- WELTBÜRGER-Stifter: GLS
- Programm: Schüleraustausch
- Land: Kanada
- Dauer: 10 Monate
- Name: Sarah
Seit einem Monat wohne ich jetzt schon in North Vancouver an der Westküste Kanadas und besuche dort die Handsworth Secondary School. Ich wohne bei Serah, meiner Gastmutter. Sie ist Klavierlehrerin und unterrichtet bei sich zu Hause. Meine Gastbrüder, Matt und Justin, sind 22 und 18 Jahre alt und wohnen nicht mehr zu Hause, kommen jedoch oft zu Besuch. Serah hat eine Katze, sie heißt „Snuggles“ und ist wirklich sehr süß. Meine erste Woche in Kanada war besonders aufregend und spannend. Alle meine Erlebnisse habe ich in meinem Tagebuch festgehalten und möchte sie euch jetzt erzählen:
Samstag, 1. September
Morgens um 5 Uhr stehen wir auf und kommen nach drei Stunden Fahrt um 10 Uhr am Frankfurter Flughafen an. Seit gestern streikt die Lufthansa und es erwartet uns eine lange Schlange am Check-In Schalter. Zum Abschied nehmen bleibt danach nicht mehr viel Zeit, da ich mich wieder in eine weitere lange Schlange vor der Pass- und Sicherheitskontrolle einreihen muss. Beim Warten erkenne ich meine Familie noch eine Zeit lang, doch dann bin ich plötzlich alleine zwischen den vielen wartenden Leuten. Ich fange an zu zweifeln, ob ich mein Handgepäck vorschriftsmäßig gepackt habe und ob ich meinen Geigenkoffer zusätzlich zum Rucksack überhaupt mitnehmen darf. Streng genommen ist er nämlich als Handgepäck zu groß und zwei Handgepäckstücke sind außerdem gar nicht erlaubt. Doch meine Bedenken verfliegen, während ich an der Reihe bin und mir ein sehr netter Beamter hilft, mein Handgepäck auf das Förderband zur Gepäckkontrolle zu legen. Am Gate treffe ich einige andere Teenager, die auch mit GLS nach Kanada zum Schüleraustausch reisen und so vergeht die Zeit des Wartens recht schnell. Mit einem Shuttle-Bus fahren wir zum Flugzeug und starten, wegen einer gesperrten Startbahn mit fünfzig Minuten Verspätung.
Nach 9 Stunden und 40 Minuten, zwei Stunden Schlaf und drei Filmen landen wir schließlich in Vancouver. Der Flughafen ist sehr schön gestaltet, mit Brunnen, künstlichen Flüssen, Brücken, Pflanzen und Holzfiguren. Wir durchqueren die Passkontrolle, holen unseren Koffer vom Gepäckband ab und besorgen uns das Visum. Zum Glück ist das alles überhaupt kein Problem. In der Eingangshalle werden wir sehr herzlich von einem Taxi-Unternehmen empfangen und unser Betreuer der kanadischen Austauschorganisation ist auch schon da. Wir unterhalten uns mit ihm, während wir noch auf ein paar andere Schüler warten. Schließlich ist es soweit und ich werde zusammen mit drei anderen Austauschschülern zu unseren Gastfamilien gebracht. Ich bin richtig gespannt auf die erste Begegnung mit meiner Gastmutter, bei der ich die nächsten 10 Monate wohnen darf. Serah begrüßt mich ganz herzlich und zeigt mir gleich mein Zimmer und das Bad. Mein Zimmer ist sehr schön und durch die vielen Fenster sehr hell. Die Aussicht ist wunderbar! Auf der einen Seite sehe ich die Berge auf der anderen die Skyline von Vancouver. Noch während ich die Aussicht genieße, klingelt es an der Tür und der Taxifahrer kommt noch einmal vorbei um mir freundlicherweise meine Geige zu bringen, die ich im Taxi liegen gelassen habe. Nachdem ich meine Sachen ausgepackt habe, gibt es Dinner zusammen mit Serahs Schwester Katia, die gerade zu Besuch ist. Danach packt Serah noch die Gastgeschenke aus, die ich mitgebracht habe. Sie freut sich sehr über den Bildband von meiner Heimatstadt und über das selbst gestaltete Foto-Memory. Bevor ich ins Bett gehe, schreibe ich noch eine E-Mail als Lebenszeichen an meine Eltern.
Sonntag, 2. September
Heute hat Katia Geburtstag. Ich wache erst um halb zehn auf und gehe dann gleich nach unten um zu frühstücken. Es gibt Porridge, einen sehr leckeren Haferbrei mit Nüssen, Rosinen, und Früchten. Katia verabschiedet sich und geht ein wenig zum Shoppen in die beiden nahe gelegenen Einkaufszentren gehen. Ich checke meine E-Mails und gehe gegen Mittag mit Serah einkaufen. Sie zeigt mir eine Bank, wo ich Geld abheben kann und einen Laden, wo ich mir meine Busfahrkarte für September kaufe. Anschließend gehen wir noch in einen Gemüse- und Obstladen, in eine Konditorei und in einen Bioladen, um einige Geschenke für Katia und Serahs Mutter zu kaufen. Zum Lunch essen wir einen Sandwich und eine asiatische Nudelsuppe, die uns allerdings beiden zu scharf ist.
Am Nachmittag spiele ich ein wenig Geige und Klavier. Serah hat drei Klaviere in ihrer Wohnung stehen. Um herauszufinden, welches mir davon wohl am besten gefällt, probiere ich sie nacheinander alle aus. Ich entscheide mich für das älteste mit dem wärmsten Ton und einem sehr weichen Anschlag. Es gefällt mir sehr gut, trotzdem muss ich mich erst einmal daran gewöhnen.
Danach gehe ich noch spazieren und erkunde die nähere Umgebung. Ich schlendere die Lonsdale Avenue, die Einkaufsstraße, entlang und finde viele schöne Bildmotive, die ich auf vielen Fotos festhalte. Es gibt dort viele Geschäfte und kurz vor Ladenschluss kaufe ich mir noch schnell eine Karte von Vancouver und Umgebung; sie ist wirklich sehr nützlich und in den ersten Wochen habe ich sie überall mit dabei. Schließlich erreiche ich den Fjord direkt an der Anlegestelle des Seabus. Die Fähre verbindet North Vancouver mit Vancouver Downtown. Von einem langen Steg aus bewundere ich die schöne Skyline von Vancouver.
Als ich wieder zu Hause ankomme, treffe ich Matt und Justin, die zu Besuch gekommen sind. Sie sind sehr begeistert von den Füllfederhaltern und Tintenpatronen, die ich ihnen mitgebracht habe. Am besten finden sie, dass diese Stifte „recycelbar“ sind und sie die Tinte nachfüllen können. Zusammen essen wir Dinner und feiern Katias Geburtstag mit Sahnetorte, Wassermelone und Heidelbeeren als Nachtisch. Abends zeigt mir Matt noch den Schulweg und die richtigen Bushaltestellen. Er kennt sich sehr gut aus, da er dieselbe Schule besucht hat. Mit der Zeitverschiebung habe ich keine Probleme, konnte ich doch im Flugzeug immerhin etwas und in meiner ersten Nacht in Kanada wirklich lange schlafen.
Montag, 3. September
Heute bin ich früh aufgestanden und habe meine E-Mails gecheckt, bevor ich nach unten gehe und Porridge frühstücke. Vormittags übe ich Klavier. Nach dem Lunch zusammen mit Serah und Katia mache ich mich auf den Weg um meine neue Busfahrkarte auszuprobieren. Mit der Nummer 229 fahre ich zum Lonsdale Quay, einem Einkaufszentrum direkt am Fjord mit vielen kleinen Läden. Ich mache viele Fotos bevor ich hineingehe und mich in den kleinen Läden umschaue.
Es werden Spezialitäten aus verschiedenen Ländern angeboten: Sushi, Chinese Food, Belgian Chocolate. Es gibt eine kleine Bäckerei, in der man Sandwiches probieren darf, einen Süßigkeitenladen, ein italienisches Restaurant und eine Konditorei. Ich kaufe mir einen „Snowball“, das ist ein kleiner Schokoladenkuchen in Form einer Kugel mit Kokosraspeln bestreut. Den Snowball esse ich am Fjord und höre mir dazu die südamerikanische Musik eines Straßenmusikers an. Anschließend fahre ich mit dem Bus nach Hause. Abends helfe ich Katia beim Fenster putzen, dann gibt es Chicken, Reis und Gemüse zum Dinner.
Dienstag, 4. September
Heute bin ich nachmittags zum ersten Mal in der Schule. Die Lehrerin, die die internationalen Schüler betreut, erklärt uns in Kürze alles Wichtige, sagt uns die Nummern unserer Homerooms und zeigt uns dann die Räume. Gleich danach fahre ich mit einigen anderen Internationals zum School District Meeting. Dort bekommen wir noch einige wichtige Unterlagen und wieder viele neue Informationen.
Mittwoch, 5. September
Heute ist mein erster Schultag in Kanada! Bei mir stehen PE (Sport), Textiles (Nähen), Mathematik und Englisch auf dem Stundenplan. In jedem Fach schauen wir uns die Themen an, stellen uns vor, besprechen, was wir alles besorgen müssen und bekommen die Klassenraumregeln, um sie von unseren Eltern unterschreiben zu lassen… Doch jedes Mal andere Schüler, Lehrer und Räume; echt anstrengend. In Mathematik schreiben wir noch ein Wiederholungsquiz. Das war echt einfach, deshalb werde ich wahrscheinlich in einen höheren Kurs wechseln. In Englisch müssen wir ein Essay mit 300 Wörtern schreiben, damit uns die Lehrerin einschätzen kann. Nachtmittags bringe ich noch meinen Reisepass zum School District Büro, da ich ihn am Dienstag vergessen habe und gehe danach zur Lonsdale Avenue, um mir schon mal die wichtigsten Schulsachen zu besorgen. Ich brauche nämlich neues Papier und einen Ordner, da das Papier ein anderes Format hat und mit drei Löchern gelocht wird.
Donnerstag, 6. September
Heute kommen noch vier weitere neue Fächer dazu: Science, Business, Social Studies und Arts. Business gefällt mir überhaupt nicht, aber Social Studies und Science sind echt toll. Am Nachmittag haben wir Arts, wir sollen ein Buch zeichnen, dass vor uns auf dem Tisch liegt. Ich stelle schnell fest, dass das gar nicht so einfach ist. Als Hausaufgabe sollen wir einen Stuhl und etwas Kreatives in unser neues Sketchbook zeichnen. Nach der Schule gehe ich zu Mrs. Jecks, um über meinen Stundenplan zu sprechen, da ich außer Englisch und Socials kein Fach habe, welches ich gewählt habe. Sie sagt, dass sie meine E-Mail nicht mehr finden kann, ich meinen Stundenplan jedoch noch ein wenig ändern kann, sodass ich einige meiner Wunschfächer bekomme. Wir können auf jeden Fall schon einmal Textiles durch Strings Senior ersetzen, weshalb ich jedoch in einen anderen Sportkurs wechseln muss. Direkt nach der Schule fahre ich zum Park Royal, besorge mir ein paar neue Sportschuhe und einige weitere Sachen für die Schule.
Freitag, 7. September
In der ersten Schulstunde haben wir wieder Mathe. Es ist total einfach und langweilig. Wir machen Exponentialrechnungen und bekommen noch ein Arbeitsblatt als Hausaufgabe. In PE treffe ich ein Mädchen aus Korea, sie wohnt schon ein Jahr lang mit ihrer Gastfamilie in Kanada, hat aber die Schule gewechselt und ist auch neu an Handsworth. Wir müssen uns einige Runden warm laufen und dann spielen wir Frisbee. Am Ende der Stunde spielen wir Ultimate, das ist Frisbee als Mannschaftssport und das macht richtig Spaß. Danach habe ich zum ersten Mal Strings. Mr. Kabok und die Schüler im Orchester sind total nett und begrüßen mich sehr herzlich. Wir spielen ein Stück von Vivaldi. Zufällig erfahre ich von einem Mädchen im Orchester von dem Outdoor Club Meeting, dass heute in der Pause stattfinden soll. Das Mädchen will mir nach der Probe den Weg zeigen, doch leider verlieren wir uns aus den Augen. Zum Glück kann mir die Sekretärin weiterhelfen und mir sagen, zu welchem Raum ich muss. So finde ich schließlich mit Hilfe eines Lageplans der Schule doch noch zum Outdoor Club Meeting und komme nur wenig zu spät. Geplant wird für das nächste Wochenende eine 3-tägige Hiking Tour im Garibaldi Provincial Park. Übernachten wollen wir in Zelten am Garibaldi Lake, einem Gletschersee. Hoffentlich kann ich mitmachen, das wird bestimmt aufregend. Nachmittags habe ich dann noch Englisch. Wir lesen das Buch: „To kill a Mockingbird“ und bekommen ein Menge Hausaufgaben dazu auf.
Samstag, 8. September
Heute morgen skype ich das erste Mal seit meiner Abreise mit meinen Eltern und Geschwistern in Deutschland und mache danach noch ein paar Hausaufgaben, bevor ich mich nach dem Lunch um drei Uhr mit Laura an einer Bushaltestelle treffe. Wir entscheiden uns spontan, Downtown zu erkunden. Zuerst fahren wir mit dem Bus zum Lonsdale Quay, dann mit dem Seabus nach Vancouver und dort mit der Skyline in die Robson Street, eine große Einkaufstraße im Zentrum der Stadt. Wir bummeln ein wenig umher, schauen uns die Library, ein beeindruckendes Gebäude an, schießen jede Menge Fotos und beobachten die Fans, wie sie gerade von einem Spiel aus dem Stadion kommen. Zum Abschluss gehen wir dann noch nach Gastown. Dort ist alles wunderschön mit Pflanzen geschmückt und die bekannte Steam Clock raucht, als wir sie fotografieren.
Meine erste Woche in Kanada war noch viel schöner und aufregender als ich sie mir vorgestellt habe. Wenn die nächsten 42 Wochen auch so schön werden, wird mein Austauschjahr ein voller Erfolg.
Weihnachten in Kanada
Schon seit Anfang November steht ein geschmückter Weihnachtsbaum in unserer Schulbücherei, in den Läden wurde Haloweenschmuck durch Weihnachtsschmuck ersetzt und die Häuser, Einkaufsstraßen und Shoppingmalls sind mit bunten Lichtern und leuchtenden Tannenkränzen geschmückt. Besonders beliebt sind rot-blau-grün-gelbe Lichterketten und leuchtende Eiszapfen, doch Adventskränze sind nicht weit verbreitet.
Seit fast vier Monaten lebe ich jetzt schon in North Vancouver und besuche dort die 10. Klasse an der Handsworth Secondary School. Jeden Mittwoch nach der Schule treffe ich mich mit dem North Shore Celtic Ensemble zur Probe. Wir sind dreizehn Schülerinnen und Schüler und spielen Geige. Mein Geigenlehrer leitet das Ensemble und übt mit uns verschiedene keltische Melodien und Lieder. Spielen wir auf der Geige schnelle und dynamische Folkmusik, bezeichnen wir das Instrument nicht mehr als „violin“ sondern“ nennen es „fiddle“. Nachdem ich viele Jahre ausschließlich klassische Musik gespielt habe, bekomme ich jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit eine mir völlig neue Musikstilrichtung kennenzulernen, was mir sehr viel Spaß macht. Wir lernen die Stücke nur durch Hören und ohne jegliche Notenblätter. Auch diese Methode ist neu für mich und am Anfang nicht ganz einfach. Doch inzwischen fällt es mir immer leichter. Jetzt in der Vorweihnachtszeit proben wir besonders intensiv und geben viele Konzerte. Wir sind eine tolle Gemeinschaft und haben dabei richtig viel Spaß. Im November fuhren wir für zwei Tage nach Bowen Island, eine kleine Insel, die in kurzer Zeit mit der Fähre von Vancouver aus zu erreichen ist. Dort übernachteten wir bei den Eltern zweier Mitglieder unseres Ensembles und nahmen am nächsten Tag an einem Benefizkonzert in der örtlichen Kirche teil. Die Einnahmen kommen einem Trinkwasserprojekt in Afrika zu Gute. Highlights im selben Monat waren unsere zwei Konzerte in großen Theatern, richtig professionell und mit viel Publikum. Zwischendurch spielten wir Unterhaltungsmusik auf einem Filmfestival und im Dezember folgte dann ein Weihnachtskonzert im West Vancouver Community Center. Auch mit dem Schulorchester gaben wir eine Reihe von Konzerten: Eines, bei dem alle Streichorchester, die mein Lehrer unterrichtet, auftraten und schließlich noch das große Winter Zone Music Concert, bei dem alle Ensembles unserer Schule vorspielten. Das Publikum saß an kleinen runden Tischen und aß Plätzchen während wir spielten. Wie gut, dass es so gemütlich war, denn die gesamte Aufführung dauerte vier Stunden! Schließlich musizierte ich noch in der letzten Schulwoche mit einigen anderen Orchestermitgliedern auf einem Grundschul-Weihnachtskonzert.
Auf unserem Hausberg, dem Grouse Mountain, beginnt jetzt die Wintersportsaison: die ersten Lifte sind offen, die Pisten planiert und ich hole mein Snowboard aus meinem Zimmer und genieße die Nachmittage mit Freunden im Schnee. Ein guter Trost für den Dauerregen in der Stadt! Die Anfahrt zur Talstation dauert mit dem Bus nur eine halbe Stunde und zehn Minuten später bin ich schon mit der Gondel an der Bergstation angekommen. Dort gibt es ein Restaurant, eine Eisfläche zum Schlittschuh laufen und sogar ein Theater. Nach und nach werden immer mehr Lifte geöffnet und zum Anfang der Winterferien ist das ganze Skigebiet mit fünf Liften, sechsundzwanzig Pisten und zwei bis drei Metern Schnee voll in Betrieb. Das macht sich auch an der Anzahl der Besucher bemerkbar. Plötzlich bilden sich Schlangen an den Liften, die Tische im Restaurant sind größtenteils belegt und Autos füllen den Parkplatz an der Talstation. Nach dem Snowboarden genieße ich es, mit Freunden ins Chalet zu gehen und eine Holzofenpizza oder einen leckeren „beaver tail“ zu essen. Das ist ein länglicher, in Fett ausgebackener Krapfen, ähnlich dem Lángos. Meistens gibt es ihn mit einem süßen Belag, mir schmeckt er mit Nutella am Besten. Mit einer Talstation auf 274 m ist die Talabfahrt leider nicht möglich und so fahren wir mit der Gondel auch wieder herunter. Zwischen Hausaufgaben und Geige üben gehe ich oft noch nach der Schule Snowboarden, denn vierzehn Pisten sind beleuchtet und auch abends geöffnet.
Es sind jetzt nur noch zwei Wochen bis zu den Ferien und wir fangen in Sport die Christmas Dance Unit an. Zusammen mit den drei anderen Sportklassen, die zur gleichen Zeit Unterricht haben, üben wir verschiedene Tänze. Am Ende jeder Stunde werden die zwei besten jeder Klasse mit Urkunde und Candy Cane als „Dancer of the Day“ ausgezeichnet. Zuerst lernen wir Line Dance, dann Circle Dance und zum Abschluss Square Dance. Einen Reihentanz kannte ich schon von meinem Tanzkurs letztes Jahr und diesen variieren wir nun leicht. Doch Circle und Square Dance sind mir ganz neu. Beim Circle Dance steht die ganze Gruppe in Paaren im Kreis und während dem Tanzen wird der Partner getauscht. Das erinnert ein bisschen an Ringelreihen oder Volkstänze. Square Dance hingegen wird mit vier Paaren in Form eines Quadrats getanzt. Die meisten meiner Klassenkameraden kennen die Tänze noch von den letzten Jahren. Doch da auch eine achte Klasse bei uns mitmacht, werden alle Tänze Schritt für Schritt gezeigt und sind sehr einfach zu lernen. Diese Dance Unit in Sport gefällt mir trotz vieler Überraschungen (einmal haben wir zum Abschluss Ententanz getanzt) besonders gut und ich lerne viele neue Tänze.
Die letzten zwei Schultage vor den Ferien sind sehr entspannt. Fast jeder Lehrer hat sich etwas Besonderes für seine letzte Unterrichtsstunde ausgedacht. Science ist besonders aufregend, denn wir dürfen im Klassenzimmer nebenan bei einigen Experimenten zuschauen, für die extra besondere Materialien, wie zum Beispiel festes Kohlenstoffdioxid (Trockeneis) und flüssiger Stickstoff angeschafft wurden. Ballons mit Wasserstoff werden angezündet, Magnesium verbrannt, Rosen in flüssigen Stickstoff getaucht und zerschlagen und zum Schluss schauen wir bei einer Explosion auf dem Schulhof zu. In Textiles schaffe ich es gerade noch vor Schulende meine Pyjamahosen fertig zu nähen, um sie für die Weihnachtsferien mit nach Hause zu nehmen. Sie sind richtig gut geworden und gefallen mir viel besser als der Rock den wir davor genäht haben.
Das Haus habe ich mit meiner Gastmutter schon vor einiger Zeit geschmückt. Auf dem Fenstersims liegen Tannenzweige, eine weihnachtliche Tischdecke, Servietten und Kerzen schmücken den Tisch und ein roter Weihnachtsstern steht am Fenster. Zusammen mit meinem Gastbruder stelle ich den Weihnachtsbaum auf und behänge ihn mit einigen goldenen Weihnachtskugeln, den beliebten rot-blau-grün-gelben Lichtern und den schwedischen Strohanhängern, die meine Gastoma (sie kommt aus Schweden) selber gebastelt hat. Wir haben sogar noch eine beleuchtbare getöpferte Winterlandschaft in der Abstellkammer gefunden, im Wohnzimmer aufgebaut und liebevoll mit Schnee (dafür haben wir Watte benutzt) dekoriert.
Am dreiundzwanzigsten Dezember kommt die ganze Verwandtschaft meiner Gastmutter zu Besuch: ihre Mutter, ihre Schwester und ihre beiden Söhne. Meine Gastoma kann wunderbar kochen und bringt jede Menge Essen mit. Vor ihrer Ankunft räumte meine Gastmutter den Kühlschrank extra sprichwörtlich leer. Zum Abendessen testen wir schon einmal einige der Leckereien. Es gibt verschiedene Sorten Brot, Avocado, Eier, gekochten Schinken, rote Beete, leckeren Käse, Mayonnaise, Kaschmir und Cranberry-Apfel Saft. Abends sitzen wir noch lange zusammen und unterhalten uns.
Heute ist Weihnachten und aufgrund der schwedischen Wurzeln meiner Gastfamilie werden wir am Heiligabend die Bescherung haben. In anderen Familien scheint es ganz verschieden zu sein, die meisten Familien feiern jedoch erst morgens am fünfundzwanzigsten. Am Nachmittag kommt der Vater meiner Gastbrüder zu Besuch und es gibt leckere Kekse. Unter dem Tannenbaum haben sich inzwischen viele Geschenke angesammelt, Kerzen werden angezündet und zum Abendessen gibt es Rotkraut, Braunkraut, Kartoffelauflauf, gebackenen Schinken mit Preiselbeeren und das Beste: selbst gemachte schwedische Fleischklößchen. Bevor Geschenke ausgepackt werden liest meine Gasttante wie jedes Jahr die ursprüngliche Geschichte vom Wichtel Tomte, dem schwedischen Weihnachtsmann vor (in Deutsch auch bekannt als Tomte Tummetott). Es ist schön zuzuhören und die Bilder anzuschauen, auch wenn ich schwedisch nicht wirklich verstehen kann. Da meine Gastmutter die einzige ist, die schwedisch super versteht, fassen sie den Inhalt auf Englisch zusammen. Ich bekomme viele schöne und überraschende Weihnachtsgeschenke. Einiges ist typisch kanadisch, jedoch bekomme ich auch japanisches Origamipapier und sogar eine kleine selbstgemachte schwedische Tomte-Puppe von meiner Gastoma. Abends essen wir den traditionellen Milchbrei mit Früchten. Der Geschichte nach wird eine Schüssel mit Milchbrei für Tomte als Stärkung vor die Tür gestellt. Noch lange sitzen wir zusammen, ich spiele Weihnachtslieder auf der Geige und mein Gastbruder und meine Gastmutter begleiten mich auf dem Klavier.
Fernweh? JuBi!
Am ersten Weihnachtstag verbringen wir viel Zeit mit der Familie zu Hause. Wir schlafen aus, essen leckeres Weihnachtsessen, ich falte ein wenig Origami und abends spiele ich mit meinen Gastbrüdern noch sehr lange Monopoly. Viele kanadische Familien machen Stockings. Das sind die Socken, die am Kamin aufgehängt werden und dann am Morgen mit Geschenken gefüllt sind. Am Boxing Day, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, fährt unser Besuch wieder nach Hause und nachmittags gehe ich noch mit Freunden shoppen. Fast alles ist bis auf die Hälfte reduziert, vor allem die Weihnachtssachen werden radikal heruntergesetzt, riesige Schlangen bilden sich vor den Kassen und im Einkaufszentrum wird man von den vielen Menschen fast umgerempelt. Unzählige Leute sind schon seit sieben Uhr morgens shoppen, um die besten Schnäppchen zu ergattern.
Die Weihnachtszeit in Kanada war für mich besonders faszinierend. Ich habe kanadische aber auch schwedische Traditionen kennen gelernt und miterleben können. Meine Gastfamilie hat mich sehr gut integriert. Mit ihnen schöne Weihnachten zu feiern war mein größtes Geschenk. Und auch die vielen Nachmittage und Wochenende, die ich mit meinen Freunden musizierend oder auf dem Berg beim Snowboarden verbracht habe waren tolle Erlebnisse. Vier Monate bin ich jetzt schon in Vancouver und die Zeit vergeht nun immer schneller. Ich freue mich auf die nächsten sechs Monate um weitere tolle Erfahrungen zu sammeln.
Die Handsworth Secondary School im Vergleich zu meiner deutschen Schule
So ganz kann ich es immer noch nicht glauben: Seit zwei Tagen lebe ich wieder mit meiner Familie in Heidenheim, Deutschland. Wie schnell doch die zehn Monate in Kanada vergangen sind! Alles kommt mir noch vor als wäre es gestern gerade erst passiert: Meine Ankunft am Flughafen in Vancouver, meine ersten Tage und Erlebnisse mit meiner Gastmutter und natürlich mein erster, aufregender Schultag. Alles war so neu und anders! So viele neue Gesichter und Klassenzimmer, andere Stundenpläne und Fächer, und dann auch noch alles auf Englisch. Das war am Anfang schon überwältigend und es hat eine Weile gedauert, bis ich meinen Weg sicher durchs Schulhaus gefunden habe. Es gab Ähnlichkeiten verglichen mit meiner Schule in Deutschland, dem Werkgymnasium Heidenheim, aber auch deutliche Unterschiede im Unterricht, den außerschulischen Aktivitäten, der Organisation und den besonderen Angeboten. Ich möchte euch davon gerne etwas mehr erzählen, um euch einen Eindruck zu vermitteln wie es ist, für zehn Monate in Kanada zur Schule zu gehen.
Schon der Aufbau des Schulsystems in Kanada unterscheidet sich grundlegend. Während ich in Deutschland zuerst vier Jahre lang die Grundschule besucht habe und anschließend auf eine weiterführende Schule wechselte, besucht ein Schüler in Kanada zuerst die Elementary School für sieben Jahre und wechselt dann erst in der achten Klasse auf eine weiterführende Secondary School. Außerdem ist in Kanada das Gesamtschulprinzip verbreitet. Das heißt, dass alle Schüler die gleiche Art der weiterführenden Schule besuchen und nicht wie in Deutschland je nach Niveau eine andere Ausbildung erhalten. Doch die Länge der Schulausbildung dauert für den normalen Schüler an Handsworth, genauso lange wie am Werkgymnasium, nämlich 12 Jahre. Weiterführende Schulen sind in Kanada deutlich größer als in Deutschland. So besuchen am Werkgymnasium, zum Beispiel, rund 800 Schüler die Klassenstufen fünf bis zwölf. An Handsworth jedoch besuchen gut 1500 Schüler die Klassenstufen acht bis zwölf. Dadurch ist natürlich auch die Anzahl der Schüler in jeder einzelnen Klassenstufe an Handsworth, mit ungefähr 250, deutlich höher als am Werkgymnasium, wo nur ungefähr 90 Schüler meine Klassenstufe besuchen. Deshalb wurde alles an Handsworth auch etwas anders organisiert. Da es keine wirklichen Klassen gab, wurden die Schüler einer Klassenstufe alphabetisch verschiedenen Lehrern und Räumen zugeordnet. Wann immer es etwas zu verteilen, organisieren oder abzugeben gab, musste jeder Schüler seinen „Home Room“ aufsuchen. Außerdem hatte jeder Schüler sein eigenes Schließfach. Diese gab es an den Wänden fast aller Gänge und sie hatten diese typische längliche Form mit den witzigen runden Zahlenschlösser. Sie sind deutlich größer, als die im Werkgymnasium und beim ersten Mal auch deutlich schwieriger zu öffnen. Aber wenn man es mal raus gefunden hat, ist es eigentlich ganz einfach und hat den Vorteil, dass man den Schlüssel nicht verlieren kann.
In Deutschland war ich es gewohnt, an die fünfzehn verschiedenen Fächer pro Woche zu besuchen. Außerdem hatte ich, abgesehen von Fremdsprache und Profil nicht viele Wahlmöglichkeiten. Während meines Jahres in North Vancouver hatte ich dann jedoch genau acht Fächer. Dabei hatte ich beim Wählen ziemlich viel Freiheit, wobei ich genauso wie alle anderen Schüler auch die fünf Pflichtfächer Mathe, Englisch, Geschichte, Naturwissenschaften und Sport besuchen wollte. Zusätzlich konnte ich dann noch aus einer wirklich großen Auswahl von Wahlfächern wie zum Beispiel Kochen, Nähen, Zeichnen und Malen, Töpfern, Holzbearbeitung, Orchester usw. drei weitere auswählen. Interessant fand ich es auch, dass ich genau wie jeder andere den gleichen Stundenplan hatte. Meine Fächer wurden dazu auf einer Liste den Zahlen eins bis acht zugeordnet und entsprechend konnte ich dann mit Hilfe des allgemeinen Stundenplans, der nur aus diesen Zahlen bestand, meinen persönlichen Stundenplan aufstellen. Dadurch, dass ich Nebenfächer wie Sport und Kunst genauso oft pro Woche hatte, wie Mathematik, fand ich Mathematik eher einfach, Kunst jedoch hatte ein sehr hohes Niveau. Das kanadische Schulsystem ermöglichte es mir, verschiedene Fächer auch in verschiedenen Klassenstufen zu besuchen und so wechselte ich für Mathematik in Klassenstufe zwölf, blieb aber für alle anderen Fächer ganz normal in Klassenstufe zehn.
Nicht nur die Notengebung sondern ebenfalls der Ablauf des Schuljahrs unterscheidet sich an Handsworth grundlegend vom Werkgymnasium. Das Schuljahr ist in drei „terms“ anstelle von zwei Halbjahren aufgeteilt und die Noten werden in Prozent vergeben. Hundert Prozent sind volle Punktzahl und mit weniger als fünfzig Prozent fällt man durch. Den verschiedenen Prozentzahlen werden dann jeweils noch die Noten A bis F zugeteilt, wobei A wiederum die Beste ist.
In Kanada sind Ganztagsschulen sehr üblich. An Handsworth fing der Unterricht immer um acht Uhr dreißig an und endete um drei Uhr nachmittags. Wir hatten eine einstündige Mittagspause und ansonsten immer fünf Minuten Zeit, um unser Klassenzimmer zu wechseln. Zum Lunch habe ich von zu Hause, genauso wie die meisten anderen Schüler ein Pausenbrot mitgenommen, da in Kanada das warme Gericht üblicherweise sowieso abends gegessen wird. Es gab jedoch auch die Möglichkeit das Essen in der bereitgestellten Mikrowelle aufzuwärmen oder kleinere Gerichte, Snacks und Sandwichs in der Cafeteria zu kaufen.
Die Schule in Kanada war der Mittelpunkt des ganzen Schulalltags und so wurden auch viele Sportarten und -teams, wie zum Beispiel Basketball, Volleyball, Schwimmen, Fußball, Football und Ultimate von der Schule aus angeboten. Bei einigen war es sehr schwierig ins Team aufgenommen zu werden, da Schüler, die diese Sportart auch außerschulisch schon seit vielen Jahren spielten, einen klaren Vorteil bei den Tryouts hatten. Doch bei anderen Sportarten war es andererseits wiederum deutlich einfacher aufgenommen zu werden und manchmal gab es überhaupt keine Tryouts. Die Sportarten wurden auf die drei Seasons Herbst, Winter und Frühling aufgeteilt. Ich habe im Herbst beim Schwimmen mitgemacht und trainierte dabei zweimal pro Woche vor der Schule. Im Winter war ich im Snowboardteam. Wir sind zweimal für einen Tagestrip nach Whistler, das Skigebiet der Olympischen Winterspiele 2010 gefahren. Dort haben wir am ersten Tag in Kursen trainiert und am zweiten Tag bei einem Wettrennen teilgenommen. Wir hatten richtig viel Spaß und es war eine klasse Möglichkeit für mich auch einmal in dieses riesengroße Skigebiet zu kommen. Im Frühling habe ich dann noch bei den Tryouts für das Ultimateteam mitgemacht und bin dann auch aufgenommen worden. Ultimate ist Frisbee als Teamsport, wird zum Spaß und deswegen auch ohne Schiedsrichter gespielt. Das wichtigste ist der Spirit und es war klasse mit dem Team zweimal pro Woche zu trainieren und zusätzlich jede Woche einmal gegen eine andere Schule im Umfeld zu spielen. An Handsworth hat mir das große Angebot von außerschulischen Aktivitäten und Sportarten sehr gut gefallen. Es gab mir die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, neue Sportarten auszuprobieren und Spaß zu haben. In meiner Schule in Deutschland wird hingegen außer ein paar Arbeitsgemeinschaften nicht viel Außerschulisches angeboten, da muss man sich dann schon im Verein anmelden.
Einmal pro Monat gab es mittwochs an Handsworth einen „Late Start“. An diesen Tagen hatten die Lehrer morgens eine Konferenz und so mussten die Schüler statt um halb neun erst um kurz vor zehn zum Unterricht kommen. Das bedeutete ausschlafen und war natürlich richtig beliebt unter den Schülern. Ich finde so etwas könnte man ruhig auch am Werkgymnasium einführen =D . Außerdem gab es besondere Thementage, wie zum Beispiel „PJ-day“, „Haloween“ und „Gold-Blue-day“ (das waren unsere Schulfarben). Dazu passend sind dann viele Leute verkleidet in die Schule gekommen. Das sah schon echt witzig aus und hat auch richtig viel Spaß gemacht. Die Schulsprecher haben außerdem noch viele andere Veranstaltungen organisiert. Im „Movember“ (wie Mustache im November) gab es einen Wettbewerb für die Jungs, sich den schönsten und kreativsten Bart wachsen zu lassen und während der Mittagspause gab es auch einmal die Möglichkeit in der Galerie Karaoke zu singen. Am „Persian New Year“ haben iranische Schüler, Lehrer und Eltern ein Fest in der Mittagspause organisiert und es war echt interessant das persische Essen zu probieren und kulturellen Tanz, Kleidung und Musik mitzuerleben. Zum Jahresende gab es von den Schülersprechern noch ein Grillfest während der Mittagspause und alle Schüler haben draußen zusammen Hot Dogs gegessen. Toll fand ich dabei das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern, denn bei all diesen Veranstaltungen haben die Lehrer natürlich genauso mitgemacht wie die Schüler. Meine Nählehrerin hat sich an Halloween als Hexe verkleidet, der Lehrer unseres Schwimmteams hat Karaoke gesungen und einige andere haben sich im November sogar einen Schnurrbart wachsen lassen.Am Schuljahres Ende hat jeder Schüler zum Abschluss ein „Yearbook“ erhalten. Darin hat die Medienkunstklasse das Bild jedes einzelnen Schülers und Lehrers, viele von den witzigen Veranstaltungen und alle Fächer und Sportteams festgehalten. Mit viel Mühe wurden die Bilder aufgenommen, arrangiert und das Cover mit dem Löwen, unserem Maskottchen und den Schulfarben designed. Nachdem meine Freunde darin unterschrieben hatten konnte ich es fast nicht mehr aus der Hand legen. War es möglich dieses ganze Schuljahr in einem Buch festzuhalten? Es war einfach fesselnd, spannend und toll, anzuschauen, was ich in diesem Jahr alles erlebt hatte aber auch traurig zu sehen, dass es bald vorbei war. Doch die tollen Erinnerungen an mein aufregendstes Schuljahr, bei dem ich so viel Spaß hatte, viele neue Freunde gefunden und ganz viele neuen Erfahrungen gesammelt habe, werde ich nie wieder vergessen.