- WELTBÜRGER-Stifter: YFU
- Programm: Schüleraustausch
- Land: Türkei
- Dauer: 10 Monate
- Name: Fabio
Irgendwie hat mein Auslandsjahr, wenn ich mich recht erinnere, schon vor etwa zwei Jahren angefangen. Natürlich nicht damit, dass ich in mein Gastland abgeflogen bin, sondern mit dem Ausfüllen der Bewerbungsunterlagen und dem Beginn der Vorbereitung und vor auch der Vorfreude.
Wie alles begann:
Der Wunsch, ein Auslandsjahr zu machen, kam bei mir während dem zweiten Halbjahr der 9.Klasse. In der Schule war es plötzlich ein großes Thema, über das alle sprachen, und somit habe auch ich angefangen mich damit zu beschäftigen. Ich suchte nach Organisationen, und habe mich am Ende für YFU (Youth For Understanding) entschieden.
Nach dem Ausfüllen der Unterlagen und dem Warten auf Antwort stand dann fest, dass ich ein Auslandsjahr machen würde, und zwar in die Türkei (, was ich bei der Bewerbung als erste Länderwahl angegeben hatte).
Abschied nehmen:
Nach einer wundervollen Vorbereitungstagung mit YFU, ging es dann also los. Das hieß für mich Abschied nehmen, was mir sehr schwer fiel. Erst am letzten Abend vor meiner Abreise habe ich (wenn überhaupt) realisiert, was es bedeuten würde für ein Jahr weit weg von zu Hause zu sein. Als dann am nächsten Morgen am Flughafen der Moment des endgültigen Abschiedes anstand, war ich wie gelähmt. Es war schwer zu realisieren, dass das nun für eine ziemlich lange Zeit, um genau zu sein über zehn Monate, die letzten Stunden und Minuten mit meinen Eltern, meinem Bruder und den engsten Freunden sein sollten.
Und dann war er aber doch da, dieser Moment in dem man noch einmal alle in den Arm nimmt und seine Hosentaschen leert, durch den Scanner läuft und ein letztes mal winkt, bevor die Tür sich öffnet. Die Tür, die sich hinter mir schloss und meine so wundervolle gewohnte Welt von mir trennte. Vor mir lag eine Reise, ein paar Stunden, irgendwo im nirgendwo mit Gedanken und Gepäck, bevor sich die nächste Tür öffnen würde.
Ich flog, von Düsseldorf nach München, traf da auf Joshua, der auch hier in der Türkei als Austauschschüler ist, und gemeinsam ging es noch einmal ins Flugzeug, diesmal nach Ankara. Die Stunden im Flugzeug waren Stunden der Aufregung und als wir dann am Gepäckband im Flughafen von Ankara standen, unsere Visa geprüft worden waren, war da plötzlich die Tür, die mir für ein Jahr mein neues Zuhause öffnen sollte.
Ankunft im neuen Zuhause:
Es war ein flaues Gefühl im Bauch, ich war einfach unheimlich nervös. Als ich dann durch die Tür ging, mit meinem Gepäck unterm Arm, meine Gastfamilie sah, da war alles so real. Ich war wirklich in der Türkei, ich hatte wirklich meine Gastfamilie neben mir und endlich sollte mein Jahr starten, weit weit weg, von allem Gewohnten.
Ich war also angekommen, in meiner Familie. Mein Gastvater Önder (39), meine Gastmutter Erbil (38) und mein Gastbruder Atakan (8) begrüßten mich unheimlich nett, und ich war froh es geschafft zu haben. Die erste Phase der Ungewissheit, wie es denn werden würde, wenn wir uns zum ersten Mal sehen, war überwunden.
Sprachkurs und Entryseminar:
Nach dem Empfang am Flughafen und zwei freien Tagen, ging es los mit dem Türkischsprachkurs im YFU-Büro, schließlich hatte ich noch überhaupt keine Türkischkenntnisse, bis auf „Günaydin“ (Guten Morgen) und „Merhaba“ (Hallo).
Manchmal sind wir nach dem Kurs noch durch Ankara gefahren und haben uns die Stadt und ihre wichtigsten Punkte etwas genauer angesehen. Wie hier am Mausoleum von Atatürk.
Nach dem Sprachkurs, der etwas drei Wochen lang ging, fuhren wir gemeinsam nach Izmir zu einem dreitägigen Entry-Seminar. Es war eine wundervolle Zeit an einem wundervollen Ort.
Die ersten Wochen „Alltags“-wochen:
Dann sollte auch bald endlich die Schule beginnen und der „richtige“ Alltag. Der erste Schultag war, wie erwartet, ein einmaliges Erlebnis und ich war natürlich sehr aufgeregt.
Die ersten Wochen waren natürlich ohne richtige Türkischkenntnisse nicht so einfach. Aber es waren alle sehr nett zu mir und so habe ich auch diese Zeit letzten Endes gut überstanden. Jetzt sollte also etwas beginnen, was von nun an die meiste Zeit meines Auslandsjahres in Anspruch nehmen sollte: mein Alltag …heute kann ich selbst von Alltag sprechen, aber anfangs war alles so neu und ungewohnt, und ich brauchte eine gewisse Zeit, mich an alles Neue zu gewöhnen.
Was macht meinen neuen Alltag eigentlich aus:
Das ganze fängt damit an, dass mein neuer Alltag hier eine ganz andere Struktur hat, als die mir bekannte aus Deutschland. Ich gehe länger zur Schule, und nach der Schule unternehme ich nicht so viel wie ich das aus Deutschland kenne. Ich fände es sehr schön, aber leider gibt es hier nicht so viele Möglichkeiten dazu. Anfangs war es schwer das zu akzeptieren, aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Meine Schule ist eine Privatschule und liegt im Zentrum von Ankara. Mit ca. 1000 Schülern besuche ich von morgens 8:30Uhr bis nachmittags 16:10 den Unterricht, Mittags gibt es eine dreiviertel Stunde Pause.
Das Schulsystem in der Türkei ist sehr anders. Die Schulzeit dauert zwölf Jahre und schon früh müssen sich die Schüler für einen Zweig, der bis zum Ende der Schulzeit weitergeführt wird, entscheiden.
Ich bin in der zehnten Klasse im Sprachzweig; dort ist der Schwerpunkt auf Englisch gelegt. Neben vierzehn Stunden Englisch in der Woche habe ich noch Geschichte, Geographie und Co. Außer Englisch wird alles auf Türkisch unterrichtet. Das war anfangs sehr schwer für mich, denn fast den ganzen Schultag eine Sprache zu hören, von der man nahezu nichts versteht, macht müde, und kostet viel Kraft. Nun fange ich aber an die einzelnen Stunden und ihre Themen im Großen und Ganzen zu verstehen, wenn auch nur langsam.
Allgemein wird von den Schülern mehr Respekt gegenüber den Lehrern erwartet, so steht beispielsweise die ganze Klasse auf, wenn der Lehrer die Klasse betritt. Aber trotzdem ist das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer an sich sehr entspannt und manchmal fast schon freundschaftlich. Das mag daran liegen, dass ein Schultag sehr lange ist und wenn man, wie ich, etwas außerhalb wohnt, dauert er mit Schulbusfahrt von 7:30Uhr morgens bis 16:45Uhr nachmittags. Das war am Anfang sehr anstrengend, ist es nun immer noch, aber ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt.
Auch dass es eine maximale Haarlänge für Schüler in der Schule gibt, ich mit dem Schulbus und nicht mit dem Fahrrad zur Schule fahre, sowie mir jeden Morgen die Schuluniform anziehe, und nicht wie gewohnt das, auf was ich gerade Lust habe, ist schnell zur Normalität geworden. Es ist ein tolles Gefühl, zu merken, dass es langsam alltäglich für mich wird, was ich tue, eine Art Bestätigung dafür, dass ich es offenbar geschafft habe, mich in dieser anfangs so neuen Kultur, zurechtzufinden, und mich auch wohl zu fühlen!
Wie schon erwähnt, wohne ich etwas außerhalb von Ankara in Ümitköy, quasi einem Vorort, der aber 200´000 Einwohner und drei große Shoppingmalls hat, und somit in meinen Augen schon fast eine Kleinstadt ist. Da sich aber die meiste Zeit meines Alltages in der Schule abspielt und diese im Zentrum Ankaras liegt, fühle ich mich in Ümitköy zwar zu Hause, aber dort, wo viele Menschen sind, und sich auf den Straßen etwas bewegt, wo ich am Wochenende gerne hinfahre, dass ist das Zentrum von Ankara, mit Kızılay, Tunalı und Co.
Wie ich schon sagte, konnte ich kein türkisch, als ich in die Türkei kam, aber dank der Hilfe meiner Gasteltern und auch meines Gastbruders, habe ich es schnell geschafft die wichtigsten Dinge der Sprache zu lernen. Anfangs waren das dann die Wörter wie „İyi geceler“ (Gute Nacht) „Saat kaç?“ (Wie viel Uhr ist es?) und „Nasılsın?“ (Wie geht es dir?). Seit Anfang des Jahres versuche ich nur noch, türkisch zu Hause zu reden. Das ist nicht viel, aber immerhin klappt das meiste, und wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich „Ne demek?“ (Was heißt das?) und manchmal verstehe ich sogar schon, wenn versucht jemand versucht, mir ein Wort auf türkisch zu erklären.
Meine Gasteltern arbeiten sehr viel, weshalb wir nur selten wirklich Zeit zu viert verbringen. Aber dafür ist quasi der Sonntag ein Tag, an dem wir versuchen, zusammen frühstücken zu gehen, was mich unheimlich freut, und immer ein kleines Highlight in der Woche ist. Wir verstehen uns wirklich sehr gut, was mich sehr glücklich macht.
Fernweh? JuBi!
Die besonderen Erlebnisse:
Die ersten Schulwochen haben mich sehr viel Kraft gekostet, aber zuhause konnte ich mich immer zurücklehnen und abends haben mir meine Gasteltern immer zugehört bei allem, was ich zu erzählen hatte, was mir eben gerade in den ersten Schulwochen sehr gut getan hat.
Die ersten Ferien hatte ich auf Grund des „Kurban Bayramı“, dem Schlachtfest der Türken, im November. Normalerweise ist es ein Anlass, bei dem viele Türken Verwandte besuchen, aber meine Gastfamilie lebt in dieser Hinsicht, was die einzelnen Bayram angeht, nicht sehr traditionell. Aber auch wir haben uns auf den Weg gemacht, auf den Weg nach Istanbul. Es war eine unvergessliche Woche, in einer wundervollen Stadt, die mich mit ihrer menschlichen und geschichtlichen Vielfältigkeit mehr als beeindruckt hat!
Mein Gastpapa, Gastbruder und ich, vor der im Hintergrunde beleuchteten Brücke, die den europäischen und asiatischen Teil von Istanbul verbindet.
Nach der Woche ging es weiter mit der Schule, bis zur Weihnachtszeit, vor der ich ein wenig Angst hatte, was das Heimweh angehen sollte. Es war wirklich herzlich wenig Weihnachtsstimmung in der Luft, und gerade das hat mir wahrscheinlich auch das Heimweh erspart. Was aber interessant zu beobachten war die Tatsache dass nahezu alle Türken unter dem Wort Christmas, Neujahr verstehen. Zu diesem, übrigens ja auch nicht muslimischen Fest, versammeln sich viele, gerade europäisch orientierte Türken und feiern den Beginn des, auch in der Türkei als offiziell geltenden, neuen Kalenderjahres.
Aber wie schon erwähnt gehört das Weihnachten, das wir Christen als Geburt von Jesus feiern, natürlich nicht mit in den Kalender eines Türken. So gab es auch keine Ferien, weder an Weihnachten, noch an Neujahr. Ich ging also auch am 24.Dezember ganz normal in die Schule, abends trafen wir Austauschschüler uns dann mit den Volunteers von YFU und so wurde auch der Weihnachtsabend ein, wenn auch ziemlich ungewohnter aber, schöner Abend. Nachdem das neue Jahr begonnen hatte und meine Gastfamilie und ich den Jahreswechsel bei einer Feier in ein Hotel gefeiert hatten, ging nach dem Wochenende auch schon die Schule weiter und ich ging mit großen Schritten auf das Bergfest (die Hälfte) meines Auslandsjahres zu.
Als ich begonnen hatte das zu realisieren hatte ich schon ein flaues Gefühl im Magen, denn in der vergangenen Zeit war zwar schon unheimlich viel passiert, aber trotzdem war alles so wahnsinnig schnell vergangen.
Kurze Zeit später fingen die Ferien an und ich freute mich unheimlich! Joshua, der in Izmir wohnt, kam mich besuchen, und wir verbrachten eine halbe Woche hier in Ankara. Zusammen fuhren wir dann nach Izmir, wo wir den Rest der Woche verbrachten. Am Ende der Woche machten wir uns mit Anna, die ihr Auslandsjahr auch in Izmir verbringt, auf den Weg nach Istanbul, wo wir auf alle anderen Austauschschüler und zwei YFU-Mitarbeiter trafen. Es begann unser Mid-Term-Seminar. Eine Woche, in der wir neben Workshops, einiges von Istanbul sahen. Es war eine wundervolle Woche mit allen Austauschschülern und wir alle wollten gar nicht mehr weg.
Nun hat die Schule wieder angefangen, und damit die letzten 4 ½ Monate meines Auslandsaufenthaltes. Die Zeit scheint wie an mir vorbeigeflogen zu sein, ich bin gespannt, was die zweite Hälfte alles bringt.
Nach dem Mittelseminar im Februar in Istanbul ging es nun nach Ankara. Es war komisch, in die Schule zu gehen, hatte ich die letzten beiden Wochen doch so viel um die Ohren gehabt. Doch die Zeit, in der ich viel zu Hause verbracht habe, sollte sich nun ändern. Denn bereits vor den Ferien hatten wir Informationen von einem Zentrum erhalten, das uns die Möglichkeit gab, an Kursen verschiedenster Art teilzunehmen. Ich entschied mich für Tango, Gitarre und Baglama.
Das Gefühl, nach der Schule feste Termine zu haben, und andere Menschen zu treffen, war gut. Und ich wurde auch tatsächlich nicht enttäuscht. Die ersten Schulwochen waren etwas zäh, doch meine Kurse und die Menschen, die ich dort traf, heiterten mich auf. Im Tangokurs waren wir so einige Leute, und es war lustig, sich mit ihnen quasi auf der „Sprache“ des Tanzens zu verständigen. Meine Türkischkenntnisse bis hier hin waren zwar ausreichend für das tägliche Leben, aber Begriffe für den Tango waren mir noch nicht bekannt. So verständigten wir uns oft eben anders, nämlich mit Händen und Füßen, wie es so schön heißt.
Neue Hobbies in der neuen Heimat:
Mein Wunsch, Gitarre zu spielen war nicht erst in der Türkei aufgekommen und so freute ich mich sehr über den Unterricht, in dem ich auch wieder neue nette Leute kennen lernen durfte. Und dann gab es noch ein zweites Instrument, das ich begonnen habe zu spielen, die Baglama. Ein türkisches Instrument, quasi wie eine Gitarre, nur mit sieben Saiten. Am Anfang war es echt nicht leicht, dieses Instrument zu spielen, doch mit der Zeit hat es richtig viel Spaß gemacht!
Mit meinen neuen Freizeitbeschäftigungen im Gepäck startete ich also die zweite Hälfte meines Austauschjahres. Und plötzlich bemerkte ich, dass sich etwas verändert hatte. Ich hatte plötzlich einen Alltag. Anfangs war ich immer der Auffassung gewesen, alles so gut wie möglich umsetzen zu müssen, nun war es einfach mein alltägliches Leben, das mit kleinen Aufgaben, Hindernissen und Erlebnissen auf mich wartete, tagein, tagaus. Das zu akzeptieren war wohl eines der schwersten Dinge in der ersten Hälfte gewesen. Und plötzlich, als ich begann, es nicht groß ändern zu wollen, klappte alles etwas besser, und ich fühlte mich zunehmend wohler. Und so verging Woche für Woche, und ich fragte mich oft, wie die Zeit so rasen konnte. Und doch war es wirklich. Jeden Montag stieg ich in meine Uniform, noch etwas verschlafen ging es dann in den Schulbus, in der Schule wurde die Nationalhymne gesungen und meine Woche begann. Dienstags nach der Schule ging es dann für mich zum Baglamakurs, donnerstags hatten wir Gitarrenunterricht und samstags gingen wir zum Tangotanzen.
So verstrich viel Zeit, und ehe ich mich versah, ging es schon schnurstracks auf das Ende meines Austauschjahres zu. Ich hatte vorgehabt, zu reisen, und so machte ich mich an die Arbeit und überlegte, wohin mich die Reise führen könnte. In den letzten Monaten hatte ich dann die Möglichkeit, nach Antalya, Pamukkale, Kappadokien und Aksaray zu reisen.
Erkundungstouren durch die Türkei:
Es waren wohl die besten Monate meines Austauschjahres. Die Menschen auf die wir in diesen touristischen Städten trafen, sprachen uns auf Englisch und Deutsch, bzw. Französisch an, und wir antworteten ihnen auf Türkisch. Die Leute dort waren meist erstaunt darüber, dass wir in so kurzer Zeit türkisch gelernt hatten und fragten uns über unser Austauschjahr und alle Hintergründe aus. Sie fragten uns auch aus über die in Deutschland lebenden Türken und wie unser Verhältnis untereinander ist. Und dann fingen sie an zu erzählen, von ihrem Leben und dem Geschäft mit den Touristen, von Zielen und Träumen. Man saß dann eben zusammen mit einem Cay (Tee) und redete über Allah und die Welt. Diese Reisen haben mir noch einmal ein ganz anderes Bild der Türkei gezeigt und ich hatte unheimlich Spaß daran, dieses zu entdecken. Die Leute waren so aufgeschlossen und freundlich, und wir verbrachten eindrucksvolle Tage in diesen Städten.
In Pamukkale hatten wir die wundervolle Chance eine türkische Hochzeit mit zu erleben. Es waren hunderte Gäste geladen und alles war fein geschmückt, es wurde gegessen, gelacht, aber vor allem wurde getanzt. Gäste die aus der gleichen Region der Türkei stammten, kamen zusammen und tanzten die traditionellen Tänze der Türken. Es war unheimlich interessant, ihnen dabei zu zusehen, und nachher sogar selbst mit zu tanzen. Eine wirklich tolle Erfahrung!
Am Ende unseres Austauschjahres fand in Kappadokien unser Endseminar statt und hier bekamen wir vor allem etwas von der tollen Landschaft der Türkei zu sehen. Wir machten eine große Tour mit einem Minibus über Berg und Tal. Die Menschen waren unheimlich freundlich und es wartete eine atemberaubende Landschaft auf uns.
Die wohl interessanteste Zeit hatte ich aber wohl in meinem letzten Urlaub in Aksaray, einer mehr ländlichen Gegend, zentral in der Türkei gelegen. Hier besuchten wir meine Gastgroßeltern für drei Tage. Es war unheimlich spannend den Unterschied zwischen Großstadt und ländlichem Leben zu sehen, meine Gastmutter war noch auf dem Land aufgewachsen, hatte aber den Sprung in die Stadt in eine quasi fast schon andere Welt geschafft. Ich traf viele Menschen in diesen drei Tagen, die mir viele Fragen stellten und mir auch gespannt zuhörten. Aber auch ich fragte viel, über die Vergangenheit meiner Gastfamilie und es wurden alte Fotoalben aus den Regalen geholt.
Ich hatte riesig Spaß daran, von meiner Gastoma zu hören, wie sie aufgewachsen war, dass sie mit 16 einen für sie fremden Mann geheiratet hatte. Und auf der anderen Seite saß ihre Tochter, meine Gastmama, die ihren Ehemann im Internat und auf der Uni kennengelernt und sich in ihn verliebt hatte. Die Nachbarn meiner Gastgroßeltern erzählten mir Geschichten von ihren Töchtern und Söhnen, die vor Jahren nach Deutschland ausgewandert waren und dort verheiratet seien. Manche waren selbst erst vor ein paar Jahren wieder in ihr Dorf zurückgekehrt, nachdem sie mehr als zwanzig Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hatten. Die Menschen waren unheimlich freundlich zu mir und beantworteten mir meine Fragen, die ich hatte, bereitwillig, aber auch sie waren unheimlich interessiert an mir und meinem Leben. Dieser Austausch fand zwar nur drei Tage statt, und doch vermisse ich dieses Dorf meiner Großeltern. Ich weiß, dass ich auf jeden Fall zurückkehren möchte!
Abschied von der neuen Heimat:
Die letzten Tage in der Türkei waren verständlicherweise auch ein wenig komisch, ich war kurz davor, das Land zu verlassen, an das ich mich in den letzten 11 Monaten gewöhnt hatte. Doch war ich auch glücklich, in den nächsten Tagen meine Familie und Freunde aus Deutschland wieder sehen zu dürfen. Irgendwo zwischen diesen Gefühlen durfte ich dann meinen Koffer packen, das war tatsächlich ein ganz komisches Gefühl, das ganze Zimmer sah plötzlich wieder so aus, als wäre ich gerade erst angekommen, und irgendwie hatte ich auch das Gefühl, doch gerade erst angekommen zu sein. Doch es war vorbei. Am Morgen des 30. Juni ging es für uns Austauschschüler mit dem Flugzeug von Ankara über München nach Berlin.
Dort trafen wir für fünf Tage auf weitere 400 Austauschschüler, deren Heimat- und Gastland innerhalb Europas lag. Es war toll, so viele Leute mit der gleichen Erfahrung aus den letzten Monaten zu treffen, und auch alte Freunde von meiner VBT und auch meine beste Freundin traf ich auf diesem riesigen Event wieder.
Letztendlich nach Hause zu kommen war komisch und doch schön. Alle alten Bekannte und auch die noch so präsenten Umgebungen wieder zu sehen war einfach wunderschön und hat mir ein unheimlich gutes Gefühl gegeben. Den ersten Döner habe ich dann natürlich auch auf Türkisch bestellt und natürlich wurde ich als aller erstes komisch angeguckt, aber dann wurde mir auch auf Türkisch geantwortet, und ich durfte meine Geschichte erzählen, wie es mich in die Türkei verschlagen hat und wie es war. Und doch merkt man, die Leute freuen sich, dass man ihre Muttersprache spricht, und ich glaube, ich werde immer mehr Gründe finden, warum sich dieses Auslandsjahr für mich gelohnt hat, und dabei gibt es da doch schon so einige!
Wieder zurück zu sein mag im ersten Moment einfach nur komisch sein, aber mir macht es gleichzeitig auch jede Menge Spaß, neu zu entdecken, was mir in diesem Jahr so gefehlt hat, ich genieße Dinge auf eine ganz andere Art und Weise und doch ist immer noch alles so vertraut. Ich bin einfach froh, dass ich diesen Weg gegangen bin. Es war nicht immer ganz leicht, aber gerade auch diese Phasen, in denen es etwas zäher gelaufen ist, haben mich gestärkt und mir Mut gemacht. Ich sehe die Welt plötzlich mit anderen Augen. Ich habe das Gefühl, dass wir eigentlich gar nicht so unterschiedlich sind, wie immer alle denken, denn Mensch, das sind wir alle, und wenn wir uns gegenseitigen Respekt schenken, ist es gar nicht so schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Man muss nur einmal seinen eigenen Schweinehund überwinden. Es muss ja nicht gleich eine Reise in ein anderes Land sein.