- WELTBÜRGER-Stifter: Carl Duisberg Centren
- Programm: Schüleraustausch
- Land: USA
- Dauer: 10 Monate
- Name: Jessica
Schulsystem, Gastfamilienleben und Homecoming
Vor knapp 3 Monaten hat für mich die wahrscheinlich größte Erfahrung meines bisherigen Lebens am Hannover Flughafen begonnen. Ich habe mich von meiner Familie verabschiedet, um mich auf etwas völlig Neues einzulassen: Ein High School-Jahr in den Vereinigten Staaten von Amerika. Schon in der Zeit vor meiner Abreise, aber auch beim Abschied von meiner Familie und der anschließenden Reise sind mir viele Gedanken durch den Kopf gegangen: Ich war immer etwas besorgt darüber, wie es sein wird, das erste Mal ohne meine Eltern zu reisen oder ohne sie zurecht zu kommen. Ich habe oft von anderen Austauschschülern gehört, wie toll ein Auslandsjahr ist und wie gut sie sich mit ihren Gastfamilien verstanden haben. Ich habe mich dann immer gefragt, was passieren wird, wenn es bei mir nicht so ist. Wenn meine Gastfamilie unfreundlich ist oder ich einfach nicht klarkomme. Um es vorab schon einmal kurz zusammenzufassen: Meine Zweifel haben sich zum Glück nicht bestätigt!
Nach dem Flug von Hannover über Frankfurt und Newark nach Dayton, Ohio, wurde ich sehr herzlich von meiner Familie am Flughafen empfangen. Meine Gastfamilie besteht aus meiner Gastmutter, meinem Gastvater und meiner 18-jährigen Gastschwester. Da ich zu der Zeit schon fast 24 Stunden auf den Beinen und auch sehr müde war, war es für mich in diesem Moment relativ schwer zu verstehen, was sie mir erzählt haben. Nach der sehr netten Begrüßung sind wir dann ca. 1 Stunde nach Greenville, Ohio gefahren, einer kleinen Stadt mit etwa 13.000 Einwohnern, in deren Nähe ich nun seit 3 Monaten lebe.
Der erste positive Eindruck am Flughafen hat nicht getäuscht: Meine Familie hier ist wirklich klasse! Ich komme sehr gut mit ihnen zurecht, auch wenn ich persönlich anfangs noch ein wenig Zeit gebraucht habe, um richtig aufzutauen. Aber mit dem nötigen Willen und Überzeugung lebt man sich hier schnell ein. Man sollte sich aktiv bemühen, sich in die Familie einzubringen, am Familienleben teilzunehmen und sich an bestehende Regeln zu halten, dann wird einem auch von Seiten der Gastfamilie das Einleben leicht gemacht. Und man kann tatsächlich ohne seine Eltern zurechtkommen, wenn man auch mal Dinge selber organisiert, die zu Hause die Eltern übernommen haben.
Mein neues Zuhause ist sehr ländlich gelegen. Man benötigt ca. 10 min. mit dem Auto, um nach Greenville zu fahren, wo sich meine High School befindet. Die nächstgrößere Stadt ist Dayton mit knapp 150 000 Einwohnern, wie bereits erwähnt ca. 1 Stunde von Greenville entfernt, und Columbus, die Hauptstadt des Bundesstaates Ohio, mit gut 800.000 Einwohnern, ca. 2 Autostunden entfernt. Zu meiner neuen Familie gehören auch noch 2 Hunde und eine Katze und eine 23-jährige Gastschwester, die aber bereits verheiratet ist und nicht mehr zu Hause lebt.
Schon am zweiten Tag habe ich ein paar Freunde meiner Gastschwester kennengelernt, die genauso wie ich Fußball spielen. Fußball spielen hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und ich war froh, dass ich dies auch als Sportkurs in der High School wählen konnte. Ich bin Mitte August angereist und hatte noch 3 Wochen Ferien, aber glücklicherweise hat bereits in den Ferien das Fußballtraining begonnen, an dem auch meine Gastschwester und ihre Freundinnen teilnahmen. Daher kannte ich bei meinem ersten Fußballtraining schon ein paar Mädchen und konnte darüber hinaus schon vor Schulbeginn weitere Freundschaften schließen.
In der 2. Woche nach meiner Ankunft in Greenville fand die „Great Darke County Fair“ statt. Die Fair ist eine Art Jahrmarkt/Volksfest/Kirmes. Es gibt dort Fahrgeschäfte, Ausstellungen, Essensstände, Pferderennen, verschiedene Tiere und andere Dinge, die man z.B. für Haus und Garten erwerben konnte. Dies hat alles auf den sogenannten Fairgrounds stattgefunden, einer großen, freien Fläche am Rande der Stadt. Die Fair dauerte 1 Woche und bot u.a. auch ein Open Air Konzert. Meine Gastfamilie und ich waren fast jeden Tag auf der Fair, um die vielen interessante Sachen und auch das leckere Essen wie z.B. Deep Fried Oreos (frittierte Oreos) zu genießen. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
Eine Woche später hat auch schon die Schule begonnen. Da meine Gastschwester als Senior noch die Abschlussklasse der High School besucht, kann sie mich immer mit dem Auto zur Schule mitnehmen. Meine Kurse hatte ich bereits 1 Woche vor Schulbeginn mit meinen Gasteltern in der Schule gewählt. Ich hatte mir meinen ersten Tag in der High School eindeutig schlimmer vorgestellt. Ich bin jemand, der sich über alles Gedanken macht und alles vorab genau durchdacht haben muss. Daher war ich mir zuerst unsicher, was ich am ersten Tag machen und wie ich mich verhalten soll. Mir wurde beim Erstellen meines Stundenplans bereits gesagt, dass ich mich am ersten Tag zum sogenannten Homeroom begeben muss, was auch gleich morgens in der Schule nochmals per Lautsprecher angesagt wurde. Der Homeroom ist ein Klassenraum, wo man generell sämtliche Formalitäten erledigt, wichtige Unterlagen erhält oder Ähnliches (in Deutschland erledigen das die jeweiligen Klassenlehrer).
Im Gegensatz zu Deutschland haben die Fachlehrer hier an der High School ihre festen Räume, so dass man als Schüler nach jeder Stunde den Raum wechseln muss und zum jeweiligen Lehrer geht. Während der Lunch Pause habe ich ein paar Mädchen, die ich schon vom Fußball kannte und die auch in meiner Spanisch Klasse sind, gefragt, ob ich bei ihnen sitzen kann, was natürlich kein Problem war. Das hat wieder gezeigt, dass man auf die Leute zugehen muss, auch wenn es für mich ein wenig Überwindung gekostet hat, aber ich wurde in der Regel wirklich immer sehr offen und freundlich aufgenommen. Im Großen und Ganzen verlief mein erster Tag ganz gut, auch wenn ich manchmal aufgrund sprachlicher Verständigungsprobleme verschiedene Aufgabenstellungen nicht verstanden habe. Die Lehrer waren aber jederzeit bereit zu helfen und haben immer wieder Unterstützung angeboten.
Ich musste mich erst einmal mit dem Schulsystem hier zurecht finden, da man hier jeden Tag die gleichen Stunden in der gleichen zeitlichen Abfolge hat, was in Deutschland ja komplett anders organisiert ist. Ich habe mir meinen Stundenplan bis auf 2 Fächer selbst aussuchen dürfen. Im Moment habe ich Civics, US History, Geometry, Spanish 3, Lunch, Studio Art, Study Hall (eine Art Selbststudium), English 10. US History und English musste ich wählen, da es verpflichtend von meiner Austausch-Organisation vorgeschrieben ist. Anfangs hatte ich statt Civics Biologie, aber die Themen waren mir weitgehend aus Deutschland bekannt. In Civics lernt man viel über Demokratie, die Zivilgesellschaft und Staatsbürgerkunde und ich fand es spannend, dieses Thema aus amerikanischer Sicht zu behandeln. Geometry und Spanish sind teilweise sehr leicht, da ich das meiste davon ebenfalls bereits in Deutschland im Unterricht hatte. Zudem behandeln die Lehrer auch teilweise ein und dasselbe Thema über einen längeren Zeitraum, so dass es mich manchmal nach einer Zeit langweilt.
Beim Vergleich der Anforderungen der High School und meines Gymnasiums in Deutschland muss man ganz offen sagen, dass das Gymnasium ein wesentlich höheres Niveau hat und der Unterricht an der High School wesentlich entspannter abläuft. An meiner Schule gibt es nur die Jahrgangsstufen 9-12, wobei jede Jahrgangsstufe einen eigenen Namen hat: 9.Klasse – Freshmen, 10.Klasse – Sophomore, 11.Klasse – Junior und 12.Klasse – Senior. Mitte September hat Heather, meine ISE Representative, alle Austauschschüler, die sie betreut, zu einem Herbstfest eingeladen, bei dem alle ein Gericht aus ihrem Heimatland mitbringen sollten. Ich habe eine Schwarzwälder-Kirsch-Torte gemacht, die erstaunlicherweise wirklich gut geschmeckt hat. Jedoch hatten meine Gastmutter und ich Probleme, alle Zutaten zu bekommen, da z.B. Vanillezucker und eingelegte Kirschen hier nicht in jedem Geschäft erhältlich sind. Das Herbstfest war eine sehr schöne Idee, da ich nur die Austauschschüler von meiner Schule kannte und so nun noch die anderen kennenlernen konnte, die in der Nähe von Greenville untergebracht sind. Insgesamt waren wir 10 Austauschschüler mit Familien.
Ein für die meisten amerikanischen Schüler „wichtiges“ Ereignis ist Homecoming. Es gibt die Homecoming Week und den Homecoming Dance, der üblicherweise an einem Samstag stattfindet. In der Homecoming Week gab es jeden Tag ein anderes Thema. Bei uns waren die Themen: Hat Day, #TBT, USA Day, Class Colors (Freshmen: Pink, Sophomores: Gelb, Juniors: Blau und Seniors: Grün) und zu guter Letzt Green/White (die Farben unserer Schule). An jedem Tag gab es nach der Schule auch verschiedene Aktivitäten, wie z.B. Challenges und Spiele, an denen ich aber aufgrund meines Fußballtrainings nicht teilnehmen konnte. Am Donnerstag war dann die Homecoming Parade, die im Wesentlichen aus verschiedenen Paradewagen bestand, z.B. für die verschiedenen Schuljahrgänge, für die Footballspieler, Cheerleader und noch viele mehr. Am Anfang der Parade ist der Homecoming Court. Das sind die Personen, die zur Wahl zum Homecoming King bzw. zur Queen stehen. Die Parade endete an der Schule, wo dann zunächst der Homecoming King gekrönt wurde. Anschließend fand das Powderpuff Spiel statt, das eine Art Football für Mädchen ist. Allein schon das Zugucken hat viel Spaß gemacht. Am Freitag fand nach der Schule eine Pep Assembly statt: Alle Schüler sind in die Sporthalle gegangen, die Schul-Band spielte und die Cheerleader haben einige Cheers gemacht.
Am Abend war dann das Homecoming Football Spiel, wo dann auch die Homecoming Queen gekrönt wurde. Die Stimmung bei Football Spielen ist grundsätzlich klasse und es macht sehr viele Spaß dorthin zu gehen. Am Samstag fand dann der Homecoming Dance statt, bei dem sich alle in Schale schmeißen. Teilweise tragen die Mädchen extreme high heels, andere aber auch Vans oder Converse. Für die Mädchen ist ein Kleid ein Muss, die Jungs tragen Anzüge. Ich war mit meiner Gastschwester und ein paar anderen Leuten unterwegs. Wir haben zuerst an unterschiedlichen Locations Fotos gemacht und sind anschließend Essen gegangen. Danach ging es auf zur Schule. Der Tanz fand in der Sporthalle statt und dauerte 3 Stunden. Da in der Schule keine Musik mit Schimpfwörtern gespielt werden darf, wurden viele angesagte Lieder nicht gespielt. Das nächste große Ereignis dieser Art ist dann die Prom –der Abschlussball- kurz vor Schuljahresende, was nochmals eine Steigerung zum Homecoming Dance sein soll.
Am Donnerstag vor Halloween gab es eine Halloween Parade Downtown, die zwar recht kurz, aber dennoch ganz nett anzuschauen war. Nach der Parade sind die kleinen Kinder zu den Geschäften in Downtown gegangen und haben dort Süßigkeiten bekommen. Ich bin auch einer Halloween Tradition gefolgt und habe einen Batman Kürbis geschnitzt, was viel Spaß gemacht hat und mir auch wirklich gut gelungen ist. Inzwischen ist er aber leider zusammengeschrumpft und nicht mehr so ansehnlich. Grundsätzlich kann ich sagen, dass die ersten 3 Monate eine sehr spannende, aufregende Zeit waren, in der ich viel Neues kennengelernt habe und mich an viele neue Situationen gewöhnen musste. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit und die vielen schönen Ereignisse, die ich hier sicher noch erleben werde!
Basketball, Feiertage und Ausflüge
Seit meiner Ankunft in Ohio sind nun bereits 6 Monate vergangen. Die Zeit vergeht tatsächlich sehr schnell. Es gibt immer noch Zeiten, da sehnt man sich nach Hause und möchte seine Familie und Freunde möglichst bald wiedersehen. Aber im nächsten Augenblick wird einem bewusst, dass man sich genau das hier immer gewünscht hat und dass man so eine Chance nicht noch einmal bekommt. Ich glaube, es ist jedem klar, dass nicht immer alles nach Plan verläuft oder anders, als man sich es vorgestellt hat. Aber das ist ja auch zu Hause der Fall. Man muss sich an die Situationen anpassen und, wenn etwas nicht funktioniert, einfach eine Alternative überlegen. Man darf auch nicht gleich wieder aufgeben, wenn man etwas nicht so gut kann oder es nicht beim ersten Versuch klappt. Einfach weiterprobieren, bis man es kann. Genauso war es bei mir mit dem Basketballspielen.
Ende Oktober hatte die Fußball Saison leider schon wieder aufgehört. Da ich erst Mitte August in Ohio angekommen bin, hatte ich somit nur knapp 2 Monate Fußball an meiner High School. Die Sportkurse an den High Schools sind nach den Jahreszeiten eingeteilt. Es gibt Sportarten, die im Herbst angeboten werden, andere im Winter und wieder andere nur im Frühling. Einerseits hat man so natürlich insgesamt ein größeres Angebot, andererseits ist es auch schade, wenn man eine tolle Mannschaft hat und gerne noch länger die Sportart betrieben hätte. Ich hätte z.B. gerne noch weiter Fußball gespielt, aber dann hätte ich dies in einem Club in einer anderen Stadt machen müssen.
Als die Zeit gekommen war, um sich für einen neuen „Wintersport“ entscheiden zu müssen, wusste ich zunächst nicht so recht, was ich machen soll. Ich hatte die Wahl zwischen Basketball, Schwimmen und Bowling. Beim Schwimmen muss man teilweise um 5 Uhr morgens aufstehen, um zum Training zu gehen und da ich nicht wirklich ein Frühaufsteher bin und ich das auch meiner Gastfamilie nicht antun wollte, fiel diese Alternative von vornherein aus. Zum Bowling hatte ich mir sagen lassen, dass man seine eigene Bowlingkugel benötigt, die zudem wohl auch ziemlich teuer ist. Außerdem sehe ich Bowling ehrlich gesagt nicht als richtige Sportart an, da es mit wenig körperlicher Anstrengung verbunden ist. Ich wollte lieber einen Sport wählen, der viel Aktivität erfordert und bei dem man Kondition bekommt.
Da meine Gastschwester schon seit längerer Zeit Basketball spielt, schlug sie mir vor, dies ebenfalls auszuprobieren, so dass wir gemeinsam mit ihrem Auto zum Training fahren könnten. Ich hatte große Zweifel, ob dies wirklich eine gute Idee war, da ich zuvor noch nie Basketball gespielt habe und die amerikanischen Kinder gewissermaßen mit Basketball aufwachsen. So spielen die meisten Mädchen, die hier an der High School im Basketball-Team sind, seit mindestens 3 Jahren. Ich habe hin- und herüberlegt, mich dann aber 3-4 Tage vor dem ersten Training dafür entschieden, es einfach mal zu probieren, wohlwissend, dass ich die Schlechteste sein würde. Das erste Training war wirklich sehr anstrengend und ich habe schnell gemerkt, dass das Basketball Training hier wesentlich ernster genommen wird als das Fußball Training. Anfangs war es unwahrscheinlich schwer zu verstehen, was ich machen sollte, da ich die ganzen Fachbegriffe überhaupt nicht kannte wie zum Beispiel Wing, Post, Pointguard, Lay-up oder Charge. Genau wie beim Fußball gibt es auch spezifische Bezeichnungen für die verschiedenen Bereiche des Spielfeldes und die kannte ich natürlich ebenfalls nicht. Aber mit der Zeit lernt man ja dazu und mit der Hilfe und Unterstützung von meinen Mannschaftskameradinnen habe ich langsam das ganze Prinzip verstanden.
Das Mädchen Basketball Team hat drei verschiedene Mannschaften: Freshmen (9. Klasse), Junior Varsity (JV) und Varsity, wobei Varsity die beste Mannschaft der High School ist. Die meisten Spielerinnen bei uns spielen sowohl in der einen als auch in der anderen Mannschaft, da wir nicht genug Spielerinnen hatten, um jede Mannschaft immer komplett zu besetzen. Obwohl ich eigentlich eine Sophomore (10. Klasse) bin, habe ich im Freshmen Team gespielt, da ich ja noch keinerlei Erfahrung mit Basketball hatte und somit auch nicht gut genug für JV und Varsity war. Training hatten wir 5-mal die Woche jeweils für 2 Stunden und ich wurde mit jedem Training ein kleines bisschen besser. Ich wusste, dass ich nicht wirklich gut gespielt habe, aber hatte trotzdem nur ein einziges Ziel für die ganze Saison: Ich wollte wenigstens einmal einen Punkt machen! Und was soll ich sagen? In unserem allerletzten Spiel der Saison habe ich letztendlich einen 2-Punkte-Wurf geschafft! Wir haben das Spiel zwar insgesamt verloren, aber ich war trotzdem sehr glücklich. Allein dafür hat sich die ganze Sache gelohnt: Nicht gleich entmutigt sein, wenn man etwas nicht besonders gut kann, sondern weitermachen und schlussendlich lohnt es sich in vielen Fällen! Die Basketball Saison ist seit Ende Januar nun leider vorbei, denn entgegen der anfänglichen Zweifel hätte ich doch gerne weitergespielt.
Am 4. Donnerstag im November wird in den USA Thanksgiving gefeiert. Thanksgiving gilt als einer der wichtigsten Feiertage in den USA und entspricht unserem Erntedankfest. Der Feiertag geht zurück ins Jahr 1621, als die Pilgerväter, die Pilgrims, die erste und sehr erfolgreiche Ernte nach der Besiedlung Neu Englands feierten. Heutzutage gilt Thanksgiving vor allem als Fest der Familie und des Essens und Millionen Amerikaner reisen zu diesem Zweck nach Hause. Am Mittwoch und Freitag hatten wir zusätzlich zu dem eigentlichen Feiertag schulfrei. Alle haben mir immer von Thanksgiving vorgeschwärmt, da sie meinten, es ist ein Feiertag, wo man nur isst …. und damit hatten sie auch Recht. Am Mittwoch hatten wir vormittags ein Thanksgiving Essen bei der Greenville Township Rescue, der lokalen Rettungsstation, wo mein Gastvater der Chief, also der Leiter, ist. Am Donnerstag hatten wir dann ein Thanksgiving Essen hier zu Hause mit der ganzen Familie meiner Gastmutter und am Freitag waren wir dann bei der Familie meines Gastvaters zum Essen eingeladen. Zu jedem Thanksgiving Essen gab es im Großen und Ganzen das Gleiche: Truthahn, Mashed Potatoes (Kartoffelbrei), Corn Casserole (Mais-Auflauf), Green Bean Casserole (Grüne-Bohnen-Auflauf), Gravy (Bratensoße) und noch vieles mehr. Mir hat Thanksgiving gefallen, denn man hat einfach mit der ganzen Familie zusammengesessen, hat sich nett unterhalten und die freien Tage genossen.
Der Freitag nach Thanksgiving wird auch „Black Friday“ genannt. An dem Tag haben die meisten Geschäfte sehr starke Sales, also Angebote, und man bekommt das meiste für weniger als den halben Preis. Mittlerweile fängt der Black Friday aber schon am Donnerstagabend an und auch wir haben unsere Chance genutzt und sind schon donnerstags zu Walmart gefahren. Es waren unwahrscheinlich viele Menschen dort, die alle auf der Suche nach dem besonderen Schnäppchen waren. Mir wurde erzählt, dass es in den letzten Jahren aufgrund der Menschenmassen teilweise sehr chaotisch ablief und es dieses Jahr schon weitaus organisierter war, da auch die Polizei vor Ort vieles geregelt hat. Alles in allem war meine erste Thanksgiving Erfahrung sehr schön und ich werde sicher immer gern daran zurückdenken.
Die amerikanische Partnerorganisation von den Carl Duisberg Centren, ISE, hat im Laufe des Jahres verschiedene Trips angeboten, die kostenpflichtig, also nicht Bestandteil des normalen Austausches, sind. Ich hatte von meinen Eltern die Erlaubnis, auch an einem Holiday Trip teilzunehmen, und hatte mich für New York City entschieden. Der Trip ging von Freitag, den 11. Dezember bis zum darauffolgenden Mittwoch und, um es vorwegzunehmen, es war eine wunderschöne Zeit, die ich dort verbracht habe. An meiner Schule gab es neben mir noch 5 weitere Austauschschüler unterschiedlicher Nationalitäten, von denen zwei leider nur einen halbjährigen Austausch gemacht haben. Die belgische Austauschschülerin an meiner High School, mit der ich mich sehr gut verstanden habe, hatte sich auch entschieden nach New York zu fahren. Leider hatte sie erst kurzfristig die Reise gebucht, so dass wir unterschiedliche Flüge bekommen haben und auch nicht im gleichen Hotelzimmer unterkamen. Allerdings war ich mit zwei anderen Deutschen und einer Spanierin in einem Zimmer, die auch ziemlich nett waren.
Unsere ganze Gruppe bestand aus ca. 85 Schülern aus der ganzen Welt wie z.B. Neuseeland, Brasilien, Russland, Spanien und vielen mehr. Es war unwahrscheinlich interessant, gleichzeitig mit so vielen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zu tun zu haben. Wir haben zwar nur 5 Tage miteinander verbracht, aber wir sind als Gruppe eng zusammengewachsen und haben uns alle wirklich gut verstanden. Leider ist es fraglich, ob ich alle von ihnen jemals wiedersehen kann, aber zum Glück haben wir eine WhatsApp-Gruppe gebildet, durch die wir nach wie vor Kontakt halten. Aber es wäre natürlich noch viel schöner, alle persönlich noch einmal zu treffen.
In New York hatten wir ein sehr vielfältiges und abwechslungsreiches Programm, was uns an die ganzen bedeutenden Sehenswürdigkeiten der Stadt geführt hat, wie z.B. den Central Park, die Grand Central Station, das Empire State Building, den Times Square und noch vieles mehr. Die Stadt ist einfach beeindruckend: Die Straßenschluchten, die Menschenmassen, die Shops… Man fühlt sich da doch ziemlich klein! Ich war schon einmal in New York, als ich jünger war, aber auch beim zweiten Mal hat mich die Stadt aufs Neue fasziniert. Ein Highlight unseres Aufenthaltes war auch der Besuch der Broadwayshow Matilda mit tollen Darstellern und einem super Bühnenbild. Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch das Rockefeller Center mit der Eisbahn und dem berühmten riesigen Weihnachtsbaum, was man wirklich einmal gesehen haben sollte. Dort hatten wir auch noch ein schönes Erlebnis, denn das Rockefeller Center gilt als beliebter Platz, um einen Heiratsantrag zu machen und wir konnten tatsächlich live miterleben, wie ein Mann vor seiner Freundin auf die Knie gegangen ist und vor großem Publikum um Ihre Hand angehalten hat. Insgesamt war New York ein besonderes Highlight in meiner bisherigen Zeit in den USA, da die Stadt einfach unglaublich aufregend und vielfältig ist.
Nachdem ich aus New York wiedergekommen bin, musste ich noch 2 Tage in die Schule gehen und dann hatten wir auch schon Weihnachtsferien. Nach New York hatte ich eine kurze Phase, wo ich ein bisschen niedergeschlagen war. Ich wollte nicht mehr zur Schule gehen, sondern einfach wieder nach New York und die Zeit zurückdrehen. Ich glaube, es ging auch den anderen ähnlich, denn wir hatten eine so tolle Zeit miteinander verbracht, dass wir die gemeinsamen Tage in New York sicher nie vergessen werden. Aber zum Glück habe ich mich dann auch schnell wieder in den Alltag eingelebt, zumal ich mich ja auch in meiner Gastfamilie und an meiner High School wirklich wohlfühle.
Schon relativ zu Beginn meines Aufenthaltes hatte ich meinen Gasteltern von unseren Weihnachtsmärkten zu Hause in Deutschland erzählt und sie meinten, dass sie noch nie einen besucht hätten. Meine Gastmutter hat daraufhin gegoogelt und herausgefunden, dass es im November/Dezember für 5 Wochen einen deutschen „Christkindlmarket“ in Chicago gibt. Wir haben oft darüber geredet, ob wir es eventuell schaffen könnten, dort hinzufahren, mussten aber noch einige Termine abwarten, da meine Gastmutter hin und wieder auch am Wochenende Dienst hat. Zudem ist Chicago 400 km von unserem Wohnort entfernt, was dann schon eine umfangreichere Planung mit sich zieht.
Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien hat meine Gastmutter mir dann erzählt, dass alles geregelt ist und wir tatsächlich am nächsten Tag, den 19. Dezember, spontan für 2 Tage nach Chicago fahren könnten, was mich sehr gefreut hat. Ich muss hinzufügen, dass eine meiner besten Freundinnen aus Deutschland zeitgleich mit mir als Austauschschülerin in der Nähe von Chicago war und ich mir immer schon gedacht hatte, wie schön es wäre, sie dort treffen zu können. Mit dem Einverständnis meiner Gasteltern habe ich dann sofort die Gastmutter meiner Freundin angeschrieben und sie gefragt, ob wir eventuell ein Treffen in Chicago arrangieren könnten, um meine Freundin zu überraschen. Zum Glück fand sie die Idee toll und hat dann auch gleich den genaueren „Plan“ mit meiner Gastmutter abgesprochen. Als ich abends mit meiner Freundin per WhatsApp geschrieben habe, musste ich mich sehr zurückhalten, um ihr nichts von unserem Vorhaben zu erzählen.
Wir sind Samstagmorgen aufgebrochen und die Fahrt hat ca. 5 Stunden gedauert. Wir sind gegen Mittag in Chicago angekommen, sind zum Navy Pier gegangen, einer Seebrücke mit Läden, Restaurants und Museen und haben anschließend bei Chicago Pizza and Oven Grinder gegessen, die eine sehr leckere, ganz spezielle Pizza anbieten. Anschließend sind wir ins Hotel gefahren und haben uns mit dem Bruder meines Gastvaters, der in Chicago wohnt, getroffen. Mit ihm sind wir dann auf den Christkindlmarket gegangen und ich muss sagen, man fühlte sich fast wie auf einem deutschen Weihnachtsmarkt. Die Stände, das Essen und die Getränke waren dem Original schon sehr ähnlich. Der Christkindlmarket war zwar nicht besonders groß, hatte aber eine tolle Atmosphäre. Dann war der Tag auch schon vorbei und ich wurde immer aufgeregter, da wir am Sonntag ja meine Freundin überraschen wollten und zwar im John Hancock Building, dem derzeit achthöchsten Gebäude der USA, in dem sich im 94. Stockwerk die Aussichtsetage befindet.
Vor dem Treffen gingen mir viele Gedanken durch den Kopf: Wie wird meine Freundin reagieren? Wie werde ich auf unser Treffen reagieren? Bekomme ich auf einmal Heimweh? Will ich dann auch nach Hause, denn meine Freundin würde schon im Januar zurückfliegen? Zum verabredeten Zeitpunkt habe ich mich in der Eingangshalle aufgehalten, bis meine Freundin mit ihrer Gastfamilie ankam. Meine Freundin hat erst einmal realisieren müssen, wer da vor ihr steht, und dann haben wir uns einfach nur lange umarmt. Meine Gastmutter hat den Moment des Wiedersehens auf Video aufgenommen, so dass wir dieses Erlebnis auch mit unseren Familien und Freunden teilen konnten. Nachdem wir ca. 2 Stunden zusammen im John Hancock Building verbracht haben, hieß es Abschied nehmen und genau wie bei der Begrüßung mussten wir die eine oder andere Träne verdrücken. Es war einfach schön jemanden, den man sehr gut kennt, nach so langer Zeit wiederzusehen. Zum Glück ist meine Befürchtung nicht eingetroffen, dass ich durch unser Treffen Heimweh bekommen habe! Ich habe einfach die Zeit mit meiner Freundin total genossen und denke noch gern an Chicago zurück.
Die Winterferien waren 2 Wochen lang, in denen wir im Gegensatz zu Deutschland aber trotzdem an unserer High School Basketballtraining und Spiele hatten. Leider hatten wir in der ganzen Ferienzeit kein Schnee, was ich doch ein bisschen schade fand. In den USA ist Heiligabend kein besonderer Tag, sondern es werden normalerweise am 25.12. morgens die Geschenke ausgepackt. Da meine Gastmutter jedoch am 25. Dienst hatte, haben wir einfach schon am 24. gefeiert. Gegen Mittag kamen die Großeltern und meine andere Gastschwester, die nicht mehr zu Hause wohnt, mit ihrem Mann und wir haben gegen 14 Uhr die Geschenke ausgepackt. Bei dieser Gelegenheit habe ich noch von einer Tradition erfahren, die angeblich aus Deutschland kommt: Es wird ein aus Glas hergestellter Weihnachtsbaumschmuck in Form einer Gewürzgurke, der sogenannten „Christmas Pickle“, in dem Weihnachtsbaum versteckt und wer diese als erstes findet, bekommt ein extra Geschenk. Leider habe ich die Gurke nicht als erstes gefunden. Die Gewürzgurken-Tradition kannte weder ich noch meine deutsche Familie und anscheinend ist die Herkunft dieser Tradition auch gar nicht eindeutig geklärt. Aber die Amerikaner halten diese für einen typisch deutschen Brauch und meine Gastfamilie war ganz erstaunt, dass ich ihn nicht kannte. Zum Abschluss des Tages sind wir dann noch in die Kirche zum Weihnachts-Gottesdienst gegangen.
Am 25. sind wir zu den Großeltern mütterlicherseits hier in Greenville gefahren zum gemeinsamen Weihnachtsessen. Am 26. ging es dann ca. 20 km Richtung Norden zu der Mutter meines Gastvaters, um uns dort mit seinen Brüdern und deren Familien zu treffen und noch einmal Geschenke auszupacken. Da nicht jeder jedem etwas schenken sollte, haben wir schon vor den Feiertagen einen Namen gezogen und für die Person dann ein Geschenk gekauft, gewissermaßen wie Wichteln. Abends war ich dann noch bei der Abschiedsparty meiner Freundin, der belgischen Austauschschülerin, mit der ich auch in New York war. Leider hatte sie nur einen 5-monatigen Austausch absolviert und musste 2 Tage später schon wieder nach Hause fliegen. Es war ein sehr schöner Abend, nur waren wir natürlich alle traurig, dass wir Abschied nehmen mussten.
Anfang Januar haben wir dann noch den Urgroßvater besucht und uns dort mit der Familie meiner Gastmutter getroffen, wo wir dann noch einmal Geschenke vom Uropa bekommen haben. In Deutschland bin ich es gewohnt, dass man alle Geschenke Heiligabend bekommt, auch von den Personen, die an dem Abend nicht persönlich dabei sein können. Hier zieht sich das gegenseitige Beschenken über einen längeren Zeitraum hin, aber ich fand es toll, dass man so mit allen Familienmitgliedern gewissermaßen nacheinander und so auch intensiver die Feiertage genießen kann. Alles in allem war das amerikanische Weihnachtsfest eine sehr schöne Erfahrung.
Silvester bin ich mit meiner Gastschwester zu einer ihrer Freundinnen gefahren, wo wir mit ca. 8 Personen gefeiert haben. Als erstes haben wir Bean Boozled gespielt: Jelly Beans sind Süßwaren in Form von Kidneybohnen, die aus Gelee bestehen umhüllt von verschiedenfarbiger Zuckerkruste. Der Reihe nach dreht man an einem kleinen Rad und muss die Jelly Bean essen, auf die der Pfeil zeigt. Das „Problem“ ist nur, dass das Spiel Geleebohnen in acht verschiedenen Farben und sechzehn verschiedenen Geschmacksrichtungen enthält. Daher sehen jeweils zwei Jelly Beans gleich aus, schmecken aber SEHR unterschiedlich. So kann es vorkommen, dass man den Geschmack Stinktierspray oder Dosenhundefutter bekommt, wenn man Glück hat Lakritz, was ich wiederum nicht viel besser finde, oder Schokoladenpudding. Anschließend sind wir noch zu einer Nachbarin gegangen, wo wir dann den Jahreswechsel gefeiert haben. Private Feuerwerke bzw. Knallerei wie in Deutschland üblich sind hier übrigens an Silvester verboten. Feuerwerke gibt es in den USA in großem Stil normalerweise nur am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag. Zu guter Letzt haben wir noch bis in die frühen Morgenstunden Filme geguckt, so dass ich natürlich am nächsten Tag ziemlich müde war. Aber zumindest in dieser Hinsicht unterscheidet sich das amerikanische nicht vom deutschen Silvester.
Ich gehe mit meiner Gastfamilie jeden Sonntag in die Evangelisch-methodistische Kirche in Greenville. Der Gottesdienst hier ist viel moderner als in Deutschland, z.B. gibt es eine Band, die grundsätzlich am Anfang des Gottesdienstes Musik spielt. Die Kirche sieht auch sehr modern aus und entspricht wenig dem Bild einer traditionellen Kirche mit Kirchturm, Mosaikfenstern und Glocken, die zu einem bestimmten Zeitpunkt läuten. In unserer Kirche hier gibt es eine „Coffee Bar“, wo man sich Kaffee, Cappuccino und Lattes mit verschiedenen Flavors, also Geschmacksrichtungen, aussuchen kann, was ich eine prima Idee finde. Meine Gastfamilie ist sehr sozial engagiert, so haben wir schon hin und wieder Samstagabend vor dem Abendgottesdienst Kaffee ausgeschenkt. Im Moment gibt es eine Aktion in der Kirche, die „Pocket Change“ genannt wird. Wenn man möchte, kann man sein Kleingeld vor dem Gottesdienst in eine Sammeldose werfen.
Da unsere Kirche sehr gut besucht ist und viele Leute diese Möglichkeit nutzen, kommen dort schon nennenswerte Beträge zusammen. Das gesammelte Geld lässt man dann im Rahmen besonderer Aktionen verschiedenen Menschen zukommen. Vor ein paar Wochen hat der Pastor z.B. während eines Gottesdienstes Pizza bestellt und sie auf die Bühne liefern lassen. Dem Pizzaboten hat er dann mithilfe des gesammelten Geldes ein „Trinkgeld“ in Höhe von 800 Dollar gegeben! Man kann sich vorstellen, wie sich der Mann über den unerwarteten Geldsegen gefreut hat. Mir gefällt der enge Zusammenhalt und das soziale Engagement hier in der Kirchengemeinde sehr gut, da viele Leute mit anpacken und letztlich einen konkreten guten Zweck unterstützen.
Spring Season, Prom und Heimkehr nach Deutschland
Zu Beginn des Frühjahrs –der Spring Season- musste man eine neue Sportart wählen und ich habe mich für Track (Leichtathletik) entschieden. Die Wahl fiel mir nicht sehr schwer, da viele meiner Freunde auch dabei waren und wir so noch mehr gemeinsam unternehmen bzw. erleben konnten. Das ganze Track-Team war generell sehr nett. Wir hatten ein sehr großes Team, das aus ca. 120 Schülern bestand. Von den verschiedenen Track-Disziplinen habe ich Weitsprung und 100 m Sprint gemacht. Training war von Montag bis Freitag direkt nach der Schule für ca. 1 ½ Stunden. Dabei haben wir entweder Krafttraining gemacht, sind laufen gegangen oder haben Sprints absolviert. Das Training war teilweise sehr anstrengend, andererseits hatten wir aber auch immer viel Spaß dabei. Wir hatten regelmäßig Wettkämpfe gegen andere High Schools, teilweise auch mehrere in einer Woche, die oft über einige Stunden andauerten. Die Saison war Mitte Mai dann auch leider schon wieder vorbei, aber ich bin wirklich sehr froh über meine Entscheidung, dem Track Team beigetreten zu sein.
Mitte März ging es dann für 5 Tage nach Los Angeles. Dies war wie schon der Trip im Dezember nach New York ein Angebot eines Partnerunternehmens meiner Austauschorganisation. Ich bin an einem Mittwoch schon sehr früh morgens losgeflogen, musste nach einem gut 3-stündigen Flug einmal in Dallas umsteigen und erreichte dann nach weiteren 5 Stunden Flugzeit Los Angeles. Am Flughafen in LA sind dann aus allen Teilen der USA weitere Austauschschüler eingetroffen und wir wurden mit dem hoteleigenen Flughafenshuttle in unsere Unterkunft “La Quinta” gebracht. Ich habe mir dort ein Zimmer mit einer Deutschen und einer Spanierin geteilt. Für jeden Tag unseres Aufenthaltes gab es ein Programm, was uns zu vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt geführt hat.
Am ersten Tag haben wir den Knott’s Berry Farm Amusement Park in Buena Park, einem Ort südöstlich von LA, besucht. Der Freizeitpark gilt als einer der ersten Themenparks Amerikas und bietet allein 9 riesige Achterbahnen. Am nächsten Tag war Strand angesagt: Zunächst haben wir dem Manhattan Beach einen kurzen Besuch abgestattet, bevor es dann weiter zum Venice Beach ging. Am Venice Beach habe ich mir gemeinsam mit einigen anderen Austauschschülern ein Fahrrad ausgeliehen und wir haben den berühmten Strand erkundet. Am Nachmittag sind wir dann noch nach Beverly Hills gefahren -inklusive des berühmten Rodeo Drives- und haben den Farmers’ Market besucht, einen sehr bekannten Markt, wo auch viele Stars einkaufen. Abends sind wir in ein Improvisationstheater gegangen, was unwahrscheinlich lustig und unterhaltend war.
Der nächste Tag stand ganz im Zeichen von Hollywood, vor allem natürlich des Walk of Fames, wo auch viele Straßenkünstler aufgetreten sind. Unseren letzten Tag haben wir in den Universal Studios verbracht, wo uns auf einmal Kylie Jenner mit ihrem Freund, dem Rapper Tyga, über den Weg gelaufen ist. Beide waren von Security Männern umgeben, so dass wir nur Fotos schießen konnten. Im Großen und Ganzen war der Aufenthalt in Los Angeles wunderschön und ich würde auf jeden Fall gerne nochmal dorthin, da wir nicht alles sehen konnten und es einfach noch so viel zu entdecken gibt.
Auf dem Rückflug hatte ich das Glück, dass eine meiner Freundinnen den gleichen Endflughafen hatte und wir gemeinsam fliegen konnten. Leider hatte unser erster Teilflug Verspätung, sodass wir es in Dallas nur knapp zu unserem Anschlussflug geschafft haben -im Gegensatz zu unserem Gepäck! Unsere Koffer haben wir dann einige Tage später wiederbekommen. Ich würde jedem Austauschschüler empfehlen, eine solche Reise mitzumachen, da man dort sehr viel erlebt und auch viele neue Freunde aus der ganzen Welt trifft, die in der gleichen Situation sind wie man selbst. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt, mit denen ich bis heute immer noch in Kontakt stehe.
Gegen Ende April stand der sogenannte Prom an. Prom ist der Abschlussball am Ende des High-School-Jahres für die Elft- und Zwölftklässler und gilt als eines der wichtigsten Ereignisse des Schuljahres. Zehntklässler dürfen auf Einladung eines älteren Schülers als Begleitung mit zum Prom und Austauschschüler dürfen generell auch ohne Einladung daran teilnehmen und sogar noch einen Freund oder Freundin mitnehmen. Ich habe meine beste Freundin Maddie gefragt, ob sie mit mir dorthin gehen möchte. Der Prom hat in einer durch die Schule angemieteten Location stattgefunden. Vor dem Prom habe ich mit meiner Freundin und ihrem Bruder, der im Abschlussjahrgang war, noch viele Fotos gemacht und da hatten wir schon eine Menge Spaß.
Gegen halb sechs ging es dann los und bei der Ankunft wurden dann auch noch einmal Bilder von uns gemacht. Danach wurden wir zu unseren Tischen geführt, die wir vorher in der Schule schon reserviert hatten, als wir die Prom Tickets gekauft haben. Zunächst gab es ein Buffet, an dem man sich frei bedienen konnte. Danach wurde erst einmal getanzt, bis es schließlich zur Wahl des Prom Kings und der Prom Queen kam. Dabei durfen die Elft- und Zwölftklässler einen Jungen und ein Mädchen aus der Abschlussklasse wählen, die dann zum König bzw. Königin gekürt wurden. Der Bruder meiner Freundin wurde zum Prom King gewählt und hat -wie auch die Prom Queen- sogar eine Krone bekommen. Darüber haben wir uns natürlich sehr mit ihm gefreut. Danach ging es wieder zum Tanzen über.
Zwischendurch konnte man auch an einer Fotostation –der sogenannten Flashbox- Fotos mit Selbstauslöser machen und es kamen wirklich klasse Ergebnisse heraus. Im Großen und Ganzen war der Prom ein super Erlebnis und er hat mir noch besser gefallen als der Homecoming Ball, da alles noch festlicher ist und die Atmosphäre einfach beeindruckend war. Ich würde jedem empfehlen –der die Chance erhält- daran teilzunehmen, denn es ist eine tolle Erfahrung!
Da meine Schule allen Austauschschülern, egal welchen Jahrgangs, erlaubt, an der Abschlusszeremonie teilzunehmen, wurden wir in den letzten Wochen auch als Seniors angesehen. Das bedeutete u.a., dass wir die Abschlussprüfungen unseres Jahrgangs 1 Woche vor allen anderen gemacht haben und am Senior Send Off teilnehmen konnten. Das Senior Send Off ist eine Zeremonie in der letzten Schulwoche, bei der sich die ganze Schule in der Sporthalle versammelt und Reden über den Abschlussjahrgang gehalten werden. Es wurde auch eine Diashow gezeigt mit Babybildern und aktuellen Bildern der Zwölftklässler, aber auch von uns Austauschschülern. Es hat sehr viel Spaß gemacht, daran teilhaben und diese besondere Veranstaltung miterleben zu können.
Die Seniors mussten aufgrund der bereits abgelegten Prüfungen die letzte Woche nicht mehr in die Schule gehen, somit hatte ich auch schulfrei. Am letzten offiziellen Schultag hatten wir Graduation Practice, sozusagen eine Übung für die Abschlusszeremonie. Je nach Wetterlage findet die Abschlussfeier entweder in der Sporthalle oder auf dem Footballfeld statt. Daher haben wir den Ablauf der Abschlussfeier für drinnen und für draußen geübt. Leider hat es am Samstag, dem Tag der Graduation, tatsächlich geregnet, sodass die Abschlussfeier in der Sporthalle abgehalten werden musste. Die Zeremonie begann abends gegen halb 7 und wir mussten unsere Cap and Gown tragen: Die Mädchen trugen eine weiße Robe mit entsprechender Mütze, die Jungs eine entsprechende grüne Tracht. Unter der Robe trugen alle Mädchen ein weißes Kleid. Bei der Zeremonie wurden zuerst einige Reden gehalten und der Schulchor ist aufgetreten. Danach wurden wir alle einzeln nach vorn gerufen, um das Diplom bzw. für die Austauschschüler das Zertifikat abzuholen. Insgesamt dauerte die Zeremonie ca. 2 Stunden.
Danach sind wir noch mit der Familie essen gegangen. Es war wirklich sehr interessant, bei der Abschlusszeremonie dabei sein zu können, denn in Deutschland ist die Entlassung bei weitem nicht so festlich. Allerdings wurde mir zu diesem Zeitpunkt richtig bewusst, dass die Zeit in Amerika jetzt langsam dem Ende entgegen ging. Ich hatte zwar noch 1 Woche Zeit bis zu meinem Rückflug, aber die Schule war offiziell vorbei und meine Gastschwester brach in der darauffolgenden Woche schon zum Basic Training der Army nach South Carolina auf. Erschrocken stellt man fest, wie schnell die Zeit in den USA vorbei gegangen war.
Am 11. Juni ging es dann auch für mich tatsächlich nach Hause. Ich hatte aufgrund diverser Einkäufe doch ein kleines Kofferproblem und musste kurzfristig ein zusätzliches Gepäckstück buchen. Ich wurde von meinen Gasteltern, meinen Gast-Großeltern, meiner älteren Gastschwester und ihrem Ehemann zum Flughafen gebracht. Wir haben uns noch relativ lange vor der Sicherheitskontrolle aufgehalten, da ich nicht so lange alleine am Gate warten wollte. Als es dann Zeit wurde, durch die Kontrolle zu gehen, hieß es dann wirklich Abschied nehmen. Das Verabschieden fiel mir und meiner Gastfamilie sehr schwer und die eine oder andere Träne wurde vergossen.
Es war seltsam daran zu denken, die Menschen zu verlassen, die einen für 10 Monate aufgenommen haben. Zu dem Zeitpunkt weiß man nicht, wann oder ob man sie noch einmal wiedersieht. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, noch einmal dorthin zurückzukehren und alle zu besuchen. Auch haben wir meine Gastfamilie herzlich eingeladen, uns in Deutschland zu besuchen. Hoffentlich klappt das einmal! Mein Flug ging zuerst nach Newark, wo ich mich mit einer Freundin aus Belgien getroffen habe, die ich in LA kennengelernt hatte. Sie war mit ihrer belgischen Familie noch für ein paar Tage in New York und ist am gleichen Tag wie ich Richtung Heimat losgeflogen, so dass wir uns am Flughafen noch einmal sehen konnten.
Das Gefühl, das man auf dem Rückflug verspürt, ist ziemlich zwiespältig, da man sich einerseits gerade noch schweren Herzens von seiner Familie in Amerika verabschiedet hat, andererseits aber weiß, dass man in wenigen Stunden wieder bei seiner richtigen Familie in Deutschland ist. Man fühlt sich ein wenig verloren und weiß nicht so recht, ob die Trauer oder die Freude größer ist. Nach weiteren 7 Stunden bin ich dann am nächsten Morgen gegen halb acht in Hamburg angekommen und hatte erstmal große Probleme, meine ganzen Koffer zu meiner Familie zu bekommen, da ich einen kleinen Trolley als Handgepäck, einen großen Trolley und einen Koffer ohne Rollen hatte. Zum Glück standen genug Gepäckwagen bereit und ich konnte mein Gepäck auf einem von ihnen verstauen. Ich bin dann zum Ankunftsbereich gegangen, wo meine Familie schon auf mich gewartet hat. Ich war sehr glücklich, als ich meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder endlich wiedersehen und sie wieder in die Arme schließen konnte.
Nach 1 ½ Stunden Fahrt sind wir dann zu Hause angekommen, wo an der Garage eine große Deutschlandfahne hing, auf der „Welcome Home, Jessy“ stand. Meine Großeltern warteten schon auf der Auffahrt, um mich zu begrüßen. Sie hatten die ganze Zeit intensiv mein Auslandsjahr verfolgt. Wir haben regelmäßig geskypt und sie haben alle meine Flüge auf Flightradar verfolgt. Als ich dann ins Haus gehen wollte, hat meine Mutter darauf bestanden, dass ich durch den Garten gehe, was mich schon ein wenig verwundert hat. Im Garten habe ich dann auf unserer Terrasse meine 10 besten Freundinnen gesehen, die alle selbst gebastelte Willkommensschilder hoch hielten und Kuchen und Muffins gebacken hatten, um mit mir meine Rückkehr zu feiern.
Nachdem ich jede einzelne begrüßt und lange umarmt hatte, haben wir alle gemeinsam in der Sonne gefrühstückt. Es war schön, mal wieder ein „richtiges“ Brötchen zu essen, da es in den USA eigentlich nur Toast gibt. Aufgrund der Zeitverschiebung und des langen Fluges, auf dem ich nur 1 Stunde geschlafen hatte, war ich eigentlich sehr müde, jedoch habe ich es tatsächlich geschafft, den ganzen Tag wach zu bleiben. Einige meiner Freundinnen sind auch bis abends geblieben und ich habe mit ihnen und meiner Familie viel erzählt und Spaß gehabt. Ich hätte mir meinen ersten Tag zu Hause nicht schöner vorstellen können und habe mich riesig gefreut, als ich alle gleich wiedersehen konnte.
Da ich keinerlei Jetlag hatte und es mir auch sonst gut ging, bin ich am nächsten Tag für die letzten beiden Stunden in die Schule gegangen, um meine Klasse wiederzusehen. Ich wollte noch in der verbleibenden Zeit vor den Ferien so viel wie möglich mit meinen alten Klassenkameraden verbringen, da ich im neuen Schuljahr in einen anderen Jahrgang kommen würde. Die nächsten Tage bin ich stundenweise immer in die Schule gegangen und habe in der darauffolgenden Woche auch an der Abschlussfahrt meiner Klasse nach Berlin teilgenommen. Wir hatten dort sehr viel Spaß und auch das war eine unvergessliche Zeit. Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass ich mich vom ersten Moment an wieder sehr wohl gefühlt habe. Ich musste mich nicht wieder eingewöhnen, da es sich angefühlt hat, als wäre ich nur ganz kurz von zu Hause weg gewesen.
Was ich am meisten nach meiner Rückkehr genossen habe, ist die Tatsache, dass ich hier wieder absolut unabhängig davon bin, ob mich jemand mit dem Auto irgendwo hinfahren kann. Ich hatte teilweise ein schlechtes Gewissen, da mich meine Gastfamilie oft extra fahren musste, da ich meistens keine Chance hatte, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Ich weiß es ausdrücklich zu schätzen, was meine Gastfamilie auf sich genommen hat, aber es ist hier zu Hause natürlich unkomplizierter, sich aufs Fahrrad zu setzen, mit dem Bus oder Zug zu fahren oder einfach zu Fuß zu gehen, um zum Einkaufen, zu meinen Freunden oder zur Schule zu kommen.
Jetzt bin ich nun schon seit 2 ½ Monaten wieder zu Hause und natürlich vermisse ich meine Freunde und Gastfamilie in Amerika. Ich möchte sie unwahrscheinlich gern wieder sehen und denke sehr gern an die Zeit zurück. Ich betrachte das vergangene Jahr als einen Abschnitt in meinem Leben, der mir wahnsinnig viel bedeutet und mich mein ganzen Leben lang begleiten wird. Der Blickwinkel auf viele Dinge hat sich verändert, man setzt auf einmal ganz andere Prioritäten und weiß auch Dinge hier zu Hause zu schätzen, die man vorher als selbstverständlich erachtet hat. Alle, die darüber nachdenken, ein Austauschjahr zu absolvieren, kann ich nur ermutigen, es tatsächlich umzusetzen. Es wird zwar auch schwierige Zeiten geben, aber diese hat man auch hier in Deutschland. Man muss einfach mit ihnen zurechtkommen und nach einiger Zeit ist alles wieder gut!
An dieser Stelle nochmals ein riesengroßer Dank an meine wundervolle Gastfamilie, die mich für 10 Monate aufgenommen und sich um mich gekümmert hat! ußerdem natürlich ein großes Dankeschön an meine Familie in Deutschland, die mir diesen Austausch ermöglicht hat. Last but not least: Vielen vielen Dank an CDC und ISE für die fortwährende engagierte Betreuung während des Programms. Es war gut zu wissen, dass man auch seitens der Organisation super aufgehoben war!