- WELTBÜRGER-Stifter: YFU
- Programm: Schüleraustausch
- Land: Uruguay
- Dauer: 10 Monate
- Name: Leonie
Am 14. August hieß es für mich Abschied nehmen von meiner Familie. Von meiner besten Freundin hatte ich mich am Tag davor schon verabschiedet. Bis zum Abschied von meiner Familie hatte ich bei keinem einzigen Abschied geweint, denn es war alles unreal. Angefangen zu realisieren, dass ich für elf Monate in einem mir unbekanntem Land leben werde, habe ich im Auto auf dem Weg zum Flughafen Frankfurt am Main. Von dort aus startete meine Erfahrung Auslandsjahr. Mit einer anderen Austauschschülerin hatte ich mich an der Kofferabgabe verabredet. Von da an wollten wir zusammen weitergehen. Vorher hatten wir nur ein paar Mal über Facebook geschrieben, denn wir hatten zwei verschiedene Vorbereitungstagungen besucht. Unsere Reise führte uns noch ein ganzes Stück zusammen weiter bis in die gleiche Stadt in Uruguay in der wir jetzt leben. Bis heute sehen wir uns regelmäßig und sind froh die andere zu kennen.
Am Flughafen trafen langsam die anderen Austauschschüler ein. Es war schön bekannte Gesichter wieder zu sehen und neue kennen zu lernen. Die zwei Flüge verliefen bis auf ein paar Turbulenzen kurz vor Brasilien gut. Jeder hat versucht so gut es eben ging zu schlafen. Bei mir waren es am Ende vielleicht zwei Stunden Schlaf. Der Schlafmangel machte sich nicht weiter bemerkbar, denn meine Aufregung war zu groß. Da ich bei unserem letzten Flug am Fenster saß, konnte ich die Landschaft Uruguays anschauen und beim Landeanflug die Hauptstadt Montevideo genauer von oben betrachten. Aus dem Flugzeug ausgestiegen, ging es direkt weiter zum Zoll. Dort sagte uns unsere Flugbegleiterin von YFU, dass wir jegliche Papiere bereithalren sollen. Es brach allgemeine Hektik aus, die letztenendes unnötig war, denn es wurde nur ein Fingerabdruck genommen und geschaut ob das Foto im Reisepass mit unserem Gesicht übereinstimme. Anschließend ging es zum Kofferband. Glücklicherweise ging kein Koffer verloren. Nachdem jeder seinen Koffer hatte, ging es zur letzten Kofferkontrolle und Richtung Ausgang. Am Ausgang wurden wir von den YFU- Mitarbeitern und ein paar Voluntarios mit einem Plakar empfangen. Außerdem warteten schon die Austauschschüler aus den anderen Ländern auf uns.
Und dann ging es es vor die Tür. Ich habe irgendein besonderes Gefühl erwartet, aber meine ersten Gedanken bestanden aus: „So anders sieht es hier aber jetzt nicht aus“ und „für Winter ist es ganz schön warm“. Die nächsten Eindruecke folgten auf dem Weg ins Camp. Wir hatten zwei Orientation days mit 41 Austauschschülern und einigen Leuten von YFU. In dem Camp wurden noch einmal Themen der Vorbereitungstagung angesprochen, da die Vorbereitungstagungen in den unterschiedlichen Ländern unterschiedlich lang waren. Es wurde sehr viel geredet und die ein oder andere neue Freundschaft geschlossen. Nach den zwei Tagen hieß es auf nach Montevideo zum Busbahnhof alle Austauschschüler in ihren richtigen Bus setzen. Meine Weiterreise dauerte nur zwei Stunden. Da ich so aufgeregt war meine neue Familie kennen zu lernen, habe ich die andere Austauschschülerin ganz schön zugelabert. Aus dem Bus ausgestiegen wurde ich typisch uruguayisch mit einem Beso auf die rechte Wange begrüßt. Ich gehörte direkt dazu. Empfangen wurde ich von meiner Gastmama, Gastschwester, ihrem Freund und ihrer besten Freundin. Danach ging es zu Fuß in Richtung neues Zuhause. Nach gut sieben Minuten waren wir schließlich da. Im Wohnzimmer hing ein großes „Willkommen Leonie“ – Schild. Anschließend wurden mir alle Räume gezeigt und es gab Abendessen. Vor Aufregung und Erschöpfung der letzten Tage konnte ich kaum etwas essen. Ich bin ziemlich direkt ins Bett gegangen und sofort eingeschlafen. Ein Jetlag hatte ich nicht. Meine Müdigkeit kam von zu wenig Schlaf in den letzten Tagen und den vielen neuen Eindrücken. Den nächsten Tag hatte ich noch so etwas wie Eingewöhnungszeit. Endlich hatte ich Zeit gefunden alles gesehene ein wenig zu verarbeiten.
Am Dienstag hieß es auf in die Schule, welche eine katholische Privatschule ist. Zusammen mit der anderen deutschen Austauschschülerin kam ich in die 5. Klasse, welche unserer 11. Klasse entspricht. Wir waren eine sehr kleine Klasse. Insgesamt waren wir 10 Schüler, was auch für diese Schule nicht gerade groß ist. Da wir beide kaum spanisch konnten, war die Kommunikation ein bisschen schwieriger. Einer aus unserer Klasse konnte Englisch und so haben wir auf Englisch geredet und er durfte es immer übersetzen. In den ersten Tagen waren wir zwei Austauschschüler das Highlight an der Schule. Am ersten Tag hatte unsere neue Klasse die ersten zwei Stunden ausfall, also hat uns eine Schülerin, die englisch konnte, die Schule gezeigt. Sie ist übersichtlich und nicht gerade groß. Wir haben vielen Menschen einen Beso auf die rechte Wange gegeben und viele Namen gesagt bekommen. Von den Namen blieben vielleicht so ein oder zwei hängen. Es lag nicht nur daran, dass es viele Namen waren, sondern auch daran, dass die Namen sich von den uns bekannten Namen unterscheiden. In den ersten Tagen wirkten sie kompliziert. Jetzt nach drei Monaten sind sie normal geworden. Manchmal frage ich nochmal nach wie der Name ist, denn teilweise sind sie immer noch komisch und manchmal wird auch gerne genuschelt. Das ist hier eine Eigenart, die viele beherrschen, und mich als Sprachanfänger teilweise nerven. Am Anfang habe ich eine handvoll Wörter gekonnt. Sprachlich habe ich mich definitiv weiterentwickelt, was ich auch dem Sprachkurs meiner Organisation zu verdanken habe. Verstehen tue ich fast alles. Sprechen fällt mir schwerer, aber auch das wird so langsam. Das wichtigste ist viel zu sprechen. Es ist nicht nur wichtig zum Sprachelernen, sondern es ist auch wichtig um ordentliche Beziehungen zu der Gastfamilie und zu Freunden aufzubauen.
Nach der Schule gab es Mittagessen und danch habe ich in den ersten Wochen Mittagsschlaf gehalten. Es ist anstrengend kaum etwas zu verstehen und in den ersten Wochen habe ich jeden Tag unterbewusst gelernt. Ich habe spanisch gelernt und aufgenommen wie das Leben hier gelebt wird. Da ich in der Schule nichts verstanden habe, habe ich angefangen Spanisch im Unterricht zu lernen. Das hat mir viel gebracht und ich saß nicht nur rum. Unter der Woche bin ich abends mit der anderen Austauschschülerin zum Tanzen gegangen. An den Wochenenden habe ich Zeit mit meiner Gastfamilie verbracht. Sie haben mir einen Park in der Nähe meiner Stadt gezeigt und an einem Tag sind wir zu zwei berühmten Strandstädten gefahren. Es war schön ein bisschen was von Uruguay gezeigt zu bekommen. Da diese Familie mich nur für die ersten paar Wochen aufgenommen hat, habe ich die Gastfamilie gewechselt. Die ersten Tage waren schwer für mich, denn es ist nicht einfach sich schnell an ein neues Umfeld zu gewöhnen, vorallem wenn die Familie anders ist als davor. Mittlerweile habe ich mich eingelebt. Es gibt zwar ab und zu Differenzen, aber nachdem wir geredet haben, sind diese beseitigt. Mir ist aufgefallen, dass es keine perfekte Familie gibt und kleine Streits zum Familienleben dazugehören und die Beziehung zu einander sogar stärken können, wenn danach geredet wird und wirklich alles geklärt wurde.
Die Schule habe ich nicht sofort gewechselt, auch wenn meine Gastgeschwister auf eine andere Schule gingen. Erst ein paar Wochen später habe ich diese auch gewechselt, aber der Grund war, dass die andere Austauschschülerin und ich dauernd deutsch geredet haben und wir alles zu zweit gemacht haben. Zweideutsche Austauschschüler mit einmal sind auch für sehr nette, herzliche und offenen Uruguayos nicht einfach. Die Hemmschwelle auf uns zu zugehen war wesentlich höher. Der Schulwechsel war eine sehr gute Entscheidung, denn meine neue Klasse hat mich gut aufgenommen, auch wenn anfangs über mich gelacht wurde, weil ich manchmal eine Frage falsch verstanden habe. Ich habe danach immer verstanden, wenn sie das anderen Leuten oder Lehrer erzählt haben und das war für mich lustig, weil sie dachten, dass ich kaum spanisch verstehe. Aber wie gesagt verstehen ist einfacher als reden. Direkt vom ersten Tag an hat mich eine große Gruppe von Mädchen in ihre Obhut genommen. Mit ihnen habe ich die Pausen verbracht. Manchmal habe ich mit ihnen geredet und sie haben meine Pronunziation gelobt. So hat das Reden noch mehr Spaß gemacht. Während der Schulzeit sich mit ihnen zu verabreden war schwierig, denn es standen die großen Klassenarbeiten bevor. Sogar ich musste ein paar mitschreiben in Englisch natürlich, in Biologie, Geschichte, Mathe und Literatur, welches unserem Fach Deutsch entspricht. In den Fächern Geografie, Soziologie, welches Sozialkunde änehlt, Ciudadana, welches wie Wirtschaft und Recht ist und Filosofie musste ich glücklicherweise nicht mitschreiben. Mehr Unterrichtsstunden gibt es nicht.
Mir gefällt an dem Schulsystem Uruguays, dass jeder Schüler in einer bestimmten Klasse sein Profil wählen kann. Es gibt Naturwissenschaften, Theater und Humanistico, welches viel mit den Menschen zu tun hat. Ich bin in dem Zweig Humanisitco. Es gab Fächer die einfach waren und dann Fächer wo viele Fachbegriffe benutzt wurden bzw man auch noch verstehen musste was uns beigebracht wurde. Das einzige Fach, was für mich bis zum letzten Schultag unverständlich blieb, war Filosofie. In den anderen Fächern konnte ich teilweise dem Unterricht folgen und in manchen habe ich alles verstanden. Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist anders. Sie ist herzlicher. Im Unterricht wird auch gerne mal über ein ganz anderes Thema mit dem Lehrer geredet. Bei manchen Lehrern war es sogar erlaubt während des Unterrichts aus dem Raum zu gehen um zu telefonieren. Es ist normal einfach aufzustehen zum Mülleimer zu gehen oder den Platz zu wechseln. Bis heute habe ich nicht verstanden, ob jeder einen festen Sitzplatz hat, denn ich saß zwar immer in einer bestimmten Ecke des Raumes, aber auf unterschiedlichen Plãtzen. Im Unterricht wurde viel von den Lehrern diktiert oder musste selbst Zuhause erarbeitet werden. Der Unterricht war eher frontal und es gab nur in einzelnen Fächern ab und zu so etwas wie Gruppenarbeit. Es gab auch Tage an denen die Lehrer nicht aufgetaucht sind oder wir Ausfall hatten und die Schüler das wussten, aber ich nicht. Ich war dann immer demensprechend verwirrt. Woher sie wussten, dass der Unterricht nicht stattfindet, weiß ich nicht. Schule ist hier anders als in Deutschland und es hat mir viel mehr Spaß gemacht hinzugehen. Es war immer lustig mit meiner Klasse. Die Atmosphäre ist eine ganz andere, die.mir bessser gefällt als die in Deutschland.
Nach der Schule bin ich anfangs weiterhin zum Tanzen gegangen, aber nach zwei Monaten ist mir aufgefallen, dass es ganz schön teuer ist. Also habe ich aufgehört. Desweiteren bestand mein Alltag nach der Schule aus nach Hause kommen und Mittagessen. Danach wurde die Küche aufgeräumt und meine Gasteltern haben Mittagsschlaf gehalten. In der Zeit habe ich auf meinem Bett rumgelegen und mit Freunden aus Deutschland geschrieben bzw einfach abgeschaltet. Zwei mal die Woche geht es zum Spanischkurs, der mir mir Spaß macht. Er ist nicht nur lehrreich. Ich bekomme die Grammatik beigebracht, aber auch das Reden stand im Vordergrund. Aschließend war Kaffeetrinkenszeit, welche so gegen 17:30- 19:00Uhr oder manchmal sogar später sein kann. Dann habe ich mich irgendwie selbstbeschäftigt oder war mit meiner Gastmama einkaufen für das Abendbrot oder habe etwas anderes getan. Gegen 22:00 Uhr gibt es immer Abendessen und gegen 00:00 geht es dann ins Bett manchmal später und manchmal früher.
Mit meinen Gastgeschwistern komme ich gut zurecht. Wir verstehen uns. Gemeinsame Familienaktivitäten wie ich es aus Deutschland gewohnt bin, find nur sehr selten statt. Ich finde das schade und merke auch wie es mir fehlt. Erst langsam habe ich begriffen das in meiner Familie das gemeinsam etwas tun die Religion ist.
Seit drei Wochen habe ich nun schon Sommerferien. Meine Sommerferien werden vier Monate lang gehen. Ich habe nicht viel zu tun. An zwei Tagen in der Woche gehe ich zum spanisch Kurs und ansonsten treffe ich mich ab und zu mit Freunden, was mir gut tut und immer Spaß macht. In kleineren Gruppen von bis zu drei Leuten fällt mir das Reden leichter. Wenn es mehr Menschen sind, bin ich froh, wenn ich die komplette Konversation verstehe und auch ein zwei Mal etwas sagen kann. Wie genau ich meine restlichen Sommerferien überstehen werde, weiß ich noch nicht so genau. Jetzt steht ersteinmal die erste Reise von meiner Organisation an. Ich freue mich richtig darauf die anderen Austauschschüler wieder zu sehen und mich mit ihnen aus zu tauschen.
Mein Fazit nach den ersten drei Monaten ist, dass ich die Menschen hier sehr ins Herz geschlossen habe., denn sie sind sympatisch, herzlich und möchten dir immer helfen, auch wenn sie nicht wissen wie. Sie versuchen es trotzdem. Es herrscht eine Grundfröhlichkeit in Uruguay und das ist schön. Die Atmosphäre ist eine andere als in Deutschland. Die ersten Monate sind nicht leicht, denn man muss sich ersteinmal an alles Neue gewöhnen. Ab und zu kommt das Heimweh nach meiner Familie in Deutschland hoch, aber diese Zeit habe ich bis jetzt immer gut überstanden. Ich finde das Heimweh zeigt wie lieb man seine Familie in Deutschland gewonnen hat und wie wichtig sie einem sind. Jetzt Blicke ich nach Vorne und freue mich auf die Sachen, die mir hier noch passieren werden.
Fernweh? JuBi!
Das nächste große Ereignis nach dem ersten Erfahrungsbericht war Anfang Dezember eine Reise mit YFU. Sie hieß La Paloma, aber gewohnt haben wir in La Pedrera, was in der Nähe liegt. Diese Reise war wunderbar, auch wenn es die ersten zwei Tage geregnet hat und die Gemüter dementsprechend gedrückt waren. Das Programm war recht gut. Es war nicht zu viel und nicht zu wenig. Es blieb immer Zeit, um sich mit den anderen Austauschschülern auszutauschen. Es gab diesbezüglich eine Regel. Sie lautete: nur Spanisch sprechen! Ich hab es versucht, aber das ein oder andere Mal war es einfacher und schöner, in seiner Muttersprache zu reden. Diese Reise tat sehr gut. Das Austauschen und Wissen, nicht die Einzige mit Problemen zu sein. Alle haben irgendwie Probleme. Es ist ganz normal. Bei mir war es nämlich so, dass sich in den Tagen vor der Reise die Lage zugespitzt hat und es kurz vor dem Familienwechsel stand. Es hatte auch ein Gespräch mit der Betreuerin von YFU vor Ort mit meiner Gastfamilie stattgefunden, aber ich war ziemlich unproduktiv. Am Ende wurde entschieden, dass ich in der Woche, wo ich verreist bin, darüber nachdenke, was ich meiner Gastfamilie sagen möchte und sie denken darüber nach, ob sie mich behalten wollen. Vor Abreise habe ich ihnen schon alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich wollte nicht gedankenüberlastet verreisen. Wie schon erwähnt wurde viel geredet. Ich habe mit der ein oder anderen Person geredet unter anderem mit meiner Ansprechpartnerin von YFU, die auch an der Reise teilgenommen hatte. Sie sagte mir, dass meine Familie möchte, dass ich wechsel. Für mich war das ok. Ich kann schlecht sagen: Nein, die müssen mich behalten. Außerdem hielt ich es auch für die richtige Lösung. Die Zeit mit den anderen Austauschschülern habe ich in vollen Zügen genossen, denn mir war von Vornherein klar, dass wieder in der Familie zurück alles schwerer sein würde. Genau das ist eingetroffen. Es ist mir zu persönlich die ganze genaue Geschichte zu erzählen, aber in den letzten Tagen bei ihnen ging es mir nicht gut und sie haben leider so getan, als ob ich alleine die Entscheidung getroffen habe zu wechseln, was ja überhaupt nicht der Fall war.
Vor der Reise habe ich einen Regelverstoß begangen. Ich bin ohne Erlaubnis zu der anderen Austauschschülerin gegangen, weil es mir nach einer weiteren “Unterhaltung“ nicht gut ging und ich einfach nur weg wollte. Deswegen wurde ich ins YFU-Büro eingeladen. Dort habe ich viel mit einer Mitarbeiterin geredet. Mir wurde eine zweite Chance gegeben. Dafür musste ich einen Zettel schreiben mit den Dingen, die ich nicht mehr machen darf und die ich ändern will. Es fiel mir schwer dies alles aufzuschreiben, aber mir hat es gut getan, auch der so genannte “Tritt in den Hintern“. Bis heute bin ich sehr dankbar für meine zweite Chance. Ich habe auch nicht vor, frühzeitig nach Deutschland zurückzukehren. An diesem Tag wurde mir auch mitgeteilt von ihnen, dass es erst einmal eine Übergangsfamilie gäbe, die bereit wäre, mich für eine gewisse Zeit aufzunehmen. Des weiteren sollte ich mich entscheiden, ob ich noch vor Weihnachten wechseln möchte, aber ich würde über Weihnachten in eine andere Übergangsfamilie kommen nur über die Weihnachtszeit. Mir war das lieber so. Irgendetwas hat sich in mir zusammengezogen bei dem Gednken daran, Weihnachten in der jetzigen Gastfamilie zu verbringen. Sie haben mir gesagt, dass sie sich um alles kümmern werden und mir dann bescheid sagen. Zwei Tage vor Weihnachten kam immer noch nichts von ihnen und ich fühlte mich vergessen. Um mich ein wenig abzulenken, habe ich mich mit einer Handvoll Freunden verabredet. Genau an diesem Abend haben sie mich angerufen und mir gesagt, dass ich am nächsten Morgen bitte im Büro bin mit all meinen Sachen und sie mich von dort in die neue Gastfamilie bringen. Sie haben mir auch gesagt, dass ich meiner jetzigen Gastfamilie alles sagen müsste, denn sie seien nicht erreichbar. Ich solle es bitte auf nette Art und Weise machen und mich bei ihnen noch einmal für alles bedanken und einen schönen letzten Abend mit ihnen verbringen.
Leicht gedrückt habe ich mich ziemlich direkt zu ihnen begeben und es versucht ordentlich über die Bühne zu bringen. Es hat an sich funktioniert, aber der Abend war schrecklich. Meine Geschwister sind mit Absicht alle zu Freunden gegangen und von der Gastmama durfte ich mir anhören was für eine schlechte Person ich war. An diesem Abend habe ich so viel geweint wie schon lange nicht mehr. Ich war geschafft und sehr erleichtert zu wissen, am nächsten Morgen nicht mehr dort zu sein.
Der Bus nach Montevideo war für mich eine große Erleichterung. Da der YFU- Mitarbeiter, der mich zu meiner neuen Gastfamilie begleiten sollte, noch nicht da war, durfte ich den Stadteil Ciudad Vieja, in dem sich das Büro befindet, erkunden. Es tat gut. Ich bin auf andere Gedanken gekommen und haben einen schönen Stadteil Montevideos kennen gelernt.
Im Taxi ging es mit dem YFU- Mitarbeiter in Richtung neue Familie auf Zeit. Wir haben uns gut unterhalten und standen erst in der falschen Straße in der es die Hausnummer der Familie nicht gab. Es war erst einmal doof, aber als wir feststellten, dass wir nur in der falschen Straße waren, war es lustig. Froh, mich unterhalten zu können und nicht in Gedankenvorstellungen über die neue Gastfamilie zu versinken, war ich ziemlich am plappern. Angekommen, wurden wir von einer Frau begrüßt, die ich sofort mochte. Sie hat mich an Zuhause erinnert. Der erste Eindruck vom Haus und den anderen Familienmitgliedern hat mich zum Strahlen gebracht. Ich fühlte mich gleich wohl, weil alles ein bisschen Hippie war, denn genauso bin ich auch. Es ist ein Teil von mir den ich in den letzten Monaten nicht richtig ausleben konnte. Das ist mir bei ihnen bewusst geworden und deswegen das Grinsen. Dem Mitarbeiter von YFU ist mein Grinsen auch aufgefallen und hat gemeint: Du strahlst ja richtig hier.
Ja, und es hat in der ganzen Zeit, die ich in dieser wunderbaren Familie verbracht habe, nicht aufgehört. Ich wurde so oft von ihnen umarmt, ich hatte einen eigenen Haustürschlüssel, ich durfte tun und lassen was ich wollte. Wir hatten ein tolles unperfektes Weihnachtsfest zusammen. In der Zeit habe ich meine Familie in Deutschland nicht vermisst. Unser “Weihnachtsbaum“ war ein Busch im Hinterhof mit Lichterkette geschmückt. Es gab Asado und es war noch der Opa da, ansonsten Gasteltern und Gastschwester und Gastbruder. Wir haben viel zusammen geredet und gelacht. Es war eine tolle Zeit an die ich mich gerne zurückerinnere. Am Weihnachtsabend kam die berühmte Fragerunde. Mir wurden so viele Fragen gestellt und gefühlt hat es nicht aufgehört, auch weil mein Gastbruder die ganze Zeit weitere Fragen gestellt hat. Gab es eine kurze Pause ohne Fragen, lag es nur daran, dass er sich eine neue überlegte. Am nächsten Tag waren wir bei einem Teil der Familie väterlicherseits zum Mittagessen. Es wurden wieder viele Fragen gestellt und ich habe sie beantwortet. Da einige Menschen anwesend waren, musste ich die ein oder andere Frage mehrmals beantworten, was auf Dauer leicht nervig war. Schlimmer war es dann abends, als ein Teil der Familie mütterlicherseits zum Asado kam, denn dort wurden wieder Fragen gestellt. Es sind immer die gleichen. Meine Gastgeschwister und ich haben manchmal lachen müssen, weil ich eine Frage schon so oft beantwortet habe. Es war eine schöne Zeit mit ihnen. Da ich mich abends im Kreis der Familie wohlgefühlt habe, kam dann auch das Heimweh. Am Ende des Abends als wir aufgeräumten, haben mich meine Gasteltern gefragt wie ich es fand. Ich hab ohne ehrlich gesagt, dass es mir gut gefallen hat und deswegen ein bisschen Heimweh aufgekommen ist. Wir haben kurz drüber geredet und dann war alles gut. Zum Gute Nacht wünschen haben sie mich nochmal ganz doll umarmt, was mir gut tat.
Die kurze Zeit, die ich bei ihnen verbracht habe, hat mir mein Selbstvertrauen wieder gebracht. Ich habe immer noch Kontakt mit ihnen, denn sie sind tolle Menschen. Sie haben mich sogar in meine neue Gastfamilie gebracht zusammen mit dem YFU Mitarbeiter, denn sie sind befreundete Familien, was daran liegt, dass die Gastschwestern beste Freundinnen sind. Mich bei ihnen einzuleben viel mir wesentlich schwerer. Ich weiss bis heute nicht wieso genau, aber ich habe es versucht und kann stolz zurückblicken, denn ich habe es geschafft, mich bei ihnen einzuleben. Wir sind am Ende ziemlich gut zurechtgekommen. Silvester haben wir im Haus der Gastoma am Strand in einer kleinen familiären Runde mit Asado verbracht. Es war schön. Wir hatten Nachbarn, die aus Argentinien kamen und in den USA wohnen, wir waren also ziemlich international. Bei dem Thema international fällt mir ein, dass sie die erste Familie waren, die mit meiner deutschen Familie geskypt hat. Es war ziemlich komisch, aber im positiven Sinne. Einen Tag habe ich mit meiner Gastschwester die Gastfamilie von davor besucht bzw mehr die Gastschwester. Wir sind zu ihnen nach Hause und für mich war es wie nach Hause zurückkehren. Ich hab es meinem ehemaligem Gastpapa auch gesagt. Er fand das schön und wir haben uns wie immer ziemlich lange unterhalten. Ich hab mit der gesamten Familie einen guten Draht und konnte immer mit allen viel reden, was bei mir selten ist, denn es liegt mir nicht viel zu reden. Da die in dem Moment jetzige Gastfamilie ziemlich ruhig war, habe ich nicht viel geredet. Meistens habe ich mich mit der Haushaltshilfe unterhalten. Hier haben Familien, die etwas wohlhabender sind eine Haushaltshilfe. Für mich war es ungewohnt, aber für mich war sie die gute Seele des Hauses. Anschließend gab es keine Informationen von YFU, wo ich als nächstes hinkomme. Am letzten Tag haben wir angerufen und es wurde uns gesagt, dass ein extra Treffen stattfindet und sie dort beschliessen wo ich hingehe bis sich eine Familie fürs Jahr gefunden hat. Es war ein ziemlich bedrückendes Gefühl. Mir hat dann der YFU Mitarbeiter, der mich immer in Montevideo zu den Gastfamilien begleitet hat und meine Ansprechperson bei Problemen war, geschrieben, dass ich für die nächsten Tage bei ihm wohnen werde. Seine Familie bestand aus seinen Eltern und seinem kleinen Bruder. Ich war gerne bei ihnen und habe mich gut aufgehobene gefühlt. In der Zeit bei ihnen ging es mir nicht so toll wegen den ganzen Wechseln. Ich habe das Gespräch gesucht und mit meiner Gastmama und dem “YFU Mitarbeiter“ gesprochen. Er hat mir vorher extra gesagt, dass er in dem Gespräch mit mir als Person dieser Familie redet und nicht als Mitarbeiter, was mir wichtig war, denn ich dachte ich müsste mich unter anderem super bei ihnen verhalten, weil es stärker kontrolliert wird als vorher. Damit lag ich vollkommen falsch. Es war ihnen nur wichtig, dass ich mich wohlfühle, rede und aus mir rauskomme, was funktioniert hat. Dieses Gespräch hat mich aufgebaut und Mut gemacht das Auslandsjahr weiter zu machen, denn der Gedanke, dass ich das Problem bin, weil es keine Gastfamilie für das ganze Jahr gab, trat häufig auf. Sie haben auch diesen verkleinert. Ich bin ihnen so dankbar für alles, was sie mir auf meinen weiteren Weg gegeben haben. Ohne sie wäre ich nicht an dem jetzigen Punkt gekommen. Generell bin ich allen Menschen, denen ich hier in Uruguay aber auch in Deutschland begegnet bin, dankbar, denn sie sind ein Teil von mir, da sie mein Ich ein bisschen geformt haben.
Nach sechs Tagen wurde mir mitgeteilt, dass es eine Gastfamilie für das restliche Jahr gefunden wurde. Sie hatten vorher schon zwei Austauschschülerinen gehabt und dieses Jahr auch einen Austauschschüler, der aber wegen Problemen gewechselt hat. Ich hatte anfangs ein wenig bedenken, weil sie schon so viele Erfahrungen mit Austauschschülern haben. Letzten Endes aber ist es bis heute nicht schlimm. Manchmal höre ich eine lustige Anekdote von den anderen, aber mehr auch nicht. Sie vergleichen mich nicht mit ihnen. Das finde ich sehr gut. Ich habe mich sehr zügig bei ihnen eingelebt und freue mich auf die restliche Zeit, die mir mit ihnen bleibt. Ich werde sie in vollen Zügen genießen.
Besos de Uruguay Leonie