- WELTBÜRGER-Stifter: Carl Duisberg Centren
- Programm: Schüleraustausch
- Land: USA
- Dauer: 10 Monate
- Name: Nico
Abreise und Eingewöhnung
Meine Entscheidung, ein High-School-Jahr zu machen, kam eher spontan. Im Oktober 2014 hatte ich eine Idee: Ich wollte definitiv noch vor meinem Berufsleben ein Jahr in USA verbringen. Zunächst fragte ich mich warum ich das machen möchte. Ich fühlte mich noch nicht sicher genug in der Sprache und ich wollte sie wirklich sehr gut beherrschen, da ich mir auch sehr gut vorstellen kann ein Mal in den USA zu leben. Ich war nicht schlecht, aber wollte mich einfach noch um einiges verbessern. Ich wusste, dass ich das niemals in der Schule erreichen könnte was ich mir vorstellte. Also fing ich an mir wirklich ernsthafte Gedanken über ein Auslandsjahr zu machen. Nach ein paar Wochen besprach ich das dann auch mit meinen Eltern und habe es wirklich in Betracht gezogen.
Ich war mir nur noch nicht sicher ob ich es in meiner Schulzeit machen möchte oder während meines Studiums. Schließlich dachte ich, dass wenn ich mich jetzt dagegen entscheide würde ich wahrscheinlich nie wieder die Möglichkeit haben in eine klassische Highschool zu gehen und bei einer Gastfamilie zu leben. Außerdem, wenn es mir dann so gut gefallen würde, kann ich mich später bei meinem Studium für ein weiteres Auslandsjahr /-semester entscheiden. Des Weiteren war zu der Zeit eine gute Freundin von mir in England für ein Schuljahr. Von ihr habe ich auch die Bestätigung bekommen, dass es sich lohnen wird. Also habe ich mich auf die Suche nach einer Organisation gemacht, die meine Wünsche erfüllt. Nach Internetrecherche, einigen Telefonaten und persönlichen Treffen mit verschiedenen Organisationen entschied ich mich schlussendlich für Carl Duisberg. Im Laufe des Schuljahres lernte ich Lake, einen Austauschschüler aus USA, an meiner Schule kennen. Er wurde ein guter Freund von mir und bestätigte mir, dass es eine gute Entscheidung war, mich für ein Auslandsjahr zu entscheiden.
Erst sehr spät erfuhr ich wohin es genau gehen würde. Ich war immer ziemlich entspannt darüber, dass ich noch nicht wusste wohin es geht. Viele Freunde und Lehrer fragten mich alle paar Tage wohin es denn gehen wird. Ich hatte noch keine Ahnung und von Zeit zu Zeit ist mir die Frage von anderen, wo ich mein Auslandsjahr verbringen werde, immer nerviger geworden. Erst Anfang September wurde mir gesagt, dass es nach Fort Lauderdale, Florida geht. Ich freute mich darauf und bereitete mich also darauf vor, dass es jeden Tag losgehen könnte. Nur noch die Highschool musste zusagen, dann würde es losgehen wurde mir gesagt. Nach fünf Tagen bekam ich endlich eine Antwort. Florida würde nicht klappen und so wurde ich in eine temporäre Gastfamilie in Minnesota zugeteilt. Am Anfang war ich ein bisschen enttäuscht, doch ich war trotzdem offen für die Änderung.
Einen Tag vor meiner Abreise habe ich dann von einer anderen Gastfamilie aus Minnesota eine nette E-Mail bekommen, dass sie sich freuen mich temporär aufzunehmen. Ich stieg also total verwirrt in das Flugzeug ein ohne zu wissen wer mich abholt und bei wem ich wohnen werde. Beim Umsteigen in Frankfurt rief ich Carl Duisberg an um sicherzugehen, dass ich auch abgeholt werden würde. Ich wurde dann in Duluth, Minnesota von einer sehr netten Gastfamilie, namens Beckman, abgeholt. Später erfuhr ich, dass es Probleme mit der eigentlich für mich vorgesehene Gastfamilie in Minnesota gab und ich deshalb zu einer anderen, meiner jetzigen Gastfamilie kam. Obwohl meine Gastfamilie eigentlich nur temporär vorgesehen war, wurde ziemlich schnell klar, dass es meine Gastfamilie für das ganze Jahr über sein wird. Meine Gastfamilie, die Beckmans, hatte auch nicht vor noch einen Schüler aufzunehmen und entschieden das spontan.
Ich habe drei Gastschwestern, wobei eine Schwester, Bailey (20), schon auf dem College ist und ich sie deshalb nicht sehr oft sehe. Sie ist sehr enthusiastisch und es ist immer sehr nett und lustig mit ihr, wenn ich sie sehe. Meine kleine Schwester, Delaney, ist 15 Jahre alt und bestand vor ein paar Wochen die Führerscheinprüfung, sodass sie jetzt, mit Begleitung eines 21-jährigen, Autofahren darf. Mit ihr habe ich mich am schnellsten angefreundet, da wir oft quatsch gemacht haben und sie meine Tanzpartnerin in dem Musical im Herbst war (zu dem Musical später mehr). Sie ist sehr sportlich aktiv in der Schule. Sie spielte am Anfang des Schuljahres Volleyball und momentan Basketball. Delany ist lustig, nett und ehrlich. Die mittlere Schwester, Shelby (17), ist in derselben Stufe wie ich und wird dieses Jahr die Highschool absolvieren. Shelby arbeitet oft nach der Schule an der Tankstelle in unserm Dorf. Außerdem engagiert sie sich für das Volleyballteam und das Basketballteam. Sie muss schon sehr viele Vorbereitungen für ihre zukünftige Collegezeit machen, sodass sie oft mit Aufsätzen, College Tests und Recherche über die verschiedene Colleges beschäftigt ist. Wir waren auch schon in Minneapolis, der Hauptstadt Minnesotas, und haben zwei Colleges besichtigt.
Mein Gastvater arbeitet im Casino und kümmert sich in seiner Freizeit unter anderem um seine Farm. Wir haben hier im Sommer bis zu zwanzig Kühe und drei Ziegen. Die werden jeden Morgen und Abend von meinem Gastvater gefüttert. Ich helfe im manchmal beim Umbauen von etwas oder sonstige Aufgaben, die meine Gastschwestern und -mutter nicht so gerne machen. Mit ihm unterhalte ich mich gerne auch über aktuelle Themen wie Politik, deutsche vs. amerikanische Geschichte oder Themen die mich interessieren. Meine Gastmutter arbeitet für ein Gartenunternehmen, wobei sie jetzt im Winter nicht arbeitet. Sie schaut immer, dass es mir gut geht. Wenn das mal nicht der Fall ist, dann möchte sie immer gleich eine Lösung finden, wobei es manchmal gar nicht an etwas bestimmten liegt, sondern es einfach nur ein stressiger Tag war.
Meine Gastfamilie besitzt drei hüftgroße Hunde, was hier in der Gegend ganz normal ist. Ich war noch nie ein großer Hundefan oder Hundeliebhaber und hatte deshalb am Anfang mit den Hunden auch ein Problem. Das war aber auch so ziemlich das einzige Problem, das ich hier je hatte. Ich war einfach keine Hunde gewöhnt, da ich nie mit welchen aufgewachsen bin. Besonders am Anfang wollten die Hunde die ganze Zeit an mir schnuppern und auf mich springen, da ich auch für sie neu war. Inzwischen kennen sie mich schon und ich bin nicht mehr so interessant für sie. Doch gerade am Anfang, als ich eigentlich meine Zeit brauchte mich an sie zu gewöhnen, war ich mit den Hunden total überfordert. Ich weiß nicht, ob ich Hunde überhaupt jemals mögen werde (ich habe da meine Gründe dafür), aber ich komme jetzt auf jeden Fall besser mit ihnen klar und es macht mir auch fast nichts mehr aus sie ständig in meinem Umfeld zu haben.
Die Freizeit mit meiner Gastfamilie verbringe ich meistens mit Fernsehen, Reisen und Festen. Nach einem langen Tag, am Wochenende oder freien Tagen schauen wir gerne gemeinsam Filme. Fernsehen ist hier in USA sowieso eine viel größere Sache. Der Fernseher läuft oft auch mal im Hintergrund und wir essen auch meistens vor dem Fernseher zu Abend. Eine andere Sache, die meine Familie sehr mag, ist reisen. Wir machen oft Ausflüge am Wochenende und fahren mit dem Auto in die Stadt, zu Verwandten oder ein Ort, den mir meine Gastfamilie zeigen möchte. Sie haben auch schon große Pläne gemacht, was wir in den Frühlingsferien machen werden. Sehr wahrscheinlich fahren wir nach Kalifornien mit Zwischenstopps beim Grand Canyon und zurück über Texas. Wir werden viele Zwischenstopps machen um so viel wie möglich von den USA zu sehen.
Hier in Minnesota leben die Leute sehr ländlich. Als ich mein Auslandsjahr plante hatte ich solch eine Option eigentlich ausgeschlossen, aber Lake überzeugte mich schnell, dass es gar nicht so schlimm ist. Eine Stadt mit zum Beispiel 1000 Einwohnern wird schon als sehr groß angesehen. Wir leben knapp 30 Kilometer entfernt von der Schule, was jeden Morgen einer zwanzig Minütigen Autofahrt entspricht. Die Straßen sind oft nur gerade und Kurven gibt es nur dann, wenn ein See auf der Strecke ist. Zum Glück fährt Shelby uns drei jeden Morgen zur Schule. Sonst müssten wir mit dem Schulbus, der hier übrigens viel unbequemer ist als in Deutschland, ca. 45 Minuten fahren.
Es war für mich nicht sehr schwer Freunde zu finden, da ich gleich am ersten Wochenende ein paar Jungs aus der Schule beim Campen kennenlernte, die meine Familie kannte. Diese Freunde spielten auch beim Musical mit und ich machte schon kleinere Ausflüge mit ihnen. Ich hatte auf jeden Fall schon sehr viel Spaß mit ihnen. In der Schule sind diese Freunde jedoch eine Stufe unter mir, sodass ich sie nicht so oft im Schulalltag sehe. Etwas schwieriger war es für mich, Freunde aus meiner Stufe zu finden. Schlussendlich hat das aber einfach nur etwas mehr Zeit gebraucht. Inzwischen habe ich sehr gute Freunde aus meiner Stufe gefunden, mit denen ich in selben Kursen bin, und Freunde, die ich aus dem Theater und von meiner Familie kenne.
Die Schule hier in USA ist generell etwas anders von der Schule in Deutschland. Die Schüler haben schon eine gemeinsame Stufe, belegen aber einzelne Kurse, die individuell wählbar sind. So muss zwar schon jeder eine gewisse Anzahl an Jahren Mathematik oder Englisch gehabt haben um zu absolvieren, kann sich aber viel spezifischer ausrichten und Zusatzfächer wie Fotografie und Schweißen wählen. Außerdem haben sie hier jeden Tag den gleichen Stundenplan und somit pro Tag nur bis zu sieben unterschiedliche Fächer. Von 8:15 Uhr bis 3:17 Uhr gibt es nicht wirklich Pausen. Selbst die Mittagspause ist nur 30 Minuten lang. Hausaufgaben gibt es in manchen Fächern sehr viele und in anderen gar keine. Die Highschool geht bis zur 12. Klasse und für die Abschlussschüler (Senoirs) gibt es am Ende des Schuljahres den berühmten und traditionellen Abschluss mit den Hüten, die dann in die Luft geworfen werden (so wie wir es aus den Filmen kennen).
Ich bin hier ein Senior und mache also auch den Abschluss. Mein Stundenplan besteht aus Calculus (Mathe), amerikanische Geschichte, CITS Englisch, Physik, Einführung zu Theater, einer Freistunde, Schweißen und einem sogenannten Advisory, ein fünfzehnminütiger Pflichtkurs, in dem Projekte und andere Angelegenheiten geklärt werden. Calculus ist der höchste Mathekurs in der Highschool und ist in etwa mit der zehnten und elften Klasse in einem deutschen Gymnasium zu vergleichen. Für mich ist manches Wiederholung und einiges aber auch neu und herausfordernd. Den Kurs müssen die Schüler nicht gemacht haben, um die Highschool zu absolvieren. Dafür reicht der Kurs Pre-Calculus. Amerikanische Geschichte ist für mich komplett neu, da wir ja in Deutschland nicht sehr viel über die amerikanische Geschichte lernen. Schade eigentlich.
Mein Englisch-Kurs, den ich belegt habe, ist auch nicht verpflichtend. Es geht über das Highschool-Englisch hinaus und begibt sich schon auf College Ebene, um die amerikanischen Schüler besser auf das College vorzubereiten. Es ist ein sehr herausfordernder und zeitaufwändiger Kurs, der selbst für die meisten amerikanischen Schüler schwierig ist. Meine Noten sind aber gut und ich merke wirklich sehr, wie sich mein Englisch, vor allem schriftliches Englisch, durch diesen Kurs verbessert. Allerdings ist die Schule in USA nicht nur akademisch, sondern auch sehr sportlich und musisch. Egal ob Volleyball, Basketball oder Football, das alles läuft hier über die Schule. Und trainiert wird hier nicht nur ein Mal pro Woche, sondern jeden Tag nach der Schule für ca. zwei Stunden. Spiele und Turniere gibt es natürlich auch des Öfteren und die schaue ich mir auch immer mal wieder Spiele von meinen Freunden und meiner Gastschwester an. Auch wenn ein Schüler hier ein Instrument lernen möchte, läuft das meistens über die Schule. Ganz typisch amerikanisch ist die Big Band. Hier an der Schule spielen mehr als 50 Schüler in der Band und ich habe auch schon eine Aufführung angesehen. Ich besuche hier nach der Schule das Theater. Wir hatten im Herbst eine Musicalproduktion und starten noch vor den Winterferien die nächste Produktion, in der ich dieses Mal nicht mitspiele, sondern die Technik übernehme. Das macht mir genau so viel Spaß wie Theaterspielen.
Neben all dem, war natürlich auch ein großer Grund für das Auslandsjahr der Fortschritt in der englischen Sprache. Anfangs konzentriere ich mich sehr darauf, dass ich mich gut verständigen kann und mein Wortschatz ausreicht um das auszudrücken, was ich sagen wollte. Englisch ist die Sprache, die wir in Deutschland gleich als erstes lernen und uns daher auch am vertrautesten erscheint. Und es ist vielleicht auch nicht schwer, im Englischunterricht in Deutschland ein paar Sätze zu sagen, jedoch ist ein Auslandsjahr eine Herausforderung, vor allem anfangs. Mir kam mein Englisch anfangs doch etwas mickrig vor, im Gegensatz zu dem der Amerikaner. Natürlich ist das auch deren Muttersprache, doch es lag vielmehr daran, da ich es gar nicht gewöhnt war, mich in jeder Situation in Englisch auszudrücken. Ich müsste erst mal in den Lauf der Sprache hineinkommen, um mir nicht mehr so viele Gedanken über alles Mögliche zu machen. Gerade in den ersten zwei bis drei Monaten machte ich mir sehr viele Gedanken wie ich etwas sage, weil ich wollte, dass es grammatikalisch richtig ist und gut klingt. Doch von Zeit zu Zeit wird das einfacher und ich erwische mich immer häufiger, wie ich plötzlich in einer Diskussion oder einem tiefgründigen Gespräch mit jemandem bin und gar nicht mehr wirklich über meine Wortwahl nachdenke.
Ich hatte auch in Deutschland nie Probleme, mich in englisch zu verständigen, doch um ein richtig gutes Gespräch zu führen braucht es eben doch etwas mehr als das Schulenglisch. Erst mit Erfahrung war ich im Stande, ein Gespräch zu führen in dem die Sätze grammatikalisch richtig sind ohne jedes Mal darüber nachzudenken und die richtige Wortwahl zu treffen. Neue Wörter lerne ich hier fast automatisch. Entweder verstehe ich etwas nicht auf Anhieb und frage nach, suche für ein Wort und schau es im Handy nach oder lerne ein neues Wort, das ich aus dem Zusammenhang erschließen kann. Doch ich bin auch immer wieder überrascht, an was für Wörter ich mich noch vom Vokabellernen aus Deutschland erinnere. Manchmal denke ich, ich weiß nicht wie ich etwas sagen soll, fange aber trotzdem den Satz an und ergänze dann fast wie von alleine das fehlende Wort. Dann frage ich mich danach woher ich das Wort kenne und wundere mich darüber. Englisch machte mir schon immer Spaß, aber inzwischen liebe ich es. Auch ist mir aufgefallen, dass ich inzwischen nicht mehr so darauf achte, dass ich mich ausdrücken kann, sondern eher wie es klingt. Ich versuche meine Aussprache zu verbessern, indem ich die Wörter so ausspreche, dass ich nicht nur verstanden werde, sondern dass es auch normal klingt. Manchmal weiß ich nicht auf Anhieb, ob ich ein Adjektiv oder Adverb verwenden soll.
Gerade für Deutsche ist es manchmal schwierig, Adjektiv und Adverb zu unterscheiden, da es bei uns von der Schreibweise oft kein Unterschied gibt. Vor allem das Richtige in einem Gespräche zu verwenden, ohne groß darüber nach zu denken, ist schwierig. Aber auch das wird immer besser beim mir. Oft merke ich dann erst sofort danach, dass ich etwas verwechselt oder falsch ausgesprochen habe. In meinem College English Kurs verbessere ich mein schriftliches Englisch in so vielen Details, die mir sonst wahrscheinlich nie aufgefallen wären. Ich bin froh, sagen zu können, dass ich nichts bereue. Mein Auslandsjahr lohnt sich in jeder Hinsicht und ich freue mich, dass es noch lange nicht vorbei ist. Ich werde auch weiterhin noch mein Englisch verbessern und auch in Zukunft noch viel Spaß mit meiner Gastfamilie und meinen amerikanischen Freunden haben.
Leben in den USA
Nun sind es schon fast sieben Monate, die ich mit meiner Gastfamilie in Minnesota zusammenlebe und hier zur Highschool gehe. Viele Probleme, die am Anfang kritisch waren, haben sich gelöst. Situationen, die vor sechs Monaten noch schwierig für mich zu bewältigen waren, kann ich inzwischen besser meistern. In diesem Bericht möchte ich nicht nur meine Erfahrungen und Erlebnisse mitteilen, sondern auch ein Leben hier in Minnesota mit meinem alten Leben in Deutschland vergleichen.
Im Januar und Februar gab es ein Projekt namens „One Act“, an dem ich teilgenommen habe. Es war ein Theaterprojekt, bei dem wir innerhalb fünf Wochen ein 30 minütiges Theaterstück auf die Beine gestellt haben und dann zu Wettbewerben gefahren sind. An diesen Wettbewerben führte jede Gruppe ihr Stück vor und drei Juroren beurteilten die Aufführung. Alle Gruppen, die auf zwei Wettbewerben gewonnen hatten, trafen sich in Minneapolis, der Hauptstadt von Minnesota. Auch unsere Gruppe gehörte dazu. Wir gewannen beide Wettbewerbe mit dem ersten Platz. In Minneapolis wurden alle Theaterstücke noch ein Mal vor großem Publikum vorgeführt. Ich war für die Technik verantwortlich. Sowohl Licht als auch Ton (Soundeffekte, Musik) habe ich vorbereitet und live auf den verschiedenen Bühnen eingesetzt. Von März bis Mai gibt es ein neues Theaterprojekt. Ich mache wieder die Technik, weil mir das sehr Spaß macht. Dieses Mal werden wir ein Comedy Stück aufführen. Zudem bin ich neuerdings der Baseball Manager. Meine Freunde, die Baseball spielen, konnten mich erfolgreich überreden. Allerdings muss ich nicht zu jedem Training gehen, da ich nicht der Coach und kein Spieler bin. Viel wichtiger ist, dass ich zu all den Spielen komme und das Team dort unterstütze.
Minnesota ist bekannt für den sehr kalten Winter. Alle meinten, dass es diesen Winter nicht sehr kalt war. Aber trotzdem kalt genug für mich. Vor allem im Januar hatten wir wochenlang unter -20°C. Manchmal sogar bis zu -35°C. So kalte Temperaturen hatte ich zuvor noch nie erlebt. Doch die Leute hier machen sich einen Spaß aus dem Winter. Aufgrund der Kälte sind alle Seen hier so fest zugefroren, dass wir sogar mit dem Auto darauf fahren konnten. Und das machen die Leute hier, um zu Fischen auf dem Eis. Ich war mit meinen Freunden Eisfischen und habe am zweiten Tag einen Fisch gefangen. Sehr vergnüglich finde ich Eisfischen nicht. Es kann aber schon ganz lustig sein, wenn Gesellschaft vorhanden ist. Zudem war ich ein Mal Snowmobilen. Wir sind hauptsächlich auf Waldwegen und Seen gefahren und hatten viel Spaß. Das war ein Erlebnis, das ich noch nie zuvor hatte. Natürlich gibt es hier auch Skipisten. Allerdings nur kleine, da es in Minnesota keine Berge gibt.
Vor Monaten fragte mich meine Gastfamilie, welchen Staat in den USA ich gerne noch besuchen wollte. Meine Antwort war ganz klar: Kalifornien. Es zieht mich nicht nur nach Kalifornien, weil es dort schön warm ist und viele tolle Städte und Strände hat, sondern, weil dort all die großen Technikkonzerne ihren Hauptsitz haben. Meine Gastmutter erzählte mir dann, dass wir eine Reise nach Kalifornien in den Spring Break realisieren können. Natürlich war ich sehr aufgeregt und freute mich riesig. Mitte März ging es dann los. Wir sind zu fünft in Minnesota gestartet und zunächst nach Arizona zu den Großeltern meiner Gastschwestern gefahren. Dort waren wir für zwei Tage und haben uns hauptsächlich entspannt. Von dort ist es dann weiter nach San Diego in den größten Zoo von Amerika gegangen. Die nächsten zwei Tage haben wir bei Los Angeles im Disneyland und auf der Knotts Berry Farm, in einem Freizeitpark, verbracht. Übernachtet haben wir immer alle fünf in einem Zimmer.
Die letzten paar Tage waren wir dann in Las Vegas, da es nicht sehr weit von Kalifornien entfernt ist. Las Vegas war ganz klar mein Highlight der Reise. Es ist ein unglaubliches Gefühl, nachts durch die Straßen zu laufen mit all den Leuten, Casinos und Lichtern um einen herum. Am letzten Tag haben wir uns noch den Hoover Dam angesehen, der Staudamm, wo der Grand Canyon beginnt. Auf der Reise quer durch Amerika habe ich viel erlebt und gesehen und das wird wahrscheinlich eine Erinnerung sein, die ich so nie vergessen werde. Trotz alledem muss ich sagen, dass ich mir gewünscht hätte, zum Beispiel nach Hollywood zu gehen, da wir nur 20 Minuten von Hollywood entfernt waren. Von den Städten Los Angeles und San Diego habe ich nichts gesehen. Das fand ich sehr schade. Da hätte ich vielleicht einfach mit meiner Gastfamilie besser kommunizieren müssen. Jedoch wollte meine Gastmutter alles organisieren und meinte immer zu mir, ich soll ihr vertrauen und nicht so viel nachfragen.
In meiner Familie hier fühle ich mich zum großen Teil sehr wohl. Ich bin wirklich froh, eine so gute Beziehung mit der Familie aufgebaut zu haben. Ein Teil einer amerikanischen Familie zu sein freut mich außerordentlich und ich glaube nicht, dass ich solch eine Gelegenheit je wieder haben werde. Viele Konflikte in der Gastfamilie haben sich gelöst, jedoch sind andere Dinge dazugekommen. Es hat sich einiges verbessert und leider so manch anderes nicht. In diesem Abschnitt möchte ich auch über die problematischen Dinge reden, da ich in meinem letzten Erfahrungsbericht schon sehr viel über die positiven Erlebnisse mit meiner Gastfamilie berichtet habe. Das heißt allerdings nicht, dass sich alles verschlechtert hat, sondern, dass ich auch über die Probleme berichten möchte.
Ein Problem für mich ist, dass ich immer auf meine Handlungen achten muss. Ich muss mir immer darüber Gedanken machen, was ich in Anwesenheit meiner Gastfamilie mache ohne in irgendeiner Weise deren Gefühle zu verletzen. Nach der Schule oder am Wochenende fühlt es sich so an, dass ich immer einen guten Grund brauche, um mich zurückzuziehen. Ich möchte nicht, dass es sich wie eine Beleidigung für meine Gastfamilie anfühlt, wenn ich in mein Zimmer gehe. Und doch möchte ich manchmal einfach nur entspannen, Musik hören oder Hausaufgaben machen. Aber sogar beim Hausaufgaben machen möchte die Familie, dass ich diese im Wohnzimmer mache. Allerdings läuft oft der Fernseher nebenher oder die Familie unterhält sich gerade, so dass ich mich nicht wirklich konzentrieren kann.
Ein anderes Beispiel ist, dass ich zum Entspannen gerne YouTube Videos anschaue oder Musik höre. Wenn ich auf dem Sofa im Wohnzimmer mit Kopfhörer dasitze, kommt das bestimmt nicht gut an. Allerdings möchte ich nicht die Lautstärke so weit aufdrehen, dass es alle anderen Geräusche für mich ausblendet. Dann muss ich mir jedes Mal Gedanken machen, ob ich mich jetzt in mein Zimmer zurückziehen kann ohne irgendwelche Gefühle zu verletzen. Solche Situationen sind nicht immer einfach. Natürlich habe ich schon oft mit meiner Gastmutter darüber geredet, aber wirklich lösen konnten wir das Problem nicht. Zudem habe ich viele Hobbys, die ich an meinem Laptop ausübe. Dazu gehört Videos schneiden, Fotos bearbeiten, Homepages designen und vieles mehr. Meine Gastfamilie sieht es allerdings gar nicht gerne, wenn ich an meinem Laptop bin.
Ich muss also immer genau darauf achten, was ich mache und kann somit nicht wirklich frei handeln wie zuhause in Deutschland. Dort kann ich einfach in mein Zimmer gehen und niemand fühlt sich beleidigt. Meistens verstehe ich mich gut mit meiner Gastfamilie und ich habe wenig Probleme mit ihnen. Jedoch ist die Familie manchmal sehr anders als ich und das führt dann dazu, dass ich sie nicht wirklich verstehen kann und sie mich wahrscheinlich ebenfalls nicht. Ich versuche sie trotzdem zu respektieren.
Mir gefällt es, dass ich meist zu der Familie dazugezählt werde und auch so behandelt werde. Allerdings ist mir auch aufgefallen, dass ich in manchen Situationen von meiner Gastfamilie nicht so respektiert und behandelt werde wie ein Mitglied der Familie. Ich möchte hier die Gastfamilie nicht herunterziehen oder sie beleidigen. Das wäre genau das Gegenteil, was ich von ihr denke. Die Gastfamilie hat meinen größten Respekt und Dank dafür, mich für eine so lange Zeit aufzunehmen und zu versuchen, mich in die Familie zu integrieren. Jedoch gibt es Situationen oder Phasen, in denen ich mich ignoriert und schlecht behandelt fühle. Ich finde, dass man nicht an den guten und glücklichen Zeiten, sondern in den stressigen und schwierigen Zeiten erkennt, wie gut eine Familie zusammenhält. Genau das ist hier ein Problem. Es gab Zeiten, in denen meine Gastfamilie recht ignorant zu mir war. Ein kleines Beispiel: Mein Bruder würde nie eine Türe direkt vor mir zufallen lassen und genau wissen, dass ich drei Schritte hinter ihm bin. Meine Gastschwester hat das aber des öfteren gemacht, was mich jedes Mal verwundert. Es gab noch andere Situationen, bei denen ich ignoriert wurde oder mich ausgeschlossen gefühlt habe.
In guten und glücklichen Zeiten fühlt sich meine Gastfamilie an wie eine zweite Familie. Leider aber nicht in schwierigen Zeiten. Sie ist für mich aber meine amerikanische Familie und dafür bin ich sehr froh. Ich bin glücklich mit meiner Gastfamilie und glaube nicht, dass es mit einer anderen Familie besser wäre. Das eine oder andere Problem würde es vielleicht nicht geben, dafür würden neue dazukommen. Meine Gastfamilie und ich haben oft viel Spaß und verstehen uns gut und wir kommen uns immer näher. Ich finde meine Gastfamilie prima und ich bin glücklich darüber, eine Familie in den USA zu haben.
Ich genieße es, den amerikanischen Lebensstil in vollen Zügen miterleben zu können und hier nicht als Tourist zu leben. Einiges gefällt mir sehr gut, doch manche Dinge bevorzuge ich in meinem gewohnten deutschen Lebensstil gegenüber dem in Minnesota. Das fängt an beim Essen. Hier ist es oft fettiger und vieles ist nicht gekocht sondern nur aufgewärmt. Ebenfalls bevorzuge ich es, in einer Kleinstadt zu leben und nicht auf dem Land. In unserem Ort hier gibt es sechs Häuser und zum nächsten Dorf mit 300 Einwohnern sind es fast 18 Kilometer. Busse gibt es nicht und Züge nur zum Transportieren von Gütern. Daher gibt es zuhause nicht viel zu machen. Die Hauptattraktion zuhause ist Netflix. So gut wie niemand in Minnesota geht spazieren oder fährt Fahrrad. Eine große Nachbarschaft haben wir natürlich auch nicht. Wenn die Leute sich also nicht besonders gut mit ihren Nachbarn verstehen, haben sie niemanden in ihrer nahen Umgebung, mit dem sie spontan „abhängen“ können.
Gerüchte sprechen sich hier auf dem Land extrem schnell herum. So hat mich meine Gastmutter schon oft wegen Dingen angesprochen, die gar nicht gestimmt haben, die sich aber einfach herumgesprochen haben. In Deutschland am Bodensee dagegen kann ich mich am Abend noch mit einem Freund treffen, der fünf Minuten zu Fuß von mir entfernt wohnt. Ich kann mit einem Bus innerhalb fünfzehn Minuten zur nächsten größeren Stadt fahren und muss mir keine Gedanken machen, wie ich wieder zurückkomme. Außerdem bin ich in Deutschland nicht so abhängig von meiner Familie wie hier. Wenn ich hier irgendwo hin möchte, muss ich immer meine Gasteltern oder Gastschwester fragen. Das liegt natürlich auch daran, dass ich nicht Autofahren darf. Jedoch würde ich generell sagen, dass man hier mehr abhängig von seinen Eltern ist. Viele Schüler sind sehr gebunden an ihre Eltern und müssen immer um die Erlaubnis der Eltern fragen, um mit jemandem auszugehen oder sich nur mit Freunden zu treffen. Damit habe ich jedoch die wenigsten Probleme in meiner Gastfamilie.
Ich fühle mich inzwischen in meiner Gastfamilie wohl und es wird auch immer besser. Ebenfalls bin ich dankbar dafür, ein Zuhause in Amerika zu haben. Jedoch war es für mich nicht einfach, mich an ein komplett neues Zuhause zu gewöhnen. Für mich fühlt es sich hier immer noch nicht wie ein daheim an. Dies liegt bestimmt auch daran, dass hier Hunde im Haus sind. Ich komme zwar jetzt gut klar mit den Hunden, aber bei mir daheim möchte ich keine Hunde haben. Der amerikanische Lebensstil ist nicht wirklich meiner. Dies schließt aber nicht aus, dass ich später vielleicht in den USA leben werde. Wahrscheinlich aber nicht in Minnesota.
Seitdem ich in den USA bin, habe ich keine Probleme mehr in der englischen Sprache. Es ist nun viel leichter für mich, kompliziertere Konversationen zu führen. Über vieles denke ich gar nicht mehr nach, sondern rede intuitiv. Gerade mit Freunden und meinen Gastschwestern fällt mir auf, dass ich aufgrund meines guten Verständnisses und meiner Ausdrucksweise genauso viel Spaß im Englischen haben kann wie im Deutschen. Außerdem sind Filme auf Englisch schon fast normal geworden. Ich denke, dass ich noch in den nächsten zwei Monaten mein Englisch weiter verbessern werde. Dieses besondere Auslandsjahr genieße ich sehr und bereue es in keiner Weise. Zwar möchte ich hier auf dem Land nicht für ewig leben, da es nicht mein Lebensstil ist. Es ist und bleibt aber ein Jahr mit vielen guten Erlebnissen. Ich bin froh, so viel dazuzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln, die ich sonst wahrscheinlich nicht gemacht hätte. Ein Teil einer amerikanischen Familie zu sein, ist für mich etwas ganz besonderes, das ich nicht mehr missen möchte.
Prom und Graduation
Nach zehn Monaten in den USA bin ich wieder zurück nach Deutschland gereist. In den letzten Monaten in den USA ist noch viel passiert und viele Freundschaften haben sich stark entwickelt. Der letzte Bericht beschreibt meine letzten Erfahrungen und Erlebnisse sowie meine Rückkehr. Von März bis Juli war ich der Manager des Baseball Teams in der East Central High School. Ich hatte viele gute Freunde in dem Team und wollte beim Training und den Spielen dabei sein. Mitspielen wollte ich aber nicht, da ich mich nicht dafür verpflichten wollte. Ich hatte Angst, dass, wenn es mir keinen Spaß machen würde, ich dann jeden Nachmittag damit meine Zeit verbringen müsste. Es hat sich aber herausgestellt, dass es wirklich sehr lustig war und ich es ein bisschen bereue, dass ich nicht mitgespielt habe. Wir hatten immer eine gute und witzige Zeit beim Training, bei den Busfahrten und den Spielen.
Schon seit vielen Jahren mache ich Videos mit Freunden und Geschwistern und habe einen YouTube Kanal, wo ich die meisten Videos veröffentliche. Erst in den letzten Monaten in USA habe ich auch angefangen, Videos mit Freunden zu drehen. Innerhalb der letzten zwei Monate haben wir mehr als zehn Videos gedreht und ich habe die Nachbearbeitung gemacht. Die Videos sind alle auf meinem YouTube Kanal hier zu sehen und haben jeweils eine Länge von drei bis fünf Minuten. Mitte Mai war eine Kunstausstellung an unserer Schule und in der Kategorie Video bin ich mit zwei Videos angetreten. Von insgesamt neun Videos habe ich die ersten beiden Plätze belegt.
Generell gibt es auf dem Land wie in Minnesota nicht besonders viele Freizeitattraktionen. Fahrrad fährt hier keiner. Baden gehen kann man erst im Juli oder August, weil das Wasser sonst noch zu kalt ist und es gibt auch nicht viele saubere Seen. Es gibt aber ein paar wirklich coole Spaßaktionen, für die gerne die Wochenenden verplant werden. Ich rede hier von Quadfahren, Jetskiing, Wakeboarding, Wasserskiing und Speedboatfahren. Die meisten Amerikaner in Minnesota haben ein Quad. Manche besitzen noch ein Boot oder Jetski, mit denen der Sommer dann richtig Spaß macht.
Ein Freund hatte eine Geburtstagsparty im Mai und einige Freunde und ich waren eingeladen. Er feierte in Wisconsin in dem Ferienhaus seiner Familie, das direkt am See lag. Dort hatten wir fünf Quads, zwei Jetskis, und ein Speedboat. Das Wetter war zwar nicht super, den Spaß haben wir uns allerdings nicht verderben lassen. Von morgens bis mittags waren wir mit den Quads unterwegs und am Nachmittag mit den Jetskis und dem Speedboat. Ein Freund und ich sind am nächsten Morgen um fünf Uhr aufgestanden, um die Jetskis auf dem ruhigen und freien See zu fahren. Es war grandios und wir hatten eine Menge Spaß. Ich habe ein Video zu dem Wochenende gemacht. Dies ist hier zu sehen.
Aus vielen amerikanischen Filmen habe ich schon vom Prom gehört. Das ist der berühmte Abschlussball für die Seniors. Ich hatte eine Freundin gefragt, ob sie mit mir dort hin gehen würde und sie sagte zu. Daraufhin habe ich mir einen Smoking für 130$ für den formalen Ball ausgeliehen. Das hat jeder Junge so gemacht. Die Mädchen haben sich alle ein teures Kleid gekauft und sich sehr aufgebrezelt. Erst hatten wir Fotoshootings an einem Fluss und später hatten wir einen Lauf in der Schule, bei dem viele Freunde und Bekannte zum Zuschauen gekommen sind. Dort wurde auch der Prom-King und die Prom-Queen bekanntgegeben. Der Prom-King war ich. Für den Abend hatten wir uns einen Partyraum gemietet und einen DJ bestellt. Der Abend war sehr lustig und wir haben viel getanzt.
Den klassischen amerikanischen Highschool Abschluss machte ich hier auch, mit Hut und Umhang. Den Hut haben wir nach der Zeremonie und Zeugnisvergabe in die Luft geworfen, so wie man es aus den Filmen kennt. Ein paar Tage nach der Abschlusszeremonie gaben ein Freund und ich zusammen unsere Abschlussparty (Graduation Party). Normalerweise laden die Schüler mehr als dreihundert Leute ein. Wir haben unsere Party relativ klein gehalten und nur hundert eingeladen. Am Abend gab es dann ein Lagerfeuer.
Am 8. Juni gaben Macklemore und Ryan Lewis ein Konzert in Minneapolis, zu dem drei Freunde und ich Tickets kauften. Wir hatten Stehplätze und somit die Möglichkeit, direkt vor der Bühne zu stehen. Also waren wir schon drei Stunden vor dem Konzertbeginn in der Halle, um unter den ersten vierzig Leuten zu sein. Wir standen ganz vorne und hatten viel Spaß. Das Konzert war klasse. Der beste Teil kommt aber erst noch: Vor dem Konzert kamen ein paar Manager mit einem Lautsprecher, auf dem sie einen Song von Macklemore abspielten. Sie fragten nach Leuten, die bei einem Tanzbattle mitmachen würden. Meine Freunde schubsten mich in den Kreis und ich zeigte meine besten Moves. Das Battle hatten ein Mädchen und ich gewonnen und wir bekamen daraufhin ein spezielles Armband, um später auf der Bühne tanzen zu können. Bei dem Song “Dance Off” hat uns dann Macklemore auf die Bühne gerufen und wir bekamen jeweils zwanzig Sekunden Zeit für ein Tanzbattle. Wir tanzten vor sechstausend Leuten. Das war wirklich ein Highlight meines Aufenthalts in den USA, das ich niemals vergessen werde. Mein Freund Ryan hat das gefilmt. Das Video ist hier auf Youtube zu sehen.
Das Verhältnis zu meiner Gastfamilie veränderte sich seit dem letzten Bericht nicht mehr. Meistens fühlte ich mich wohl und manchmal fühlte es sich sogar so an, als ob es wirklich meine zweite Familie ist. In einigen anderen Situationen war dies aber nicht der Fall. Sie konnten meine Entscheidungen und Aktionen nicht immer nachvollziehen. Dagegen wurde die Beziehung zu meinen Freunden immer enger. Ich würde nicht sagen, dass sie am Ende meines Aufenthalts netter zu mir waren, sondern, dass sie mich mehr respektiert haben und offener zu mir waren. Sie erkannten meine Talente und redeten mit mir über alles. Es brauchte eben eine Weile, um eine Freundschaft aufzubauen. Gerade in den letzten zwei Monaten unternahm ich sehr viel mit meinen Freunden und wir hatten viele verrückte Ideen. Diese Zeit habe ich sehr genossen.
Das Klischee, dass Amerikaner oberflächlicher sind, ist meiner Meinung nach teilweise richtig. Doch kann ich auch bestätigen, dass viele Amerikaner willkommensfreundlicher sind als die meisten Deutschen. Sie fragen andauernd, wie es einem geht (“How are you?”) und begrüßen Leute, die man so gut wie gar nicht kennt. Auf das “How are you?” erwarten sie allerdings nichts anderes als “Good”, “Well” oder “Awesome”. Es ist mehr eine rhetorische Frage, da es im Endeffekt die Amerikaner nicht mehr als die Deutschen interessiert, wie es dem Menschen, dem man begegnet, geht. Intensive und tiefgründige Gespräche gab es weniger als in meiner Familie und mit meinen Freunden in Deutschland.
Die letzten zwei Wochen meines USA-Aufenthalts verbrachte ich in Seattle bei meinem Großonkel. Dort habe ich den anderen Teil Amerikas gesehen: Das Großstadtleben. Dinge, die ich in Minnesota vermisst hatte, habe ich in Seattle erlebt. Die Möglichkeit, in wenigen Minuten Freunde zu besuchen, mit dem Bus ins Stadtzentrum zu kommen und um die Straßenecke zu fahren, um etwas einzukaufen, hatte ich erst wieder in Seattle. Später möchte ich, egal ob in Deutschland oder Amerika, nicht so auf dem Land leben, sondern zumindest in einer Kleinstadt. Das Video, das ich in Seattle gemacht habe, ist hier zu sehen.
Auf dem Flug zurück nach Deutschland unterhielt ich mich mit einem Russen, der in Seattle lebt. Er flog in den Osten, um bei Hilfsorganisationen für arme Menschen für ein paar Wochen zu arbeiten. Aus dem stundenlangen Gespräch nahm ich einiges mit und bin sehr froh, ihn getroffen zu haben. In Frankfurt am Flughafen hieß mich meine Familie mit einem großen Plakat willkommen. Mit dem Titel “10 Months Flashback” habe ich ein Video gemacht, das die besten Momente meines Aufenthalts zeigt. Ebenso habe ich den Flug und das Willkommenheißen durch meine Familie am Flughafen gefilmt. Das Video ist hier zu sehen.
Ich habe versucht mich mit meinen besten Freunden aus Deutschland, mit denen ich in USA den Kontakt gehalten hatte, so schnell wie möglich zu treffen. Am Schultag nach dem Wochenende, an dem ich zurück gekommen bin, besuchte ich meine alte Schule, um meine amerikanischen Zeugnisse dem Sekretariat zu übergeben und alte Klassenfreunde zu sehen. Da ich kein Social Media Fan bin, ist es schwierig, mit der amerikanischen Gastfamilie und den Freunden in Kontakt zu bleiben; ich gebe aber mein Bestes. Mit vielen Freunde schrieb ich bereits und mit der Gastfamilie werde ich bald einen Termin vereinbaren, an dem ich mit ihnen videotelefonieren werde.
Im Nachhinein fühlt es sich so an, als ob die Zeit in USA wie ein zweites Leben für mich war. Ich nehme zwar die Erfahrungen, die ich in USA gemacht habe, mit in mein weiteres Leben, jedoch habe ich empfunden, dass mein deutsches Leben für zehn Monate pausierte. Jetzt drücke ich wieder auf Play. Wenn mich jemand fragt, ob ich es wieder machen würde, bin ich zwiegespalten. Ohne die gemachte Erfahrung in Minnesota würde ich es wieder tun. Doch da ich nun die Erfahrung schon gemacht habe, würde ich nicht noch ein Mal für ein Jahr an den gleichen Ort und zur gleichen Familie gehen. Grundsätzlich kann ich jedem ein Aufenthaltsjahr in den USA empfehlen. Ich bereue nichts und profitiere viel von dieser Möglichkeit, die ich als Herausforderung angenommen habe.