeleuchtung, die ich vor vier Wochen am Haus angebracht hatte, wieder ab zu nehmen. Die Schule begann eine Woche nach Neujahr und startete sehr entspannt. Ein Freund erklärte mir das amerikanische Schulsystem als recht einfach: „Solange die Hausaufgaben vorliegen und der Kopf während des Unterrichtes nicht auf dem Tisch liegt, wird man die Klasse bestehen.“ Diese Haltung einiger Klassenkameraden konnte ich allerdings nicht teilen. Als ich meine „Report Card“ von meinem Lehrer dann eine Woche später erhielt, war ich sehr zufrieden. In allen Fächern schnitt ich durchschnittlich mit A und B ab.
Ende Januar erwartete mich aber nicht nur das Lächeln des Lehrers, sondern auch das dicke Grinsen einer Ziege, denn wir bereiteten uns auf die erste von drei Ziegenshows vor. Die erste und wahrscheinlich aufregendste Ziegenshow war die South Florida goat show. Mit der Hilfe von Timothy, dem Sohn meiner Gastmutter, ging die Arbeit leicht von der Hand. Er weiß durch jahrelange Erfahrung genau welcher Schritt wann erledigt werden muss. Als wir das Gelände der Ziegen-Show erreichten, fiel mir als erstes die riesige Arena auf, welche die Ziegengehege von der Zuschauertribüne trennte. Wir hatten insgesamt 13 Ziegen, die nach Rasse und Alter in vier von fünf Gehegen untergebracht wurden. Damit die Ziegen sich nicht unwohl fühlten und sich vor allem keine Krankheitserreger einholten, brachten wir Plastikplanen an den Wänden der Gehege an. In dem übergebliebenen Gehege verbrachten Timothy und ich zwei amüsante Nächte. Die Frage von Besuchern “What kind of goat is that?“, trieb Timothy nach dem zehnten Mal in den Wahnsinn, besonders wenn ich sie mit „That´s a new breed!“ beantwortete.
Der erste Showtag startete um 7 Uhr mit einem gemütlichen gemeinsamen Frühstück. Die youth show ist für Jugendliche, die sich in einem Klub engagieren, wie zum Beispiel Future Farmer of America (FFA), was von vielen Schulen als Unterrichtsfach angeboten wird. Meine Gastmutter organisierte für mich die Möglichkeit mich im 4H Klub zu integrieren, da die Mitgliedschaft in einer gemeinnützigen Organisation Voraussetzung für die Teilnahme und die Präsentation eines Tieres ist. Der 4H Klub ist eine ehrenamtliche Organisation für Leute, die privat Tiere besitzen und bietet somit ein großes Netzwerk für Bauern. Als die Kampfrichter eine Stunde später eintrafen, startete der offizielle Teil der Show. Mit der Nationalhymne wurde der Wettbewerb feierlich eröffnet, während alle Personen zur Flagge gewandt standen und mitsangen. Kurz bevor meine erste Ziege rausspazierte um eher mich zu präsentieren als umgekehrt, erklärte mir Mary Ellen die Grundlagen für eine erfolgreiche Platzierung. Natürlich sah ich mir die Aussteller, die sich zu dem Zeitpunkt im Ring befanden, genau an, um mir gegebenenfalls etwas abzuschauen und einen guten Eindruck für die Jury zu hinterlassen.
Die Ziege leistete in der Open Show einen großartigen Job. Wir erhielten den ersten Platz, wobei die ersten acht sich diesen teilten. Meine Ziege und ich gingen stolz als Sieger aus dem Ring. Die Open Show unterscheidet sich von allen anderen Shows, da hierbei nicht nach der Rasse der Ziege unterschieden wird, wie bei allen anderen Wettbewerben üblich. Nachdem Mary Ellen die erste Ziegenshow mit mir gemeistert hatte, fing auch schon die Vorbereitung der nächsten Show an. Meine Gastmutter wollte gerne weitere Unterstützung haben, nämlich Fernando. Er sei sehr unglücklich auf seiner aktuellen Schule und Mary Ellen fragte, ob es ein Problem für mich sei, ihn bei uns aufzunehmen. Ein Hamburger überlegt bei so einer Fragestellung nicht lange und antwortet, es sei kein Problem.
Drei Tage später schaute mich ein glücklicher junger Mann an, den ich von der Feier im Dezember wieder erkannte. Anfang Februar gingen wir gemeinsam zur nächsten goat show, welche nun alle Tiere aus Florida umfasste. Ich lernte Schüler von Miami bis Tallahassee kennen. Direkt neben der Ziegenscheune waren im nächsten Gebäude die Bullen und Schafe untergebracht, wo ich in meiner Freizeit oft vorbeischaute. Fernando scheint zwar genau das Gegenteil von mir zu sein, was unsere Gastmutter des häufigeren erwähnt. Dennoch verstehen wir uns sehr gut und helfen uns gegenseitig bei den Aufgaben auf der Farm. Die Tage im Februar verflogen schnell und es stand die nächste Ziegenshow vor der Tür. Im Rückblick empfinde ich diese Show als die beste. Wir luden den Ziegenanhänger mit nur neun Ziegen, da die anderen trächtig waren. Die Anreise dauerte nur eine halbe Stunde, was im Vergleich zu den vorherigen Shows eine große Erleichterung für uns und die Ziegen im stickigen Anhänger war.
Die Möglichkeit, abends nach Hause fahren zu können, um in seinem eigenem Bett zu schlafen, machte es neben der Begegnung einer Austauschülerin von Deutschland zur besten Show. Maren, welche ihr Auslandsjahr in Georgia verbringt, erzählte mir von großartigen Erfahrung und Berichten von anderen Ziegenshows in unterschiedlichen Staaten von Amerika. Da ihre Gastfamilie gerne vereist und sie die Tiere nicht alleine lassen können, besucht die Familie andere Ziegenshows im gesamten Staatsgebiet. Jetzt sind schon mehr als zwei Drittel meiner Zeit in den USA vorbei, aber ich bin mir sicher, dass noch viele tolle Erfahrungen in den Vereinigten Staaten auf mich warten und bin gespannt, welche Herausforderungen als nächstes gemeistert werden müssen.
Frühling in Florida – Die letzten Monate in den USA
Ein Auslandsjahr zeichnet sich durch die kulturelle sowie sprachliche Erweiterung des Horizontes eines Individuums aus. Im Rückblick auf den Aufenthalt in den Vereinigten Staaten stellt sich die Frage „Cui bono?“, aus dem Lateinischen für „wem zum Vorteil?“. Der März stand vor der Tür und mit ihm eine ganze Reihe Ereignisse. Normalerweise verbringe ich meine Märzferien mit meiner Familie beim Skilaufen. Das sollte jedoch nicht nur an den geographischen Verhältnissen in Florida scheitern sondern auch an den klimatischen Bedingungen. Im Schulkalender meiner High School ist im März „Spring break“ eingetragen, wo die Schüler für eine Woche von der Schule befreit sind. Eine Woche zuvor kam meine Freundin Elizabeth an, um mich für zwei Wochen zu besuchen. Da die erste Woche noch Schule war, konnten wir nicht viel unternehmen. Sobald die Schulglocke aber am letzten Schultag läutete, um die tobenden Schüler zu entlassen, begann für Elizabeth und mich eine abenteuerreiche Woche.
Am Samstag gingen wir bei Sonnenschein mit Jay (dem Ehemann von meiner Gastschwester Michelle) im türkisblauen Ozean und bei flachem Wellengang angeln. Damit gehörten wir zu den 6% Amerikanern, die angeln und jagen gehen. Wir alle genossen die ruhige Atmosphäre am nordatlantischen Ozean. Zu Hause am Zaun warteten dann auch schon die Ziegen auf uns, wobei das Verhalten für sich sprach, da noch keiner sie gemolken hatte. Leider stellte sich im letzten Drittel meines Aufenthalts heraus, dass mein Gastbruder Fernando sich in seinem neuen Umfeld nicht wohlfühlte. Er vermied den Kontakt mit den restlichen Familienmitgliedern, obwohl er gerne mit auf Veranstaltungen ging. Mit Elizabeth machte ich einen Ausflug nach Disneyland, was für sie ein Highlight war. Als Elizabeth am Freitag die Vereinigten Staaten wieder verließ, um nach Deutschland zurückzukehren, fiel uns beiden der Abschied nicht schwer, da uns bewusst war, dass es von diesem Tag an nur noch 100 Tage bis zum Wiedersehen wären.
Im Vorgespräch zum Auslandsaufenthalt wurde meinen Eltern und mir ein „Smiley Diagramm“ erklärt, es handelt sich um eine parabelähnliche Funktion, welche die durchschnittlichen Emotionen eines Austauschschülers widerspiegelt. Ich hatte diese eher als irrelevant abgetan, da ich entschlossen war, jeden Tag mit einem Lächeln zu beginnen. Zusammenfassend entsprachen dann doch einige Phasen der Realität. Mit dem Ende des Besuches von Elizabeth war es auch gleichzeitig das Ende meiner letzten Ferien bis zu meinem Abflug, wobei es einen Schultag frei gab, den „Memorial Day“ in den zweieinhalb Monaten bis zum „D-Day“. Nach einer Woche fand ich zurück in meinen Alltag und führte diesen auch mit Begeisterung fort. Ich konnte wieder in meine Laufschuhe schlüpfen! Wieder im Running Team unterwegs zu sein und gegen andere Schulen anzutreten, blies jede Sorge fort und brachte einzig den Ehrgeiz und Stolz des Teams hervor. Mit großer Hitze klopfte der April an. Und mit ihm kam auch ein weiterer Gast zu Besuch! Mein Bruder Carl nutzte seine freie Zeit als Student, um seinen kleinen Bruder im „Sunshine State“ für zwei Wochen zu besuchen.
Während seines Aufenthalts konnte er den Familienkonflikt mit Fernando mit verfolgen, da dieser sich endgültig nicht mehr wohlfühlte. Nach nicht einmal drei Monaten verließ Fernando auch diese Gastfamilie. Carl und ich wünschten ihm einen weiteren schönen Aufenthalt in den USA. Am Wochenende war Jay so nett, uns beide mit dem Boot auf den Ozean mitzunehmen, um bei Sonnenschein zu angeln. Leider waren die Fische an diesem Tag nicht hungrig genug, um sich an einen von unseren Haken locken zu lassen. Die Zeit auf dem Boot ließ gleichzeitig Erinnerung wach werden, denn in der Grundschule besuchten mein Bruder und ich zusammen die Segelschule. Jays Boot hingegen hat einen starken Motor, welcher den Ozean zu einer Rennstrecke machte und meterhohe Wellen hinter sich ließ. Kenter-Übungen wurden an diesem Tag nicht ausgeführt, was uns Hamburgern aber nicht den Spaß verdarb. Die Zeit mit Carl verging genauso schnell wie mit Elizabeth. Mit einem festen und zuversichtlichen Handschlag gingen wir beide wieder unserer Wege, mit dem Wissen, dass wir uns in nur 50 Tagen wiedersehen würden.
Die großen Laufwettbewerbe zwischen den Schulen fanden größtenteils im Mai statt. Die Laufstrecke hat sich von der Langdistanz zu einem maximalen 1.800 Meter-Lauf entwickelt. Gleichzeitig hat sich auch die Konkurrenz verringert. Es blieben nur noch die drei besten Läufer aus jeder Schule. Trainer Debra hat mich und zwei weitere Mitschüler in die 1.800 Meter Kategorie eingetragen, da keiner von uns mit den hervorragenden Zeiten unserer Kameraden im 200 Meter Sprint mithalten konnte. Insgesamt ergab sich in dieser Disziplin eine durchschnittliche Leistung im Vergleich zu den anderen Läufern. Trotzdem schrie das Team während des Zieleinlaufes als wäre man grade dabei, den ersten Platz zu ergattern. Der Schwerpunkt des Unterrichts hingegen wurde bereits auf die Endklausuren gelegt, die überwiegend in der letzten Schulwoche absolviert wurden. Wir starteten mit den Übungstests der Schule in den Juli. Dennoch stärkte der Juli meine Wertschätzung des deutschen Schulsystems durch den starken Individualismus, den Freiheitsgedanken sowie Initiativen der Schülerschaft und der Vielfallt des Schulalltages. Das Sprichwort: „Wer schreibt, der bleibt“ würde in das amerikanische Modell gut hineinpassen. Die Abschlussklausur macht für jeden Schüler 20-25% der Gesamtnote aus. Diese Regelung schlägt sich deutlich in der Verteilung der Motivation des Lehrkörpers im Jahr nieder.
In ausgelassener harmonischer Stimmung ging ich in die viertägige Woche. Am Montag gab es eine Einleitung für die folgenden Tage. Die normale Dauer jedes Unterrichtsfachs wurde verkürzt, damit ausreichend Zeit für die Klausuren in der siebten Stunde war. In der siebten Stunde erwartete mich dann mein Physiklehrer, der nun sämtliche Regeln erklärte, um dann den Test auszuhändigen. Zu meinem Erstaunen handelte es sich bei allen Endklausuren um Multiple Choice Fragebögen. Von Dienstag bis Donnerstag gingen nur noch Schüler zur Schule, die einen „End Test“ schreiben mussten. Nach den Tests gingen alle Austauschschüler in das Wochenende. Bei einer CCI-Exchange Orientation bei dem jeweiligen Local Coordinator trafen wir uns wieder. Mein Local Coordinator, Babara, fragte mich, wie es mir ergangen sei seit unserer letzten Begegnung im Winter. Im Gespräch kamen wir dann auf die unterschiedlichen Erlebnisse und sie erzählte mir von ihren Erfahrungen aus über zehn Jahren als Local Coordinator. Auf der Orientierung traf ich auch meinen italienischen Freund Alexsandro wieder. Wir beide wollen uns in diesem Winter zum Skilaufen in Österreich treffen.
Nach dem Wochenende blieben mir nur noch drei Tage in den USA. Um mich bei meiner Gastfamilie zu bedanken, lud ich sie in deren Lieblingsrestaurant ein. Der vorletzte Tag blieb nur, um das Zimmer zu reinigen und die Koffer zu packen und die restliche Zeit noch mit der Familie zu genießen. Um 9:00 Uhr des Abreisetages erwartete mich eine Überraschung von Mary Ellen. Wir fuhren zum Kennedy Space Center, um eine Rakete beim Startvorgang zu beobachten. Ich habe bisher nur Raketen in Dokumentationen gesehen und habe beim Start erst die enorme Kraft wahrgenommen. Sie erzählte mir auf dem Weg zum Flughafen, dass ihr Haus vibrierte als einmal eine Besatzung aus dem Weltraum zurückkam.
Während mich an einem Ende der Welt eine Familie verabschiedete, wartete am anderen Ende meine Familie sehnsüchtig auf ein Wiedersehen. In Hamburg begrüßten mich bei Sonnenschein bekannte fröhliche Gesichter und alle schlossen mich herzlich in ihre Arme. Meine Familie bemühte sich sehr, mit mir wieder in den Alltag zu finden und empfahl mir, die restliche Zeit bis zu den Ferien wieder in die Schule zu gehen. Das machte ich und traf viele alte Freunde wieder. Es erleichterte mir die Wiedereingewöhnung ganz immens. Zu Hause freuten sich meine Hunde anscheinend über meine Rückkehr am meisten. Ich wurde niedergeschmissen und von mehreren Hundenasen abgeschleckt.
In den 10 Monaten in Amerika habe ich folgendes auf jeden Fall gelernt: „Allwissend bin ich nicht, doch vieles ist mir bewusst geworden“ (Faust).