- WELTBÜRGER-Stifter: weltweiser
- Programm: Schüleraustausch
- Land: USA
- Dauer: 10 Monate
- Name: Helena
„Was zur Hölle mach ich hier?“, war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf geschossen ist, als ich durch die Sicherheitskontrolle am Berliner Flughafen gegangen bin. Ich drehte meinen Kopf um, winkte zum letzten mal meinen Freunden und meiner Familie zu und verließ sie somit für ein Jahr, um dem Abenteuer meines Lebens entgegen zu treten: meinem Auslandsjahr in den USA.
Über ein Jahr habe ich mich darauf vorbereitet und plötzlich war dieser Moment da. Der erste Flug, den ich antrat ging nach Frankfurt am Main um die restlichen Xplore-Auslandsjahrschüler aus ganz Deutschland zu treffen, um gemeinsam in die Stadt, die niemals schläft: New York, zu fliegen. Auch wenn wir insgesamt elf Stunden geflogen sind, verging die Zeit wie im „Flug“. Auch wenn das halbe Flugzeug mit Jugendlichen besetzt war, war es erstaunlich still. Jeder hat versucht zu verarbeiten, was für ein tolles Erlebnis gerade begonnen hat und alle waren erschöpft, denn wie es sich in späteren Gesprächen herausgestellt hat, verliefen unsere letzten Tage in Deutschland ziemlich gleich, in Chaos und Stress. Was soll man denn auch anderes erwarten, wenn man versucht, sein ganzes Leben in ein Koffer zu packen.
Ich persönlich hatte Glück, da ich mein Abflugdatum und meine Gastfamilie zwei Wochen vor der Abreise wusste, doch viele haben es erst durch einen Anruf 24 Stunden davor erfahren. Wir sind im Newark Flughafen in New Jersey gelandet und von dort aus sind wir ins Double Tree Hotel gefahren, wo wir als erstes mit einem schönen amerikanischen Dinner begrüßt wurden. Ich weiß nicht, was ich gegessen habe, aber ich erinnere mich noch an die schrecklichen Bauchkrämpfe, die mich in der Nacht gequält haben. Doch für Krankheiten war keine Zeit, schließlich war ich in New York. An unserem ersten Tag wurden wir leider bis Mittag mit Vorträgen über all die Regeln gequält und uns wurden unvorteilhafte blaue T-Shirts ausgeteilt. Doch mit diesem neuen einheitlichen Kleidungsstück konnten wir alle die Sightseeing Tour beginnen. Die nächsten Tagen waren eine unvergessliche Zeit. Das war mein erstes Mal in New York und es war unfassbar. Wir waren auf dem Empire State Building, am Times Square, im Central Park, am Ground Zero, doch was mich am meisten begeistert hat, war die Freundlichkeit und die Gelassenheit der Bewohner. Ich würde jedem empfehlen, wenigstens einmal im Leben nach New York zu fahren.
Doch auch wenn meine Anfangszeit so schön war, konnte ich kaum erwarten, mein eigentliches Auslandsjahr bei meiner Gastfamilie zu beginnen. Darauf musste ich nicht lange warten, da ich am 1. August in den Flieger von Newark nach Indianapolis gestiegen bin, um die Familie Bowden kennen zu lernen. An dieser Stelle würde ich gerne über meine Gastfamilie berichten. Am besten kann ich mich an den Moment erinnern, als ich erfahren habe, dass ich bei den Bowdens leben werde. Es war in den Sommerferien zwei Wochen vor meinem Abflug. Ich konnte nicht schlafen und war auf Facebook unterwegs, als ich auf einmal eine Freundschaftsanfrage von einer gewissen Gabrielle Ransom bekam. Nicht viel ahnend schrieb ich sie an und fragte wer sie sei. Als Antwort bekam ich: „Hi, ich bin Gabbie und du wirst das nächste Jahr bei mir und meiner Familie leben.“ Das war alles, was sie schrieb und dann ließ sie mich über zwei Tage auf die Folter spannen, ohne auf irgendeine meiner weiteren Fragen, die ich ihr gestellt habe, zu antworten. In diesen zwei Tagen war ich mir sicher, dass ich nach Florida komme, da alle ihre Bilder auf Facebook dort aufgenommen worden waren. Wie sich später herausgestellt hat, waren das alles Urlaubsbilder. Aber schließlich bekam ich eine Mappe von Xplore zugeschickt, wo ich alle Informationen sehen konnte. Ich las erstmal, dass ich nach Indiana/Bloomington komme und als Junior auf die Bloomington Highschool South gehen werde.
Dann kam der spannende Teil, der Haushalt. Es war ein kleiner Schock: Im Haushalt lebten fünf Kinder und ich würde das sechste sein. Das beängstigte mich sehr, da meine einzige Schwester 20 Jahre älter ist als ich und ich nie mit einem anderen Kind in einem Haushalt gelebt habe. Es würde eine große Umstellung für mich bedeuten. Ich erfuhr, dass meine Gastmutter Tisa Bowden in dem Indiana College im Bereich Geologie arbeitet und mein Gastvater Craig Bowden Golfequipment vermarktet. Beide sind seit zwei Jahren verheiratet, haben keine gemeinsamen Kinder, aber dafür Kinder aus vorherigen Ehen. Tisa hat drei Kinder. Lizzie, 20, arbeitet bei der Tagespflege, Gabbie, 17, ist ein Senior auf der gleichen Highschool wie ich und dann Noah, 11, ist in der 5. Klasse. Craig hat zwei Töchter, Quinley, 9, in der 4. Klasse und Kiren, 6, in der 1. Klasse. Es wurde auch gesagt, dass ich bei dieser Familie nur für zwei Monate bleiben könnte und mir dann eine andere Gastfamlie zugeteilt werden würde. Das wich sehr von meinen Erwartungen ab, aber ich war positiv eingestellt.
Es war einer der glücklichsten Momente. Nach meinem Flug, der wegen Turbulenzen drei Stunden Verspätung hatte, war ich völlig fertig und versuchte, mich am Flughafen Indianapolis zurecht zu finden. Auf einmal umarmten mich fremde Personen und ich hörte: „Welcome to the family“. Es wurde gleich ein Bild von mir und der Familie aufgenommen und auf Facebook hochgeladen. Am gleichen Abend habe ich mir die Kommentare durchgelesen, der Pastor unserer Kirche schrieb „Welcome to Bloomington Helena! You may not know it yet, but you won the host family lottery ticket“. Wenn ich nach 4 Monaten darauf zurückblicke kann ich ihm nur zustimmen, ich und die Bowdens passen wie die Faust aufs Auge. Aus diesem Grund wurde auch entschieden, dass ich auf keinen Fall nach zwei Monaten in eine andere Familie ziehen sollte. Das Haus, in dem wir leben, ist größer als ich es gewohnt bin, sodass ich in der ersten Woche Probleme hatte, alles und alle gleich zu finden. Mir wurde auch erklärt, dass meist nicht alle Kinder zur gleichen Zeit im Haus sind, da sie jeweils bei dem anderen Elternteil die Hälfte der Woche verbringen. Also gibt es Tage, wo bis zu neun Leute im Haus leben, doch auch Tage wo nur Gabbie, Tisa und ich zu Hause sind.
In der ersten Woche hat auch bei uns eine andere Austauschschülerin aus Deutschland gewohnt, da ihre Gastfamilie im Urlaub war. Es war schön jemanden bei meiner Seite zu haben, der genauso wenig Ahnung wie ich hatte. Ich kann mich an jeden einzelnen Augenblick der ersten Woche erinnern, am besten an den ersten Schultag. Die Schule ist mit ihren 2700 Schülern um 2000 Schüler größer, als die Schulen, die ich aus Berlin kenne. Doch nicht die Größe war es, die mir am meisten zu schaffen gemacht hat, es waren die Schließfächer. Man darf tatsächlich seinen Rucksack aus Sicherheitsgründen nicht mit in den Klassenraum nehmen. Das war natürlich ein Problem, da man nach jeder Stunde den Klassenraum wechseln musste und dazu nur fünf Minuten hatte. Es war natürlich unvorteilhaft, wenn man das mit dem Schließfach nicht ganz so raus hatte und sich immer noch in der Schule verlief. Doch abgesehen von meinen kleinen Anfangsschwierigkeiten, verlief alles gut. Meine Fächer für das erste Trimester waren: Nutrition & Wellness, US History, Biology, English und Theatre Arts. Es war ein Stundenplan, der mir genügend Zeit für außerschulische Aktivitäten ließ. So konnte ich mich in verschieden Clubs, wie Habitat for Humanity, Best Buddies, Improve Club und Proud involvieren. Auch wenn in der ersten Woche alles doch so spannend war, wurde es nach kurzer Zeit fast zur Routine und ich passte mich schnell an. Ich kann beinahe mit geschlossenen Augen durchs ganze Haus laufen und mich an keiner Kante stoßen, mein Schließfach öffne ich ohne darüber nachzudenken und auch die große Menge der Schüler macht mir nichts mehr aus.
Alles, was mir am Anfang so schwierig oder neu erschien, wurde mit der Zeit zur Gewohnheit. In den letzten vier Monaten habe ich mir in Bloomington Indiana ein zweites zu Hause geschaffen. Ich werde von den Nachbarn gegrüßt, in der Kirche gefragt, ob ich die Kinder am kommenden Sonntag unterrichten will. Auch werde ich morgens von meinem Lacrosse-Couch mit Nachrichten geweckt, die mich daran erinnern, joggen zu gehen und meine Gastfamilie hat sich als eine der verständnisvollsten und liebevollsten Truppe, die mir je begegnet ist, erwiesen.
Wie ich schon erwähnt habe, waren die ersten paar Wochen natürlich sehr aufregend, doch nun lebe ich einfach ein normales Teenager-Leben, in dem es auch unspektakuläre Tage gibt, an die ich mich wahrscheinlich nie wieder erinnern werde. Doch es gab paar Ereignisse, die sich besonders in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Ich war erst eine Woche in Bloomington, als mich meine Gastschwester Gabbie mit auf ein Miley-Cyrus-Konzert genommen hat. Wir sind dafür nach Kentucky gefahren und hatten eine unvergessliche Nacht. Eine Woche später sind wir mit der ganzen Familie zum Footballspiel gegangen. Ich habe über 2 Monate und 7 Footballspiele gebraucht, um die Regeln zu verstehen. Es war aber auch ein tolles Erlebnis nur die reine Atmosphäre der Fans zu sehen.
Ich habe auch einige Theaterstücke, während ich hier bin, besucht. Am besten kann ich mich an das Musical „1776“ erinnern. Jetzt weiß ich, wieso der 4. Juli in den USA so groß gefeiert wird. Mein erstes ganztägiges Lacrosse-Training wird wohl auch nie wieder mein Gedächtnis verlassen, ich habe wohl noch nie so viele Schmerzen in meinem Körper gespürt, wie an diesem Tag. Ich habe auch nie so gut geschlafen. Ich bin froh, ein Teil von so einem tollen Team zu sein.
Im September gab es dann den Homecoming-Ball. In unserer Schule war Homecoming nicht eine Priorität, denn alle warteten nur auf den großen Prom Ball, also waren auf den Ball überwiegend neue und jüngere Schüler. Es hat trotzdem Spaß gemacht, sich chic zu machen und mit Freunden zu tanzen. So wie ich dieses Jahr Halloween erlebt habe, werde ich es wohl nie wieder! Es stimmt wirklich, dass Amerika ganz verrückt nach diesem Fest ist. Ich war auf insgesamt sechs Feiern mit drei verschiedenen Kostümen. Das einzig Negative war, dass ich auf der letzten Feier von einem Auto angefahren wurde, aber außer einem verstauchten Fuß ist nichts weiter passiert.
Für Thanksgiving sind wir mit der Familie und unserem Camper nacht Tennessee in die Smoky Mountains gefahren. Wir hatten ein wundervolles Thanksgivingmahl im Camper mit einem Truthahn, der am Lagerfeuer zubereitet wurde. Die nächsten Tage haben wir viel Familiäres unternommen. Wir waren sogar zusammen am Black Friday shoppen, etwas was mir sehr gefallen hat. Nun bereiten wir uns auf die Weihnachtszeit vor und ich kann es kaum erwarten, mein erstes amerikanisches Weihnachten zu erleben, wenn man die Geschenke erst morgens am ersten Weihnachtstag aufmachen darf. Ich habe auch ein neues Trimester mit neuen Fächern begonnen: Ansprache halten (Speech), Soziologie, Mathematik, Psychologie und Chor. Dieses Trimester gefällt mir besser, als das letzte, da ich mir meine Fächer selbst aussuchen konnte. Wenn ich meine Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe, zusammenfasse, kann ich nur sagen, dass ein Auslandsjahr ein großartiges Erlebnis ist. Man lernt, wie man sich den Herausforderungen im Leben anpassen kann, wie man mit schwierigen Situationen umgehen sollte.
Wenn nicht immer alles den eigenen Erwartungen entspricht, man entdeckt neue Seiten an sich selbst, manchmal völlig unerwartet. Die USA sind ein toller Ort und nicht so oberflächlich, wie einige denken mögen. Es gibt viele Eigenschaften, woran sich Deutschland Beispiel nehmen könnte, wie die Freundlichkeit und die Gemeinschaft. Am meisten beeindruckt mich der Teamgeist der Schule. Natürlich spielt das Essen in den USA eine sehr große Rolle. Es stimmt, dass es unzählige Fastfood-Restaurants gibt, aber wenn man aufpasst, was und wie man isst, kann das Essen gesund sein und köstlich schmecken. Ich bin seit 4 Monaten in Bloomington und bin immer mehr überzeugt, dass ein Auslandsjahr zu absolvieren, bisher die beste Entscheidung meines Lebens war.
Meine Zeit in Bloomington, Indiana, vergeht immer schneller und in weniger als 100 Tagen bin ich wieder in Berlin. Kaum vorstellbar. Nach Thanksgiving begann das Auslandsjahr Normalität anzunehmen und alles verlor etwas an Spannung. Ich war nicht mehr die Neue in der Schule, die vorher für mich komischen amerikanischen Sitten wurden zu meinem Alltag und das Englischsprechen wurde für mich selbstverständlich.
Mit anderen Worten: Es wurde etwas gewöhnlich für mich und ich bekam allmählich Heimweh. Die Winterpause im Lacrosse-Training setzte ein und draußen wurde es immer kälter und dunkler. Die Tage ähnelten sich, ich stand morgens auf, ging zur Schule und saß nach der Schule allein zu Hause, da meine Freunde und Gasteltern arbeiteten. Dies war die Zeit, wo ich mich zum ersten Mal in den USA einsam gefühlt habe. Doch die Einsamkeit dauerte nicht lange an. Denn schon bald begann der Weihnachtsstress. In Deutschland ist Geschenkbesorgung für mich einfach. Ich habe Großeltern, Eltern, eine Tante und eine Schwester mit Familie zu beschenken. Recht übersichtlich. Und wenn ich kein Geschenk für jemanden finden kann, läuft es meistens auf „Mama, kauf mal was für mich mit, bitte“ hinaus. Hier in den USA ist dies aber eine komplett andere Geschichte. Ich habe 5 Geschwister, Gasteltern, 5 Gasttanten und 3 Paar Gastgroßeltern. Es waren mehrere Ausflüge zur Mall nötig, um alle Geschenke zusammenzubekommen. Meine Freundin Camila musste darunter sehr leiden und mit mir stundenlang durch die Geschäfte laufen.
Als ich alle Geschenke beisammen hatte, stand auch schon Weihnachten vor der Tür. Wir hatten zwei Wochen schulfrei und somit war endlich Ausschlafen für mich und meine Gastschwester Gabbie angesagt. Wir haben uns viele Criminal-Minds-Folgen gemütlich angeschaut und Monopoly mit den jüngeren Geschwistern gespielt. Eine sehr entspannte Zeit war das. Die Bescherung findet in den USA erst am 25. Dezember statt, doch am Heiligabend trafen wir uns alle zum Essen zusammen. Dieses Essen fand nicht bei uns zu Hause statt, sondern bei dem Vater meines Gastvaters. Alles war stillvoll dekoriert und das Essen schmeckte köstlich. Leider konnten meine Gastgeschwister nicht lange mit uns bleiben, da alle natürlich auch zu ihren anderen Elternteilen gehen wollten. Ich kehrte also nur mit meinen Gasteltern nach Hause zurück. Normalerweise würde man am nächsten Morgen die Geschenke auspacken, doch da keiner zu Hause war, mussten wir bis 12.00 Uhr auf alle Kinder warten. Die Bescherung war für mich ein sehr schönes Erlebnis. Es war auch einfach anders als bei mir zu Hause. Wir saßen alle auf der Couch in unseren Schlafanzügen und jeder überreichte sein Geschenk der jeweiligen Person. Draußen gab es leider keine weiße Weihnachten, sondern warme +15 Grad Celsius. Dafür konnten wir aber Pfeil und Bogen, das Weihnachtsgeschenk meines Gastbruders, gleich draußen ausprobieren.
Nach Weihnachten hatten wir noch eine Woche Ferien. In dieser Zeit habe ich eine Neujahrsliste mit guten Vorsätzen zusammengefasst, nach denen ich mich im nächsten Jahr richten wollte. Ein Punkt auf der Liste war der Verzicht auf alle sozialen Medien, da ich in Amerika noch mehr von ihnen abhängig geworden bin, als ich es bis dahin ohnehin schon war. Im neuen Jahr konnte ich den Vorsatz immerhin zwei Monate lang durchhalten (länger als ich gedacht hatte). Silvester war nicht gerade der Knaller für mich, da alle von meinen Freunden zu Hause blieben und mit ihren Eltern Fernsehen guckten. Den 1. Januar empfand ich als einen frischen Neustart. Ich wollte so viel wie möglich in den nächsten sechs Monaten erleben und alles ganz bewusst genießen, damit mein Auslandsjahr noch wertvoller für mich werden konnte.
Es war ein schöner Jahresanfang, dann ich habe richtige Freunde gefunden, mit denen ich mich so gut wie mit meinen Freunden in Berlin verstehe. Wir sind dann öfter zusammen Essen, ins Kino oder einfach in die Mall gegangen. Die etwas träge Weihnachtszeit war überstanden und ich fing an, wieder Lacrosse zu spielen. Doch sobald wir wieder mit dem Training anfingen, schneite es so heftig, dass am ersten Tag des neuen Trimesters die Schule wegen massiven Schneestürmen abgesagt werden musste. Für die nächste Woche durften wir das Haus nicht verlassen. Nach den vielen Tagen der Zwangspause waren wir dann ehrlich gesagt alle zu Hause sehr froh, zurück zur Schule zu können.
Mein neues Fach ist AP Latein. Ich bereue es, dieses Fach gewählt zu haben, da es wirklich nicht einfach ist, eine fast neue Sprache in einer ohnehin fremden Sprache zu lernen. Dazu überkommt mich manchmal das Gefühl, dass ich wirklich nicht gut in Latein bin. Des Weiteren habe ich Theater 2 gewählt. Es ist der weiterführende Teil zu dem Fach, welches ich im ersten Trimester hatte. Ich verehre die Lehrerin, da sie wirklich Ahnung hat, wenn es ums Theater geht.
Ich habe auch Zeichnen gewählt. Eigentlich dachte ich nie, dass ich irgendein Talent fürs Zeichnen habe, doch wie es sich herausgestellte, bin ich doch recht gut und eins meiner Bilder wurde sogar in der Schulausstellung gezeigt Ich habe auch erneut Kochen gewählt, um ein paar amerikanische Gerichte nach Hause mitzunehmen. Mein Lieblingsfach ist aber weiterhin Mathe. Wie ich immer wieder gerne sage: Ich bin eine überzeugte
Humanistin, die aber gut mit Zahlen umgehen kann. Ich habe dieses Fach mit meiner Gastschwester Gabbie zusammen, so dass wir uns bei mathematischen Fragen auch zu Hause gegenseitig helfen können.
Die meiste Freizeit habe ich nun in Lacrosse investiert. Ich bin sehr gut mit den Spielern vom Team befreundet. Wir haben viel Spaß zusammen. Es ist schade, dass diese Sportart in Deutschland nicht so verbreitet ist, doch ich hoffe, es wird sich eine Möglichkeit finden, auch zu Hause Lacrosse spielen zu können. Über die sozialen Medien (Fluch und Segen) bleibe ich hoffentlich mit dem Team in Kontakt. Im März kam dann auch schon Spring Break und wir hatten wieder eine Woche Ferien. Wir wollten mit der Familie nach Florida fahren, aber daraus wurde leider nichts und so blieb ich zu Hause. Meine Freunde mussten entweder arbeiten oder waren verreist, also verbrachte ich die Zeit mit Zeichnen und Joggen. Übers Wochenende fuhren wir dann aber in ein Hotel, welches eine Stunde Autofahrt von uns entfernt ist, um ein wenig Tapetenwechsel zu kriegen. Wir hatten ein paar schöne Tage und konnten dort am Pool faulenzen. Nach dem Spring Break fing wohl die beste Zeit in meinem Auslandsjahr an, da unsere Lacrosse-Spiele angefangen haben. Dadurch bin ich jetzt viel mit Sport beschäftigt. Das Team ist neu, wir stehen am Anfang und wir sind zwar nicht sehr erfolgreich, doch wie unser Trainer sagt immer gerne: Wir sind die Sieger der Herzen.
Am 26. März habe ich nach acht Monaten meine Eltern wieder gesehen. Sie kamen nach Amerika, um mich zehn Tage in Bloomington zu besuchen. Es war eine sehr emotionale und sehr schöne Zeit. Wir sind in Indianapolis ins Kunstmuseum gegangen, um unter anderen die „Funky Bones“ zu sehen, wo einige Szenen des Films “ Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gedreht wurden. Wir haben auch gemeinsam Bloomington mit seinem großen Uni-Campus erkundet. Meine Eltern haben mich bei meinem ersten Lacrosse-Spiel angefeuert. Sie haben mit mir und meiner Gastfamilie auch die Osterzeit verbracht. Wir haben die Gastgroßeltern und die Gasttanten besucht. Meine Eltern wurden somit der ganzen großen Familie vorgestellt. Durch all die Ausflüge und Besuche konnten sie sich ein ziemlich gutes Bild von meinem Leben in den USA machen. Am Ostermontag mussten sie aber schon wieder zurück nach Hause fliegen. Ich kann es jetzt kaum abwarten, mit meiner ganzen Familie in Berlin wieder zusammen zu sein.
Mein Auslandsjahr dauert nur noch zwei Monate und ich habe das Gefühl, diese Zeit gut nutzen zu können. Letztes Wochenende z.B. habe ich einen Trip mit vielen Austauschschülern nach Chicago gemacht. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Nicht nur, dass Chicago eine wunderschöne Stadt ist, doch es war auch sehr schön, sich mit anderen Auslandsjahrschülern zu treffen und mit den gemeinsamen Erfahrungen auszutauschen, die wir in den USA erlebt haben. Nächstes Wochenende steht schon der Prom-Ball vor der Tür. Ich bin gespannt, ob es wirklich so sein wird, wie in einem klassischen High-School-Teenie-Film oder ich mit etwas ganz anderem überrascht werde.
Genau zum richtigen Zeitpunkt, zur Prom, habe ich mir während eines Lacrosse Spiels einen Sonnenbrand auf dem ganzen Rücken und im Gesicht eingeholt. Nächste Woche wird wohl viel Make-Up zum Einsatz kommen müssen. Am meisten freue ich mich nun aber auf eine Kreuzfahrt, die ich mit meinen älteren Gastschwestern und meiner Gastmutter unternehmen werde. Wir fahren nämlich zu den Bahamas. Ich war noch nie auf einer Kreuzfahrt und ich bin auch noch nie im Ozean geschwommen, also bin ich schon sehr aufgeregt. An die Sonnenschutzcreme werde ich aber diesmal denken.
Am 01.Juni.2015 verließ ich Bloomington, um vom Flughafen Indianapolis aus, zurück in meine Heimatstadt Berlin zu fliegen. 10 Monate sind vergangen seit dem Tag, wo ich zum ersten Mal auf amerikanischen Boden stand und nun würde ich dieses Land für eine unbestimmte Zeit verlassen.
Bevor ich meinen Flug antrat, standen mir noch die Schwierigkeiten des Packens und der Verabschiedung bevor. In den letzten Wochen wurde die Zahl 50lbs wie ein magisches Wort für mich. Meine Gastmutter und ich haben unzählige Male meinen Koffer auf die Wage gestellt um dann mal wieder zu sehen, dass er Übergewicht hatte. Mit Herzschmerz spendete ich eine große Menge meiner Kleidung an den Second-Hand-Shop in der Nähe. Ebenfalls vergoss ich auch einige Tränen, als ich mein Zimmer ausräumte, da es sich anfühlte, als ob ich mein zu Hause für immer verlassen würde.
Das Packen und Aufräumen war nicht die größte Schwierigkeit meiner letzten Tage, sondern das Abschiednehmen. Auf der einen Seite war ich sehr froh wieder nach Hause zurückzukehren, um meine Familie und Freunde wieder zu sehen, doch ich konnte mir nicht vorstellen mein amerikanisches Heim zu verlassen. Eine Abschlussfeier wurde für mich veranstaltet, wo ich mich von meinen Freunden verabschieden konnte und über die vielen lustigen Momente des letzten Jahres reden konnte. Es war alles sehr surreal und ich konnte nicht beschreiben, was jetzt auf mich kommt. Die letzten zwei Tage verbrachte ich weinend, doch meine Gastschwester Gabbie nahm mich Nachts immer auf stundenlange Autofahrten mit, um der Stadt Bloomington „Lebe Wohl“ zu sagen.
Mein erster Flug ging von Indianapolis nach Chicago. Es war ein kurzer Flug, doch es blieb mir genug Zeit mein Abschiedsbuch zu lesen, welches ich auch an meine amerikanische Freunde und Familie gegeben habe, damit sie etwas nettes reinschreiben können, was ich aber erst während des Fluges lesen konnte. Der schönste Satz war wohl von meiner sechsjährigen Gastschwester, die geschrieben hat „Ich hoffe es wird dir bei deiner neuen Familie gefallen“.
Meine restlichen beide Flüge hoben pünktlich ab und brachten mich sicher nach Hause. 48 Stunden ohne Schlaf, doch glücklich wie noch nie, lag ich in den Armen meiner Mutter am Berliner Flughafen. Auch meine Freunde erschienen und nahmen mich gleich mit und wir gingen zusammen ein Eis essen.
Zu Hause rief ich meine Gastfamilie an und berichtete ihnen von dem Flug. Es war komisch, da ich das ganze Jahr hinweg immer meine Eltern in Deutschland anrief um ihnen über meine Erlebnisse zu erzählen und nun war es umgekehrt. Kurz danach erschien meine Schwester bei uns zu Hause mit ihrer 10 Monate alten Tochter, die ich bis zu diesem Moment noch nie gesehen habe. Es war ein Tag mit sehr vielen Erlebnissen, darum hat sich auch keiner gewundert als ich um 4 Uhr Nachmittags einschlief und bis zum nächsten Tag nicht aufwachte.
Nun bin ich schon seit einem Monat hier und fühle mich an einigen Tagen so als ob ich nie weggewesen wäre, doch es gibt Momente wo ich mir wünsche ich wäre noch in Bloomington.
Jedenfalls dachte ich mir, da dies mein Abschlussbericht ist, dass ich Fragen beantworte, die mir nach Rückkehr immer wieder gestellt worden sind.
„Hat es dir gefallen?“
Das ist eine Ja und Nein Antwort. Denn jedes normale Jahr hat Höhen und Tiefen. Ich hatte viele schöne Zeiten in den USA, doch es gab auch einige Enttäuschungen und schwierige Tage.
„Bereust du es ein Jahr weggegangen zu sein?“
Nein, denn die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, werden mir im Leben weiterhelfen. Ich bin nun viel selbständiger und ich habe Freunde auf der ganzen Welt.
„Wie ist es wieder zu Hause zu sein?“
Am Anfang fühlte sich alles sehr surreal an. Zu Hause in der Wohnung mit meinen Eltern fühlte sich alles sehr normal an, als ob sich nichts verändert hätte. Ich ging aber einige Tage später zur Schule, um meine Freunde zu begrüßen, alle waren sehr froh mich wieder zu sehen, doch wir merkten, dass die frühere Verbindung nicht mehr da war. Aber ich hoffe, dass sich alles mit der Zeit legt, im Moment bin ich nur sehr froh zu Hause in Berlin zu sein.
„Was vermisst du am meisten aus den USA?“
Das wäre wohl meine Gastfamilie. In den USA wohnte ich in einem Haushalt von sechs Kindern und nun bin ich wieder das einzige Kind im Haushalt. Ich vermisse die Lautstärke.
„Worüber hast du dich am meisten zu Hause gefreut?“
Das sind eindeutig die öffentlichen Verkehrsmittel. Ich bin so froh, dass ich mich überall hin bewegen kann ohne, dass mich jemand fahren muss.
„Hast du noch Kontakt zu deiner Gastfamilie?“
Ja und das sogar jeden Tag. Sie schicken mir Bilder von ihrem Leben und ich von meinem. In ein paar Tagen kommt auch meine ältere Gastschwester nach Berlin um mich zu besuchen.
„Hast du Tipps für zukünftige Auslandsjahrschüler?“
Traut euch! Ein Auslandsjahr macht aus euch einen reiferen Menschen. Doch erwartet nicht zu viel. Ich habe den Fehler gemacht, dass ich geglaubt habe, Amerika sei so toll, wie es in den Hollywood-Filmen dargestellt wird. Also wenn ihr euch für Amerika entscheidet, dann seid darauf vorbereitet, dass ihr wahrscheinlich in einem Dorf ohne öffentliche Verkehrsmittel platziert werdet. Für mich als Stadtkind war das ein Problem.
Das wäre es nun von mir. Ich hatte ein unvergessliches Jahr und ich bedanke mich aus ganzem Herzen beim Weltbürger-Team für die tolle Unterstützung.