- WELTBÜRGER-Stifter: GLS
- Programm: Schüleraustausch
- Land: Neuseeland
- Dauer: 5 Monate
- Name: Sarah
Life is not about finding yourself, it’s about creating yourself
Also, wie soll ich anfangen ?! Ich stieg ins Flugzeug, hatte gefühlte 200 Vorbereitungsbriefe gelesen, stundenlang telefoniert und Bücher gelesen, Reiseführer studiert und hatte das Gefühl jegliche Wikipedia Artikel über Neuseeland schon auswendig zu können … und wusste irgendwie doch nicht was mich erwartet .. häää?? Was mache ich hier ? Moment mal, noch mal kurz ins Gedächtnis rufen wieso ich noch mal gleich hier sitze ..
ACHJA! Die trockene Luft des Flugzeugs und meine, von dem 10 Kilo schweren Rucksack, schmerzenden Schultern erinnerten mich wieder. Aufbrechen, du selber sein, was neues sehen und erleben, unabhängig sein. So weit weg wie es geht. Erst ganz anders und später dein zweites Zuhause ? Neues sehen, entdecken, fühlen! Langeweile, Routine und Alltag für eine Zeit lang adé und auf, weit hinaus über meinen Horizont.
In der Fremde angekommen
Angekommen wurde es erst mal schwer meine Vorsätze umzusetzen. Meine Gedanken kamen mir manchmal wie eine eine rießen Welle vor, die sich vor mir aufbaut, sodass ich gar nicht ’sehen‘ konnte. Aber ist ja irgendwie auch klar, so viele Gedanken gingen mir durch den Kopf .. wie finde ich möglichst schnell Freunde, welche Fächer wähle ich, worüber könnte ich noch mit meiner Gastfamilie sprechen, mögen die mich, verstehen die mich …englisch?! Ich konnte mir nur schwer die Satzordnung Subjektiv, Prädikat, Objekt wieder in Erinnerung rufen.. Ich weiß, klingt komisch, denn eigentlich war ich in dem Englisch Unterricht in Deutschland auch nie schlecht, aber meine Vermutung ist, dass es einfach an der Spontanität liegt, denn im Unterricht ist ja doch schon viel vorprogrammiert.
Ich hab auf jeden Fall am Anfang sehr viele deutsche Wörter in meine versuchten englischen Sätze eingeflößt und habe ungewollten Schwachsinn erzählt. Ich habe mich einfach unwohl gefühlt, aber dass war wohl gar nicht so schlimm wie sich’s für mich angefühlt hat, meinte meine Gastfamilie. Die hatten vor mir auch schon mal eine Gastschülerin und die hätten sie wohl am Anfang gar nicht verstanden, und bei mir wussten sie wenigstens was ich sagen wollte ..Ich hab’s also mit Humor genommen und gegen Ende, als ich dann schon selbstbewusster englisch sprechen konnte, fand ich die anfänglichen Versuche auch super lustig.
Nachdem ich also mit großen Anfangsverständigungsprobleme zu kämpfen hatte, wich meine Hoffnung am ersten Schultag einen super ‚ersten Eindruck‘ hinzulegen. Trotzdem hab ich alles gegeben. Sachen sorgfältig am Abend zuvor raus gelegt, Haare schön geglättet und ein gesundes Frühstück zu mir genommen.
Fernweh? JuBi!
Die neue Schule
Von der ‚Wilkommensvorstellung‘ war ich sehr begeistert, wovon ich unbedingt noch erzählen muss. In dem riesigen Theater meiner Schule fand eine Vollversammlung statt, um die neuen Lehrer und Schüler (Austauschschüler oder die, die die Schule gewechselt haben) zu begrüßen. Die gesamte Schule saß in dem Theater zusammen und hat angefangen ein Lied zu singen. Das war unser Zeichen, wir gingen rein. Männer zuerst und Frauen danach, nach maorischer Tradition. Wir nahmen also auf ein paar Stuhlreihen, die gegenüber der restlichen Schule aufgestellt waren, platz. Zwei Parteien sozusagen. Dann hat der Schulleiter und ein neuer Lehrer ein paar Vorträge in Maori gehalten .. womöglich haben sie ein Gespräch geführt, was aber nicht zu verstehen war.
Über meinem Kopf konnte man theoretisch das Fragezeichen sehen können. Dann ging es wenigstens in Englisch weiter und das Fragezeichen vor meinen Augen verkleinerte sich ein wenig. Als ‚Antwort‘ auf ihr Lied fingen wir nun auch an zu singen. Wir hatten ‚You are my sunshine‘ ausgewählt, weil das die meisten kennen. Von meiner Schule in Deutschland kannte ich nur die jährliche Winter/Weihnachten Vollversammlungen, bei denen vorder der Text von ‚Oh du Fröhliche‘ verteilt wird und sowieso keiner mitsingt, weil es allen zu peinlich ist.
Um dann wirklich ganz in die ‚Gesellschaft‘ aufgenommen zu werden und aus anfänglichen Parteien, eine zu machen, sind wir dann, diesmal Frauen zu erst, auf die erste Reihe zugegangen und haben jeden mit dem traditionellen Maori-Gruß ‚Hongi‘ begrüßt.
Schon an meinen ersten Tagen konnte ich die Mentalität der Neuseeländer spüren und war erst mal Baff. Die Offenheit, dass sie jeden persönlich in die Gemeinschaft aufnehmen wollen und die Gelassenheit fand ich unglaublich.
Die nächsten Tage flogen so vor sich hin. Alles ging dann doch ganz schön schnell. Ich hatte meine Fächer gewählt und rein ging’s in den Schulalltag.
Startschwierigkeiten und der Alltag
Auch nach dem Einleben kam ich nicht darüber hinweg, wo ich bin befand. Jeden Morgen beim Aufstehen ging mir ein ‚oh man, du bist in Neuseeland‘ durch den Kopf. Es war schon unglaublich. Zwar stand ich nicht besonders standfest auf meinen Beinen, aber immerhin waren es immerhin meine eigenen 😉
Die ersten Tage in der Schule waren schon und aufregend. Jeder hat mich, und natürlich auch die anderen Austauschschüler angestarrt und häufig auch angesprochen, allerdings meistens nicht mehr als zwei Fragen ..
Nr. 1 : Wie heißt du ?
Nr. 2 : Wie lange bleibst du hier ? ..
Deswegen kamen zunächst nicht besonders tiefgründige Gespräche zustande und meinen Namen hatten die meisten bestimmt nach einer Stunde wieder vergessen (obwohl ich mir alle Mühe mit dem ersten Eindruck gab!). Und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass es kein Kinderspiel war ‚Freunde zu finden‘. Das hört sich irgendwie wie eine Mission an, die erfüllt werden muss, aber es ist wirklich echt so. Alleine ist man irgendwie alleine. Am Anfang hatte ich dann viel mit den anderen Austauschschülern zu tun, die größtenteils aus Deutschland kamen und und viel Deutsch zu sprachen.
Zum Glück sind die Neuseeländer super offen. Wer das auch ist und sich einbringt findet also doch schnell Freunde. Nach ein paar Wochen lief ich auf jeden Fall schon durch die Schule und wurde von vielen begrüßt. Und später habe ich dann ein paar wirklich gute Freunde gefunden.
Die Schule wurde dann irgendwie normal .. ich hatte ein paar Freunde gefunden, jeden Tag die gleichen Fächer und nach der Schule oft noch ein bisschen Zeit zum Volleyball spielen.
Irgendwann war es normal dort zu sein, was auf der einen Seite gut war, denn das zeigt immerhin, dass ich mich gut eingelebt hatte. Auf der anderen Seite wollte ich dieses Gefühl auch mit aller Kraft verhindern, denn ich wollte auf keinen Fall vergessen wo ich war und mich bloß nicht dran gewöhnen. Denn alles was man als normal empfindet weiß man irgendwann auch nicht mehr richtig zu schätzen, oder?
Ich konnte mich (zum Glück) nie so wirklich daran gewöhnen, dass ich da war. Auch jetzt, während ich schon wieder in Deutschland bin, kommt es mir immer noch komisch vor einfach so zu sagen ‚das hab ich aus Neuseeland‘ oder ‚den Film hab ich schon in Neuseeland gesehen‘.
Die Gastfamilie
Bei meiner Familie hab ich mich dann mit der Zeit auch wirklich gut eingelebt. Natürlich fällt es am Anfang schwer Smalltalk beim Abendessen zu führen, aber ich glaube das ist normal. Man kennt sich ja noch gar nicht richtig und kann sich eben nur oberflächlich unterhalten. In meiner Familie lebte noch eine italienische Austauschschülerin, was mir gut gefiel, weil wir dann zu zweit waren. Meine Gasteltern haben sich sofort bemüht, dass ich mich wie zu Hause fühle. Sie haben mich sofort in die Familie integriert und mich wie ein richtiges Familienmitglied behandelt.
Ich kann mich noch an die ersten Abende erinnern, an denen ich mich noch nicht mal getraut habe, die Füße auf die Couch zu legen.. und ein paar Wochen später haben wir uns schon um den besten Platz auf der Couch gestritten. Bei einem All Blacks Spiel, dem heiligen Rugby Team Neuseelands, wofür mein Gastvater sogar um 6 Uhr morgens am Wochenende aufgestanden ist, bin ich sogar eingeschlafen, was sie mir hoffentlich nicht übel genommen haben. In ersten Tagen war ich immer schon zu früh wach und trotzdem musste meine Gastmutter mich jeden Tag aus dem Bett schreien. Es ist einfach meine zweite Familie am anderen Ende der Welt geworden.
Schulferien und Entdeckungstouren
Ich war während zwei Schulferien dort und da habe ich die unglaublichsten, abenteuerlichsten und interessantesten Reisen in einem der unglaublichsten Länder der Welt gemacht (Ich weiß, ‚unglaublich‘ kommt ganz schön oft vor, aber ich kann’s einfach nicht anders beschreiben).
Neuseeland ist ein sehr beliebtes Ziel für Backpacker und deshalb gibt es dort auch total viele Reisebusse, die praktisch auf die Verhältnisse von Backpackern abgestimmt sind (unabhängig und billig). Sie fahren durch das ganze Land und zeigen einem alles was mach sehen muss. Sie fahren die ‚berühmtesten‘ und schönsten Plätze an, wo man dann sie Möglichkeit hat den Ort zu erkunden oder irgendwas verrücktes zu machen (Dazu gibt es in Neuseeland reichlich Möglichkeiten ! Die sind verrückt nach extremen Outdoor-Sachen! Z.B. Bungeespringen (wurde nebenbei auch dort ‚erfunden‘) oder Skydiving und vielem mehr). Meistens verbringt man dann die Nacht an ein einem Ort und am nächsten Tag geht es dann wieder in den Bus und ab zum nächsten Ort.
Hat man viel Zeit mitgebracht kann man so lange bleiben wie man will. Wenn man dann genug hat und was neues sehen will, kann man sich einfach wieder melden und in den nächsten Bus steigen.
Während einer Reise wurde mir dann wieder bewusst, dass das einfach unglaublich ist, was ich dort erleben durfte. Ich habe mich mit einem Engländer unterhalten, der so etwas wie ‚work and travel‘ machte. Er war total erstaunt, dass ich erst 17 war: ’seventeen ?? I was a mess when I was seventeen! I could hardly get dressed myself!‘ Hatte er zu mir gesagt. Da dachte ich wieder wie verrückt dass ganze eigentlich war. Mit 17 am anderen Ende der Welt zu sein.
Und zur Erleichterung meiner Eltern, die eher Sorge hatten, dass ich wegen Mangelernährung krank werden würde (war ja Selbstverpflegung) hat alles gut geklappt und es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht! Ich konnte nicht nur viele Leute aus der ganzen Welt kennen lernen, sondern auch jeden Winkel von Neuseeland erforschen. Das Land ist einfach unheimlich schön. So etwas habe ich noch nie gesehen (hört sich jetzt nicht ganz so überzeugend an, bin ja erst 17 und hab noch nicht so viel gesehen, aber als meine Eltern die Fotos gesehen haben, haben sie das auch auch gesagt und dann ist das schon überzeugender). Die Landschaft ist so abwechslungsreich, wir waren einen Tag an den schönsten Stränden von Regenwald umringt und ein Tag später sind wir den Gletscher hochgewandert. Es gibt dort so viel zu sehen, ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Die ganzen Fotos und Filme die dort gemacht wurden, die ich vorher gesehen hatte, was aussieht wie arrangiert, sieht wirklich so aus. Es ist einfach unglaublich schön.
Und die Kiwis machen das Ganze komplett. Die Gelassenheit und Offenheit, die die Neuseeländer leben haben mir das Gefühl gegeben, dass sie wissen, wie man das Leben genießt. Meine Gastfamilie hätte am liebsten schon zum Frühstück irgendetwas auf den Grill gelegt. Und wenn es geregnet hat (und das hat es im Winter 3 von 4 Tagen!) hat man halt eine Markise über den Grill gespannt. Es gibt eben kein falsches Wetter zum grillen.
Meine ‚Heimatstadt‘
Ich habe in Auckland, der, mit Abstand größten Stadt Neuseelands gelebt (allein in Auckland wohnen mehr Leute als auf der ganzen Südinsel!), da herrschte allgemein eher so ein ‚Großstadt-feeling‘. Wenn man aufs Land fährt und kilometerweit nichts als grüne Wiesen mit vielen Schafen sieht, wird einem der noch gelassenere Lebensstil bewusst.
Alles ist irgendwie persönlicher, ich hatte das Gefühl, dass die Bevölkerung zusammenhält und auch versucht die Maori Kultur zu erhalten. Es gab zum Beispiel eine Maori language week, wo überall verschiedene Veranstaltungen statt fanden, die sich dafür eingesetzt haben, dass die Sprache nicht vergessen wird. Oder bei jeder wichtigen Veranstaltung (Abschlüsse oder Reden vor Ferien in der Schule, Politik) ist immer ein Teil der Rede in Maori gehalten worden. Und wenn es um das Rugby Team, die All Blacks geht, dreht ganz Neuseeland ja sowieso durch, aber abgesehen davon, tanzt das Team vor jeden Spiel den Haka, den traditionellen Maori Kriegstanz.
Mittlerweile bin ich wieder zu Hause (das in Deutschland), und habe mich auch schon wieder eingelebt. Ich war natürlich total gespannt was und wer sich hier so verändert hat. Ich hatte auch Angst, dass meine Freunde sich so verändert hätten, dass ich gar nicht mehr ‚reinpassen‘ würde ..Aber mir kommt es so vor, als wäre die Zeit hier stehen geblieben und ich wäre, wie in einem Zug, einfach nur kurz ausgestiegen und jetzt wieder drin..
Bei einem der Vorbereitungstreffen hat eine ‚Ehemalige‘ mal gesagt, dass sie selber das Gefühl hat, sich selbst weiterentwickelt zu haben. Und es steht ja auch in ganz vielen Berichten und Büchern, dass Kinder gehen und Erwachsene wiederkommen. Aber ich kann gar nicht so genau sagen, inwiefern ich mich selbst verändert habe. Ob ich die Dinge jetzt anders sehe oder anders denke. Aber ich weiß, dass jeder Tag in Neuseeland eine Erfahrung war, die mir einfach keiner nehmen kann und die ich niemals missen möchte.
Sarah