- WELTBÜRGER-Stifter: weltweiser
- Programm: Schüleraustausch
- Land: USA
- Dauer: 10 Monate
- Name: Maylis
Die ersten drei Monate in Alvin
Nun ist es wirklich schon 3 Monate her, dass ich Deutschland verlassen habe und mich in das wahrscheinlich größte Abenteuer meines Lebens gestürzt habe. Es kommt mir erst wie gestern vor, dass ich meiner Familie, meinen Freunden, meinem Dorf und meinem Haus auf Wiedersehen gesagt habe und dann letztendlich auch meine Eltern am Hamburger Flughafen das letzte Mal umarmt habe.
Na klar, der Abschied fiel schwer aber ich war überrascht, denn es fiel mir lange nicht so schwer, wie ich gedacht hätte. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass ich weiß, dass ich das alles nach 10 Monaten wieder haben werde. Und was sind schon 10 Monate in einem, im Durschnitt, 80 Jahre langem Leben? Jede Menge! Auf jeden Fall, wenn du diese 10 Monate in einem am Anfang, fremden Land, mit einer fremden Familie und einer fremden Kultur, verbringst…
Nach einem 9-stündigen Flug, landete ich dann mit anderen Austauschschülern von meiner Organisation in New York. Die Stadt die niemals schläft. Mein erstes Gespräch mit einem Amerikaner hatte ich dann gleich am Kontrollschalter, da wir darüber diskutierten, ob Soccer oder Football besser ist. Ziemlich witzig, wenn man darüber nachdenkt wie oft wir gewarnt wurden, dass die Amerikanischen Kontrollen super streng sind und man sie auf keine Fall auf die leichte Schulter nehmen soll. Hier merkte ich gleich, wie offen Amerikaner sind.
Die drei Tage, die ich in New York zusammen mit ca. 80 anderen Austauschschülern aus der ganzen Welt verbrachte, werde ich niemals vergessen. Diese Stadt ist unglaublich und schon hier habe ich Sachen erlebt, gesehen und gemacht, die mich für mein Leben geprägt haben. Ich meine, wie oft isst man denn bitte Lunch im Central Park oder geht abends auf dem Times Square spazieren?
Fernweh? JuBi!
Am 13. August ging es dann endlich nach Texas! Es war ein angenehmer Flug, auf dem ich wieder nicht alleine war, da meine Freundin, mit der ich schon aus Frankfurt losgeflogen war und die drei Tage in New York verbracht hatte, auch nach Houston sollte. Die Aufregung stieg, als das Flugzeug landete, wir zu den Gepäckbändern gingen und dann endlich unsere Gastfamilien sahen. Für mich ging es dann gleich zu iHop, einem ziemlich guten Waffel und Pfannkuchen Restaurant.
Danach ging es dann nach Alvin, die Stadt, in der ich die nächsten 10 Monate leben werde. In den nächsten zwei Wochen lernte ich meine Gastfamilie und die Umgebung besser kennen und lebte mich langsam ein. Ich guckte aus dem 68. Stock auf Houston herunter, aß in mindestens zehn verschiedenen Restaurants, traf gefühlt die ganze Stadt und lebte wie im Paradies.
Und dann begann die Schule. Zugegeben, der erste Schultag war wahrscheinlich DER Vorzeigeschuletag eines Austauschschülers aber es war auch der Tag an dem ich realisierte, dass ich auch hier einen Alltag haben werde und das nicht alles so toll und super ist, wie am Anfang gedacht. Diese Phase überwand ich aber schnell und ich begann herauszufinden, wie Amerikanische Jugendliche so ticken. Und ja, sie ticken anders. Erst einmal hatte ich Schwierigkeiten sie überhaupt zu verstehen, denn welche Schule in Deutschland, unterrichtet denn bitte Amerikanischen Slang? Dann reden sie um ein vielfaches schneller als meine Gastfamilie, was mir jetzt, nach drei Monaten, manchmal immer noch zu schaffen macht.
Allgemein musste ich mich erstmal an viele Sachen gewöhnen, Plastikflaschen einfach in den Müll zu schmeißen, und viele Sachen lernen, wie zum Beispiel den Dresscode, aber jetzt kann ich wirklich sagen, dass ich mich hier zurecht gefunden habe und mich wohlfühle. In meinen Fächern, Fußball, Sportmedizin, Englisch, Spanisch, Physik, Geometrie und US-History, habe ich Einsen und Zweien und kann überall gut mitfolgen. Meine Lehrer sind nett und verständnisvoll und wenn ich mal Hilfe brauche, dann helfen sie gerne.
Da wir in meiner High School viele verschiedene Gebäude und nur sechs Minuten haben um von einer Klasse zu der anderen zu kommen, ist es schwer, in den Pausen Freunde zu finden oder mit ihnen zu reden. Ich habe Glück und habe tolle Klassen in denen Leute sind, mit denen ich mich schnell angefreundet habe. Ich habe Freunde in jeder Klasse und freue mich jeden Tag, sie zu treffen. Auch auf den Wegen zu der nächsten Klasse habe ich Freunde, mit denen ich zusammen gehe und so sieht der Schultag aus. Es gibt nun mal auch hier einen Alltag.
Nach der Schule, gehe ich entweder mit Freunden im Footballstadion laufen, auf dem Fußballfeld Fußball spielen oder ich hänge einfach nur mit ihnen rum. Ich bin jeden Tag gegen halb 5 zu Hause und wenn man bedenkt, dass ich das Haus um 6:50 Uhr verlasse, dann ist das schon ein sehr langer Tag. Zweimal die Woche habe ich dann noch Fußballtraining mit meinem Club-Team. Wir sind sehr erfolgreich und gewinnen jedes Spiel mit vielen Toren und wenigen Gegentoren. Wir sind jetzt schon sicher Erster und werden um die Distrikt-Meisterschaft spielen. Ich hoffe natürlich, dass wir auch dort gewinnen werden und dann um die Staaten- Meisterschaft spielen. Dort würden wir gegen die besten Teams aus Süd-Texas spielen und ich würde wirklich gerne diese Erfahrungen mit nach Hause nehmen.
Auch in der Schule spiele ich Fußball. Meine Schule bietet die verschiedensten Sportarten als Schulfächer an. Ich bin in der Fußballklasse was bedeutet, dass ich jeden Morgen in der ersten Stunde Fußballtraining habe. Im Moment laufen wir viel und machen wenig mit dem Ball, da die offizielle Saison erst Ende Dezember anfängt. Es macht mir echt Spaß und es ist gut, vor einem so langen Schultag Bewegung zu haben. Ich kann es kaum abwarten, bis die Saison endlich anfängt. Dann werden wir jeden Tag direkt nach der Schule Fußballtraining haben und zwei Mal die Woche ein Spiel gegen eine andere High School bestreiten. Letztes Jahr landete meine Schule ungeschlagen auf dem 1. Platz und das ist auch mein Ziel für diese Saison.
Der Grund dafür, dass die Saison erst so spät startet, ist das Wetter. Ich lebe ziemlich im Süden von Texas und das Wetter ist nicht mal annähernd vergleichbar mit Deutschland. Im August, als ich hier ankam, regnete es fast jeden Tag aber es war trotzdem unglaublich heiß. Die Luftfeuchtigkeit ist unnormal hoch und wir hatten schon bis zu 42 Grad. Der September war auch noch sehr heiß, aber jetzt im Oktober und November merkt man langsam, dass es auch hier kälter wird. Morgens ist es kühl aber spätestens gegen 11 Uhr hat es sich dann wieder aufgeheizt. Ich liebe warmes Wetter, aber alle meine Freunde hier wollen unbedingt kaltes Wetter, damit sie endlich Mützen und dicke Jacken tragen können. Tja, man will halt immer das, was man nicht hat.
Wo wir gerade bei Freunde sind… Ich denke, dass ich schon relativ viele Freunde habe. Da ich ja keine Gastgeschwister in meinem Alter habe, die eventuell schon andere kennen, musste ich sozusagen von Null starten. Durch den Sport und das Bemühen, immer offen und positiv zu sein, was ich nach meiner Meinung ganz gut hinkriege, kenne ich schon sehr viele Leute. Es ist sogar schon so weit, dass fremde meinen Namen auf dem Gang schreien, obwohl ich nicht weiß, wer die oder derjenige ist. Es hat sich schnell rumgesprochen, dass ich aus Deutschland komme und viele sind neugierig und stellen viele Fragen. Trotzdem ist es nicht so, dass sie auf einen gewartet haben. Sie haben alle ihre Gruppen und Kreise und brauchen nicht unbedingt noch eine Freundin. Ein weiteres Problem ist, dass die jüngeren, das heißt 14-, 15-, 16-Jährige keinen Führerschein haben und die Eltern sehr viel arbeiten, was bedeutet, dass es sehr schwer ist, sich mit ihnen zu treffen. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es hier nämlich nicht. Die Älteren, 17-, 18-, 19-Jährigen, arbeiten unglaublich viel und haben neben Schule und Arbeit kaum Zeit für Freunde. Man muss versuchen eine gute Mischung zu finden und ich habe eine tolle Gastfamilie, die mich viel rumfährt und sehr viel für mich tut.
Insgesamt bin ich super glücklich mit meiner Gastfamilie. Na klar, es gibt Sachen die mich nerven oder einfach diese typischen Kulturunterschiede, an die man sich vielleicht niemals gewöhnen wird aber eine 100%ig perfekte Gastfamilie gibt es nun mal nicht. Trotzdem habe ich wirklich Glück gehabt, da meine Familie tolerant, ehrlich und liebevoll ist und ich mich bei ihnen wirklich wohlfühle. Ich versuche durch Hausarbeit, gemeinsame Zeit und gutes Benehmen so viel wie möglich zurück zu geben. Wir unternehmen relativ viel als Familie. Ob es ins Kino oder Essen gehen ist oder ob wir einfach nur einen Film bei uns zu Hause gucken, ich genieße die Zeit, weil ich weiß, dass sie begrenzt ist.
Allgemein versuche ich alles zu genießen. Ob es die vielen Besuche in Houstons Fußballstadion sind, Homecoming, die abendlichen Fahrten mit meinem Gastbruder mit lauter Musik und offenen Fenstern, das Rumhängen mit meinen Freunden oder einfach nur den Unterricht in der Schule. Ich versuche alles mitzumachen und in vollen Zügen zu genießen, weil ich weiß, dass ich das hier alles schon bald nicht mehr haben werde und ich es unglaublich doll vermissen werde! Es stimmt, dass nicht immer nur alles gut ist und man sich auch mal alleine und einsam fühlt, weil niemand einen versteht. Und es passieren auch schlechte Sachen. Ich zum Beispiel, habe mir schon meinen Zeh gebrochen und habe eine Gehirnerschütterung gehabt und hatte auch schon ein Gefühlschaos in dem mir alles zu viel wurde aber auch aus so Zeiten schafft man es heraus und ich sage immer, dass es genau diese Sachen sind, aus denen man an meisten lernt.
In drei Wochen geht es für mich und meine Familie in die Karibik. Wir werden Jamaika, die Cayman Islands und Cozumel in Mexico besuchen und unter anderem mit Delfinen schwimmen! Ich freue mich sehr auf diesen Urlaub aber genau so sehr auf die nächsten sieben Monate. Ich bin gespannt was die nächste Zeit bringen wird, wen ich treffe und was ich erlebe, denn ich kann wirklich sagen, dass ich hier angekommen bin. In meiner neuen Heimat, Texas!
Ein halbes Jahr Amerika
Jetzt bin ich wirklich schon 6 Monate hier in den USA. Ein halbes Jahr hört sich so verrückt lange an aber für mich fühlt es sich an, als ob die Zeit nur so an mir vorbei geflogen wäre. Kaum zu glauben, dass mir wirklich nur noch 4 Monate bleiben…
Fußballsaison mit High School Spirit
Die letzten 3 Monate seit meinem ersten Bericht waren voller großer Ereignisse. Die lang ersehnte Fußballsaison fing an und ich schoss gleich in dem ersten Testspiel 3 Tore. Weiter ging es auf ein Turnier in Brenham, Texas, wo mir das erste Mal klar wurde, wie gute Freunde ich hier gefunden habe und wie nahe wir uns nach nur 5 Monaten sind. Zu erleben, wie ein High School Team zusammen steht, sich gegenseitig unterstützt und niemals aufgibt, ist beeindruckend und das ist genau das, was den High-School Spirit ausmacht. Deshalb empfehle ich echt jedem der ein Auslandsjahr macht, eine Sportart zu machen oder einen Club nach der Schule beizutreten. Hier werdet ihr die richtig guten Freunde finden, da man zwar auch in der Klasse Freunden finden kann, man aber beschränkt ist da die Lehrer ungestört ihren Unterricht durchziehen wollen und man in einem Klassenraum ja eh sehr beschränkt ist. Deshalb kann es hart sein dort wirklich gute Freunde zu finden. Naja aber das nur so nebenbei.
Auf jeden Fall wurden wir an diesem Wochenende auch wieder Zeuge des verrückten Wetter in Texas, da die Temperaturen mal eben auf -8 Grad fielen. Eltern, die mitgekommen waren, kauften Leggings, Hand- und Schuhwärmer und Stirnbänder, für alle 22 Spielerinnen, da sich die eh schon eisigen Temperaturen durch den Wind nochmal 5 Grad kälter anfühlten. Einfach nur verrückt!
Roadtrip durch Texas
Besonders wenn man bedenkt, dass wir auf dem Roadtrip durch Texas, denn meine Gastfamilie und ich kurz vor Weihnachten machten, bis zu 32 Grad hatten. Wir besuchten die Städte San Antonio, New Braunsfels, Fredericksburg und Luckenbach, die von den früheren deutschen Einwanderern noch sehr deutsch sind. Besonders San Antonio hat auch eine sehr interessante Geschichte, über die mein Gastbruder, der Geschichtslehrer ist, natürlich alles wusste.
So sah ich nicht nur Luckenbach, das wohl kleinste Dorf in Texas mit nur 4 Einwohner und deren berühmtes „Post-office“, sondern auch den „Enchanted Rock State National Park“ in Fredericksburg und einen uralten deutschen Antik-Laden, wo ich mich mit den zwei 80-jährigen deutschen Besitzern unterhielt. Dieser Trip sorgte dafür, dass ich mich noch besser mit meiner Familie verstand, wir uns alle näher kamen und ich unglaublich viel von Texas sah und lernte.
Weihnachten im Lone Star State
Wenige Tage später war dann Weihnachten. Am 25. Dezember hatten wir 25 Grad und ich packte im T-Shirt meine Geschenke aus. Insgesamt unterschied sich mein erstes Amerikanisches Weihnachten sehr von dem, was ich gewohnt bin. Am 24. Dezember machten wir gar nichts und ich telefonierte mit meiner Familie in Deutschland. Dadurch hatte ich sozusagen 2 Weihnachten, da, als ich am 25. Dezember aufwachte, es dann unsere Zeit war Geschenke auszupacken und Weihnachten zu feiern. Und eins kann ich sagen: Amerikaner eskalieren in Bezug auf Geschenke!! Ich habe noch nie so viele Geschenke unter einem Weihnachtsbaum gesehen und dazu kamen noch die „Stockings“, die randgefüllt waren. Stockings sind schwer zu beschreiben aber es sind die „Schuhe“, die in amerikanischen Filmen an Weihnachten an den Kaminen hängen. Dort packt man kleiner Geschenke und Unmengen an Süßigkeiten rein.
Ich bekam sehr viele Geschenke von meiner Gastfamilie, was ich wirklich nicht erwartet hätte. Von Beats über eine Polaroid Kamera bis hin zu Schmuck und Klamotten. Als dann mein älterer Gastbruder mit seiner Frau kam, bekam ich nochmal einen Fußball und ein FC Bayern München Trikot. Da meine Gastfamilie es mag, die Geschenke schwierig und vielleicht auch ein bisschen gemein einzupacken, zum Beispiel mit mehreren Lagen Geschenkpapier, Drahtbindern oder einer ganzen Rolle Tesafilm, dauerte das etwas länger. Ich ließ mir etwas ganz Besonderes einfallen und fror mein Geschenk an meinen jüngeren Gastbruder ein. So musste er mehrere Stunden warten, bis das Eis endlich geschmolzen war. Auf jeden Fall aßen wir dann noch alle zusammen, guckten einen Film und dann war mein amerikanisches Weihnachten auch schon zu ende. Anders aber auf keinen Fall schlechter!
New Year’s Eve
Leider war mein Silvester Abend ganz anders…In Deutschland feiere ich Neujahr normalerweise relativ groß mit meiner Familie, Freunden, gutem Essen und Feuerwerk aber hier lief es anders. Meine Gastfamilie und ich machten nicht wirklich was am letzten Tag des Jahres. Abends startete mein Gastvater dann einen Film, den wir bis 23:45 guckten. Kurz vor Mitternacht gingen wir dann auf die Straße vor unserem Haus in der Hoffnung, das Feuerwerk in der Nähe von uns zu sehen. Als es dann Mitternacht war sahen wir gar nichts und nach einem kurzen „Happy New Year“ gingen wir ins Bett. Ich hatte nicht viel erwartet aber ich war doch schon etwas enttäuscht. So ist das aber manchmal. Jeder hat halt doch andere Traditionen und eine andere Art zu feiern und immerhin habe ich gelernt, mein „deutsches“ Silvester, wertzuschätzen.
Gastfamilienwechsel
Alle meine Neujahrsvorsätze wurden dann am 1. Januar sofort vergessen und verdrängt, da ich aus persönlichen Gründen die Gastfamilie wechseln musste. Dazu kam dann noch, dass ich auch die Schule wechseln musste, was bedeutete, dass ich auch in eine andere Stadt zog. Ein Auslandsjahr ist halt doch nicht immer eine 100% gute und positive Erfahrung. Es war wirklich schwer für mich, meinen Freunden mit denen ich mich gerade so gut verstanden hatte zu verlassen und mir wurde erst dann klar, wie sehr diese Stadt mein zu Hause geworden war. Erst dann schätze ich die wirklich kleinen Sachen wie die Musik während man die Klasse wechselt, die Menschen die ohne dass ich sie kenne meinen Namen schrien oder das so „späte“ aufstehen, weil ich so nahe an der Schule wohnte…
Ich habe genau nach 5 Monaten gewechselt, was bedeutet, dass ich sozusagen 2 Auslandsjahre habe, die jeweils 5 Monate lang sind. Jetzt ist alles wirklich total anders. Fast schon komisch, dass die zweite Hälfte meines Jahres buchstäblich das komplette Gegenteil wird. Ich versuche es aber immer noch positiv zu sehen. Immerhin kann ich jetzt eine andere Seite der amerikanischen Kultur kennenlernen, denn was eine Familie macht, muss ja noch lange nicht der Durchschnitt machen. Jetzt bekomme ich auch die Chance nochmal doppelt so viele Menschen kennenzulernen und Freunde zu finden, wo ich in meiner alten Stadt niemals die Möglichkeit zu gehabt hätte. Ich erlebe wie es ist auf eine andere amerikanische High School zu gehen und bei einer anderen Familie zu leben und das wird meinen Horizont nochmal viel mehr erweitern als wenn ich 10 Monate bei der gleichen Familie, Stadt und Schule verbracht hätte und nur eine Seite des so vielseitigen Landes kennengelernt hätte.
Ich hatte einen zweiten 1. Schultag wo du rein gar nichts verstehst und alles viel zu neu ist, eine zweite 1. Woche, in der sich noch jeder für dich interessiert und ich hatte auch eine zweite 2. Woche, in der die anderen das Interesse an dir verloren haben und du jetzt selber auf die Suche nach Freunden und netten Leuten gehen musst. Ich fühle mich ein bisschen so wie im August, als ich ankam und das ist gar nicht so schlecht, denn wer wünscht sich nicht an den Anfang seines Auslandsjahres zurück, an dem noch alles aufregend und neu war?
Mit meiner neuen Gastfamilie fuhr ich gleich am zweiten Wochenende nach New Braunsfels, wo wir uns unterirdische Tropfsteinhöhlen anguckten und 2 Filme in einem echten Drive-In Kino guckten. Da es zu kalt war um auf der Ladefläche mit Kissen und Decken zu liegen, wie man es aus Filmen kennt, saßen wir im Auto. Es war trotzdem ein einmaliges Erlebnis und es hat die eh schon guten Filme um ein vielfaches spannender und aufregender gemacht.
Auf der Rückfahrt guckten wir uns dann noch einen wunderschönen Campingplatz an, da meine Gastfamilie sehr gerne campen geht. Er hatte einen Fluss und lag mitten in einem Wald. Dort fahren wir nächstes Wochenende hin um das erste Mal in diesem Jahr campen zu gehen. Ich freue mich da schon wirklich drauf und ich glaube, dass es echt lustig wird. Wir haben auch schon über einen Trip nach Phoenix in Arizona oder New Orleans geredet und ich freue mich schon sehr auf die kommenden 4 Monate.
Wie ich mich verändere
Allgemein kann ich nach 6 Monaten echt sagen, dass ich mich verändert habe. Meine Sprache wurde viel besser und ich träume und denke auch regelmäßig in Englisch. Das ist auch relativ witzig, weil mein Gehirn teilweise echt überfordert ist mit 4 verschieden Sprachen. Manchmal denke ich in Englisch, rede Deutsch und zähle dann in Dänisch in Mathe. Sehr verwirrend aber es macht auch Spaß zu sehen, wie sich meine Wortschätze verändern. Dänisch und Deutsch eher zum Negativen und Spanisch und Englisch zum Positiven.
Auch vom Äußerlichen habe ich mich glaub ich mehr verändert, als ich es in Deutschland getan hätte. Es ist hier einfach so gut wie gar nicht möglich, nicht zuzunehmen. Ich finde aber dass man sich da keinen Druck machen sollte und weiterhin alle neuen Gerichte und Sachen probieren sollte. Es gehört halt zu der Kultur. Die größte Veränderung bemerke ich aber mental.
Ich hatte zwar noch keinen Tag Heimweh seit dem ich hier bin aber durch die ganzen harten Zeiten, durch die ich mehr oder weniger alleine durchmusste, wurde ich mehr erwachsen und auch reifer. Ich denke anders und gehe Sachen anders an. Ich fühle mich auch nicht mehr wie 16 sondern eher wie 19 und das bestätigt ja nur, was man über ein Auslandsjahr sagt. Es lässt dich erwachsen werden und das trifft bei mir voll zu.
Insgesamt kann ich es kaum erwarten zu erfahren, was die nächsten 4 Monate für mich bereithalten aber ich möchte am liebsten auch die Zeit anhalten, damit der Zeitpunkt meiner Abreise nicht näher kommt. Alleine daran zu denken, dass ich das alles hier bald verlassen werde und alle meine Freunde und meine Familie ihre Leben einfach so ohne mich weiterleben, macht mich mehr als traurig. Trotzdem freue ich mich auch schon wieder auf Deutschland und denke auch sehr oft daran wie es sein wird, meine Familie und Freunde das erste Mal nach 10 Monaten wiederzusehen.
Aber genug erzählt, der 51. Superbowl fängt in 30 Minuten an und den darf ich auf jeden Fall nicht verpassen!
Welcome back
„How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard” –Winnie the Pooh
Wie glücklich ich sein kann, etwas zu haben, was das Tschüss sagen so schwer macht, das hat Winnie Pooh schon gesagt. Und dieser Spruch beschreibt auch besser meine letzten Wochen in den USA, als alles andere. Aber ich fange mal damit an, von meinen letzten 4 Monaten in Texas zu erzählen.
Im März war die Fußballsaison im vollen Gange, was bedeutete, dass ich jeden Tag bis 17 Uhr trainierte. 2 Mal die Woche hatten wir ein Spiel, wo es entweder bei uns auf dem heimischen Footballplatz zum Duell kam oder wir mit dem Schulbus zu einer der umliegenden High Schools fuhren um dort um die Distrikt-Meisterschaft zu spielen. Jetzt im Nachhinein, sehe ich die Fußballsaison auch als einer meiner Höhepunkte des Auslandsjahres. Durch den Sport wächst man einfach so mit seinen Mitspielerinnen zusammen und erlebt das, wofür amerikanische Schulmannschaften bekannt sind: Zusammenhalt, Teamgeist und Fairness. Für mich persönlich war die Saison auch sehr erfolgreich, da ich viele Tore schoss und am Ende den Award der besten Offensivspielerin bekam.
Mitte März war Springbreak und ich flog mit meinem Gastbruder und meiner Gastmutter nach Mexico. Genauer gesagt Mexiko City, die größte Stadt der Welt. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal nach Mexiko City komme. Wir wohnten direkt in der Stadt und sahen unglaublich viel. Mich faszinierte die Mexikanische Kultur, seitdem ich mich mit so vielen Mexikanern in der Schule angefreundet hatte, und die Mexikanische Hauptstadt enttäuschte mich auch nicht. Ich habe Fernweh nach echten Mexikanischen Tacos, die ich dort jeden Morgen an einem kleinen Straßenstand kaufte und nach dem Mexikanischen Flair, den die kleinen und alten Gassen haben.
Am meisten beeindruckt haben mich jedoch die Pyramiden. Ich habe noch nie Pyramiden gesehen und der Anblick war einmalig. Alleine das Gefühl auf einer Mexikanischen Pyramide zu stehen und über das Land zu gucken war etwas, was ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Ich konnte sogar ein Promkleid in einer der vielen Kleiderläden kaufen. Wieder zurück in den USA, war die Fußballsaison wenige Tage später auch schon wieder vorbei und ich wechselte zu Tennis. Ein Sport, der mich schon immer interessiert hatte und den ich einfach mal ausprobieren wollte. Eine gute Entscheidung, da ich so nochmal ganz neue Freunde finden konnte und die Möglichkeit hatte, etwas auszuprobieren, wofür ich hier in Deutschland einfach keine Zeit habe.
Anfang April war dann Prom und der Tag, von dem die ganze Schule schon Monate vorher geredet hatte, war endlich gekommen. Ich ging mit einer Gruppe von Freunden und um ehrlich zu sein, war die Veranstaltung an sich ok aber nicht überragend. Wir aßen Chickenstrips und Pommes und hatten einen schönen Abend, an dem die Stimmung aber irgendwie nicht richtig aufkommen wollte. Nur als die Promqueen und der King ernannt wurden und die Footballjungs eine „Rap-Einlage“ auf der Bühne performten, wurde es laut. Ein weiteres Highlight meines Jahres waren dann aber die Tage nach Prom, an denen meine Freunde und ich ein Beachhouse gemietet hatten und die Zeit mit Volleyball, Fußball, am Strand und in Hängematten genossen.
Ein weiteres Highlight im April war meine erste amerikanische Country Hochzeit, bei der die Freunde meiner Gasteltern heirateten. Sie wurde in einer Art Scheune veranstaltet und die Stühle waren Heuballen. Alle Brautjungfern und Trauzeugen hatten Cowboyboots an und an dem Abend brachte mein Gastvater mir auch den traditionellen „Two-Step-Tanz“ bei.
Die Zeit raste und bevor ich mich versehen konnte war es Mai und mein letzter Monat Schule, hatte angefangen. Anfang Mai flog ich dann nochmal für eine Woche nach Arizona, wo die Mutter meiner Gastmutter lebt. Direkt nach meiner Ankunft in Phoenix ging es los auf einen Roadtrip. Durch Arizona, mit einer völlig verrückten 70 Jährigen Amerikanerin und einem tiefentspannten, 70 Jährigen Hawaiianer. Was für ein Erlebnis. Wir fuhren nach Sedona, ein kleines aber wunderschönes Indianerdorf, nur 2 Stunden Autofahrt vom Grand Canyon entfernt. Dort besuchten wir eine heilige Kathedrale auf einem Kliff.
Wir fuhren zum Grand Canyon, der mich sprachlos machte, hatten Lunch in einem Restaurant, direkt am Abgrund des Canyons, fuhren auf der berühmten Route 66 und machten Bilder mit den Kakteen, die Arizona so auszeichnen. Als Highlight trafen wir dann noch die Kusine meines Opas die mit ihrem Ehemann in der Nähe meiner Gastoma wohnt. Ich hatte sie noch nie getroffen aber sie hatten meine Eltern und meine Großeltern einige Jahre vor meiner Geburt besucht. Dort blieb ich eine Nacht. Zusammen besuchten wir einen Nationalpark, einen See und Skypten sogar mit meiner Familie hier in Deutschland, was meine Großeltern unglaublich glücklich machte. Als Abschluss besuchte ich dann noch den Bastelclub meiner Gastoma, wo ich mit 5 älteren Frauen zusammen Grußkarten bastelte. Arizona gefiel mir so, so gut. Die Landschaft, die Vielseitigkeit, die Menschen und vor allen Dingen das Wetter, was mich mit über 108 Grad Fahrenheit (42 Grad Celsius), belohnte. Die Zeit ging viel zu schnell vorbei und schon musste ich wieder zurück nach Texas.
Die letzten Schulwochen sprinteten schon fast an mir vorbei. Ich ließ alle meine Freunde und ein paar meiner Lehrer in mein Jahrbuch schreiben, die ganze Senior-Klasse übte für die Abschlusszeremonie und das Gefühl zwischen Vorfreude auf Deutschland und Trauer, mein amerikanisches Leben hinter mir zu lassen, wurde immer stärker. Mit dem „Senior-Walk“, bei dem alle Seniors zusammen mit der Band ein letztes Mal durch die Gänge der Schule laufen, an den Seiten alle jüngeren Schüler und Lehrer, die einem Tschüß sagen, beendete ich mein Schuljahr auf meiner amerikanischen High School. Wenige Tage später war dann auch die Abschlusszeremonie, an der ich als Austauschschülerin auch mitmachen durfte. In meiner Blauen Kutte und mit den traditionellen Hüten, lief ich über die Bühne und erhielt mein Teilnahmezertifikat. Als dann alle 650 Schüler, gleichzeitig und begleitet mit dem Applaus von über 2500 Menschen, ihre Hüte hochwarfen, wurde mir schlagartig klar, dass es jetzt vorbei war.
Meine letzten 2 Wochen verbrachte ich jeden Tag mit Freunden. Ich ging ins Kino, ins Restaurant, in die Mall oder in den Beachclub aber es war fast so, als dürfte ich keine Sekunde mehr verschwenden. Meine Lieblingslehrerin, die ich sogar fast am meisten vermisse, schenkte mir 4 Tickets für NASA in Houston, wo ich mit meinen Austauschfreundinnen aus Deutschland, Italien und Tschechien zusammen hinging. Meine beste Freundin veranstaltete eine „See you soon-Party“ für mich, mit traditionellen Mexikanischem Essen und Geschenken. Am letzten Tag hatte ich dann nochmal einen halben Nervenzusammenbruch auf Grund meiner Talente für das Packen aber irgendwann war dann alles verstaut und sauber gemacht und ich war mehr oder weniger bereit für den Abflug. Meinen Gasteltern schenkte ich eine Bildercollage, Süßigkeiten und anderen Kleinkram und bedankte mich persönlich sowie in einem Brief für alles, was sie für mich getan hatten. Wenige Wochen vorher hatten sie mir einen Koffer, gefüllt mit einem Handtuch, einem T-Shirt und einer Leinwand auf dem wir 3 zu sehen waren, geschenkt. An dem Morgen meines Abfluges, kamen 3 meiner besten Freunde vorbei und wir aßen Donuts und Kolachess in der Einfahrt auf der Ladefläche eines Trucks. Und dann ging es los…
Ich wollte meine Gasmutter noch zum Umdrehen überreden aber ehe ich mich versah saß ich schon im Flieger zurück. Dort las ich dann auch mein Jahrbuch, das ich vorher nicht einmal aufgemacht hatte. Zu lesen, was meine Freunde dort hinein geschrieben haben, war überwältigend und es war sogar so schlimm, dass meine Sitznachbarn fragten ob bei mir alles okay sei. Die Liebe und Freundschaft, die in diesen Texten steckt, übertrifft alle die harten Zeiten und negativen Sachen, die ich erlebt habe. Bis jetzt, fast 1 Monat nach meiner Ankunft, habe ich es immer noch nicht geschafft, mir die Texte noch einmal durchzulesen.
Der Flug war ein Mix aus Trauer, meine Freunde verlassen zu haben und Freude, nach Hause zu kommen. Der Moment, durch die Türen im Flughafen zu kommen und meine ganze Familie mit einem riesen Banner und Plakaten zu sehen, war unglaublich. 10 Monate lang hatte ich mir diesen Moment ausgemalt. Die ersten Tage in Deutschland waren aufregend. Alle wiederzusehen, in meinem eigenen Bett zu schlafen, einfach wieder zurück zu sein, war ein gutes Gefühl.
Doch schon bald setzte der umgedrehte Kulturschock ein. Die deutsche Direktheit empfand ich als total unverschämt, Deutsch klang so kratzig und harsch, der Jetlag machte mir zu schaffen und ich vermisste Amerika. Bei der Frage „Wie war denn dein Trip?“ oder „Wie war’s?“ wäre ich am liebsten in die Luft gegangen und allgemein fühlte ich mich nicht so, als könnte irgendjemand verstehen, was dieses Jahr mit mir, meinen Vorstellungen und meinem Kopf gemacht hat. Alles war so gleich geblieben. Meine Freunde schlugen sich immer noch mit den gleichen Problemen herum, sie machten immer noch das Gleiche und sahen auch noch gleich aus. Bei meiner Familie war es genauso. Zu Hause roch es immer noch wie vorher und überall wo ich hinkam, sah es auch noch genauso aus wie vor einem Jahr. Ich fühlte mich, als wäre auf Stop gedrückt worden als ich gefahren bin und auf Play, als ich wiederkam. Das einzige was sich so sehr verändert hatte war ich.
Und jetzt, einen Monat später, vermisse ich es immer noch. Jeden Tag. Ich vermisse meine Freunde, sie nicht jeden Tag zu sehen, ich vermisse meine Gasteltern, meine geliebten Quesadillas, meine Hunde und das Wetter. Ich vermisse es Englisch zu reden und die Ausländerin zu sein. Es ist immer noch so, dass niemand richtig versteht, was ein Auslandsjahr eigentlich mit einem macht. Es sind die vielen kleinen Erlebnisse die dich verändern und dafür sorgen, dass du einfach nicht mehr die Person bist, die du vor deiner Abreise warst.
Ich bereue es keine Sekunde, mich für ein Auslandsjahr entschieden zu haben und empfehle es auch jedem weiter. Es ist nicht das beste Jahr deines Lebens und du wirst an deine Grenzen gebracht und du wirst auch daran zweifeln ob du nicht lieber nach Hause fahren solltest aber es ist alles wert. Die Erfahrungen die du machst und die Erlebnisse die du hast, wirst du niemals vergessen und du lernst. Oh Mann, du lernst einfach so viel, jeden Tag.
Ich bin nicht mehr die Gleiche, die ich noch vor 10 Monaten war. Ich bin fast süchtig danach, neue Leute kennenzulernen und neue Orte zu sehen. Ich wechsle die Schule und ziehe um, weil ich Veränderung brauche. Ich fühle mich, als passe ich nicht mehr in mein altes Leben, das vor meinem Auslandsjahr, rein und das ich hier, in Deutschland, nie wieder 100% zu Hause sein werde. Ich habe einfach zu viel erlebt, gesehen und gemacht. Mein Auslandsjahr war kein „Trip“, oder ein Erlebnis, was man mit einem Satz auf die Frage „Wie war’s?“ beantworten kann. Es war so viel mehr und hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Und niemand hier zu Hause wird jemals richtig verstehen, weil sie einfach nie in der Situation waren, aber alles was mir bleibt sind Freunde am anderen Ende der Welt, Fotos an meiner Wand, Erinnerungen in meinem Kopf und der Gedanke „wie glücklich ich sein kann, etwas zu haben, was mir das Tschüss sagen so schwer gemacht hat.“