- WELTBÜRGER-Stifter: GLS
- Programm: Schüleraustausch
- Land: Costa Rica
- Dauer: 5 Monate
- Name: Fabienne
Ich heisse Fabienne, bin 15 Jahre alt und besuche seit Anfang Februar die zehnte Klasse einer oeffentlichen Schule in Costa Rica.
Als ich vor ca. zwei Jahren erfahren habe, dass es fuer Jugendliche die Möglichkeit gibt, fuer eine gewisse Zeit in einem fremden Land zu leben und dort zur Schule zu gehen, war mir sofort klar, dass ich diese nutzen moechte. Denn: Mich interessieren fremde Kulturen in fernen Laendern und deren Lebensgewohnheiten. Ausserdem werde ich viele neue Freunde finden und kann gleichzeitig mein Schul-Spanisch aufbessern.
Ich habe mir nicht einfach irgendein Land ausgesucht, sondern lange nach einem fuer mich passenden gesucht. Letztendlich wurde es Costa Rica, ein kleines Land in Mittelamerika zwischen Nicaragua und Panama. Mich fasziniert die wundervolle Natur Costa Ricas, die grosse Artenvielfalt und das angenehm warme Klima. Zudem ist die Lebenseinstellung der Menschen dort einfach “Pura Vida!”. Costa Ricaner, oder auch “Ticos”, wie sie sich mit leiser Selbstironie nennen, sind offen, spontan und eigentlich immer gut gelaunt. Sie nehmen viele Dinge im Leben nicht so Ernst und lachen viel.
Los geht’s!
Die Tage vor meinem Abflug waren sehr emotional und anstrengend, aber die Vorfreude auf meinen Abflug ueberwiegte doch . Ich habe mich von allen Freunden, Verwandten und Bekannten verabschiedet und letzte Vorbereitungen getroffen.
Am 4. Februar war es dann endlich soweit: Um halb vier Uhr morgens brachte mich meine Mutter zum Flughafen in Muenchen. Leider musste ich alleine fliegen und in Madrid umsteigen, aber alles verlief ohne Probleme. Um halb vier Uhr nachmittags Ortszeit bin ich dann am Flughafen in San Jose angekommen. Mein Koffer ist in Madrid haengengeblieben, aber ich konnte ihn zum Glueck einen Tag spaeter abholen.
Fernweh? JuBi!
Am Freitag fuhren wir- das ist die sehr symphatische Betreuerin der Organisation vor Ort (AIL) Yolanda und fuenf weitere Austauschschueler aus Deutschland- auf den Vulkan Poas. Ich muss sagen, die Kaelte dort oben war wirklich angenehm im Gegensatz zu den 27ºc in San Jose. Leider hat es aber so geregnet, dass wir vor lauter Nebel den Vulkan gar nicht sehen konnten.
Wir waren alle schon so aufgeregt wegen unserem ersten Treffen mit den Gastfamilien… Allerdings war ich auch ganz froh, dass meine Familie mich nicht direkt vom Flughafen abholte, da ich so erstmal drei Tage Zeit hatte, mich an das Klima zu gewoehnen und den Jetlag verdauen konnte.
Jedenfalls holten mich am 8. Februar meine Gastmutter Fanny und meine achtjaehrige Schwester Jimena in Alajuela ab. Von dort aus fuhren wir direkt nach Puntarenas, genauer gesagt dem Vorort Barranca: Einem kleinen Wohnviertel an der Pazifikkueste, wo ich die naechsten fuenf Monate wohnen wuerde.
Mein neunzehnjaehriger Gastbruder Jose Luis und mein Vater Jose empfingen mich sehr herzlich und meine Gastgeschenke wurden mit großer Freude entgegen genommen. Die Lindt- Schokolade fuer Fanny wurde mit “Das ist die beste Schokolade, die ich je in meinem Leben gegessen habe!” kommentiert.
Am naechsten Tag bin ich erstmal mit Jose Luis zu allen moeglichen Verwandten und Freunden gegangen und es waren sicherlich an die fuenfzig Leute, die mir alle namentlich vorgestellt wurden (ich konnte mich erstmal an keinen einzigen Namen mehr erinnern).
Schule
Ich besuche hier eine oeffentliche Schue mit ungefaehr dreihundert anderen Schuelern, die nur 5 Minuten mit dem Fahrrad entfernt ist. Ich bin die einzige Gastschuelerin dort!
Die Schuluniform besteht aus einem orange-weiss gestreiften Hemd, einer beigen Hose und braunen Sneakers. Das Mittagessen im “Comedor” ist gratis. Es besteht zwar taeglich aus Reis und Bohnen, aber das ist das Nationalgericht der Costa Ricaner und schmeckt eigentlich ziemlich gut.
Am ersten Schultag wurde ich herzlich von meinen Mitschuelern aufgenommen und sie loecherten mich mit Fragen wie: “Woher kommst du?” und “Stimmt es, dass man in Deutschland keine Schuluniform traegt?”. Ich habe zwar fast kein Wort verstanden, weil sie soo schnell reden, aber immerhin habe ich schon ein paar Freunde gefunden, die sich ruehrend um mich kuemmern. Vor zwei Wochen war unser erstes “Klassentreffen”: Wir waren zu zwoelft und haben Nachos und Pizza gegessen, gesungen und getanzt.
In meiner Freizeit unter der Woche mache ich entweder Sport oder treffe mich mit Freunden. Zweimal die Woche gehe ich zum Tanzen (Zumba) und gelegentlich joggen. Mit meiner Nachbarin Maychel gehe ich manchmal Fahrrad fahren oder wir schauen einfach zusammen einen Film, waehrend sie mir versucht zu erklaeren, worum es geht. Dabei lerne ich sehr viele neue Woerter.
An den Wochenenden plane ich meistens groessere Ausfluege: Bereits zweimal war ich bei einer anderen Austauschschuelerin in Quepos zu Besuch – es ist immer total ungewohnt nach ein oder zwei Wochen deutsch zu sprechen.
Natuerlich unternehme ich auch viel mit meiner tollen Gastfamilie, die mittlerweile ein wichtiger Teil meines Alltags hier in Costa Rica geworden ist. Meine Familie ist einfach so nett und ich fuehle mich schon jetzt wie zuhause. Noch vor einem halben Jahr haette ich mir niemals vorstellen koennen, dass mein zweites zuhause ganz am anderen Ende der Welt sein kann, aber es ist einfach eine wunderschoene und unvergessliche Erfahrung. Wir fahren viel an den nahe gelegenen Strand und die ganze Großfamilie samt Freunden machen ein riesen Picknick dort!
Volontariat
Anfang Maerz fand ein von der Organisation veranstaltetes einwoechiges Volontariat im Nationalpark „Piedras Blancas“ statt. Der Nationalpark Piedras Blancas liegt im Süden von Costa Rica, in der Nähe des Hafenstädtchens Golfito und hat eine Ausdehnung von über 14`000 Hektar Land und etwa 1200 Hektar Meeresgebiet.
Das Naturschutzgebiet entstand 1991 als Sektor Esquinas des Corcovado Nationalparks und wurde ein paar Jahre später zum Piedras Blancas Nationalpark umgewandelt. Der Park gehört zum biologischen Korridor Osa. Dieser Korridor ist von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und soll, unter anderem durch Freikauf von Land, die beiden Nationalparks Corcovado und Piedras Blancas verbinden. So kann eines der vielfältigsten Ökosysteme der Erde erhalten werden.
Der Piedras Blancas schützt Quellen, Flüsse, seltene tropische Pflanzen und viele Arten von Vögeln, Säugetieren und Reptilien. In den hügeligen Regionen und an den Küsten zumeist Primärwald, in den flacheren Regionen Sekundärwald, manchmal auch Grasland. Der südwestliche Teil des Nationalparks reicht bis an die Küste des Golfo Dulce mit Sandstränden und felsigen Abschnitten, der Küste vorgelagert kleinere Korallenriffe.
Unter den zahlreichen Reptilien befinden sich Fer-de-Lance, Korallenschlange, Boa und Viper. In den vielen Teichen, Flüssen und Mangrovensümpfen fühlen sich auch Alligatoren und Krokodile äußerst wohl. Um die 350 Vogelarten fliegen über das grüne Blätterdach des Regenwaldes, darunter der hellrote Ara, Königsgeier, Kolibri und Trogon. Unter den Säugetieren sind Nasenbär, Stinktier, Jaguar, Ozelot, Puma, Kapuziner und Totenkopfäffchen vertreten.
Alle deutschen Austauschschueler, die derzeitig in Costa Rica sind, kamen mit. Am 5. Maerz bin ich also mit gepackten Koffern zu Fabiana, dem anderen deutschen Maedchen in Quepos gefahren. Voellig erschoepft von der dreistuendigen Reise und der Hitze bin ich am Nachmittag bei Fabiana angekommen. Wir fuhren dann mit dem Taxi in einen Supermarkt und kauften Brotzeit (internationale) fuer die anstehende Reise.
Bevor wir einschliefen, unterhielten wir uns noch ueber unsere Erwartungen an die anderen Austauschschueler und Freitag war es dann endlich soweit: Mit leckerer Brotzeit im Gepaeck sind wir zur Bushaltestelle, wo wir die anderen mit dem aus San Jose kommenden Bus erwarteten.
Der Bus kam puenktlich an und wir konnten nun erstmalig die Bekanntschaft mit den anderen Austauschschuelern machen. Von 15 Leuten waren es doppelt so viele Maedchen wie Jungs. Nach zweistuendiger Fahrt kamen wir im „Parque Nacional Piedras Blancas“ an. Das liegt relativ weit unten im Sueden der Pazifikkueste, ganz nah an Panama. Als der Busfahrer gerufen hat „Aqui Salen los extranjeros“ (hier steigen die Austauschschueler aus) dachten wir alle, der mache einen Witz, weil die Umgebung so gar nicht nach einem Naturschuzgebiet aussah, sondern eher wie ein ganz normales Kaff. Als aber dann ein alter Pickup angefahren kam und der Fahrer uns aufforderte, unser Gepaeck hinten auf die Ladeflaeche zu werfen, waren wirkomplett verwirrt…
Der Fahrer meinte nur: „Rauf da!“ und wir mussten uns zu sechzehnt samt Gepaeck auf die Ladeflaeche dieses Pickups quetschen. Das Feeling auf dem Weg zur Unterkunft war einfach unbeschreiblich: 16 Leute auf dem Truck, supercoole, laute Reggaemusik aus droehnenden Lautsprechern fuhren wir dem Sonnenuntergang entgegen, mitten durch den Dschungel, durch Fluesse hindurch zu einer alten Finka. Dort angekommen stellten wir entsetzt fest, dass wir voellig fern ab von jeglicher Zivilisation untergebracht waren… Strom gabs nur zwei Stunden taeglich und unsere Zimmer hatten teilweise nicht mal Fenster. Aber es war alles halb so wild, weil wir ja jeden Tag arbeiten mussten und frueh aufstehen, um Wege auszubessern, Gruben zu graben und sonstige Arbeiten zum Erhalt des Nationalparks zu verrichten.
Einmal sind wir ganz frueh aufgestanden und dann losgewandert, um nach ungefaehr zwei Stunden an einem wunderschoenen Wasserfall anzukommen. Die Maedels haben gebadet und die Jungs haben sich mit Lianen ueber den Wasserfall geschwungen und dann im richtigen Moment losgelassen.
Brotzeit hatten wir auch dabei und so konnten wir uns vor dem Rueckweg nochmal mit Wassermelone und Sandwiches staerken. In unserer Finka hatten wir zum Glueck zweisuper Koechinnen, die uns dreimal taeglich lecker Essen servierten.
Abends spielten wir alle zusammen Karten und tauschten uns ueber unsere Erfahrungen in der Schule, unsere Wohnorte und Gastfamilien aus. Ich verstand mich sehr gut mit allen anderen Austauschschuelern und werde den ein oder anderen sicherlich auch mal besuchen oder umgekehrt.
Nach einer Woche Arbeit war das Volontariat dann seitens der Organisation (AIL in Costa Rica) beendet, aber wir haben einstimmig beschlossen, noch zwei Naechte in einem Hostel in Quepos nahe dem Nationalpark Manuel Antonio zu verbringen. Dieses Hostel kannten einige von uns bereits, da manche schon acht Monate hier in Costa Rica sind. Guenstig, wunderschoen und sogar mit Pool und Traumgarten. Es gab auch eine Kueche, wo man sich was kochen konnte, aber wir sind lieber Essen gegangen.
Ich habe mich so richtig erwachsen gefuehlt, als wir ganz selbststaendig unser Hotelzimmer bezahlt haben! Wieder zuhause angekommen musste ich mich erstmal ausruhen. Dadurch, dass meine Familie und ich eine Woche getrennt waren, hat sich unser Verhaeltnis nochmal verbessert und ich fuehle mich von Tag zu Tag mehr wie zuhause.
Wenn ihr nun nach all den Erzaehlungen auch ueberlegt, einen Austausch zu machen, dann erkundigt euch erstmal in eurer Schule in Deutschland, ob die nicht vielleicht irgendwas anbietet. Bei mir war das leider nicht der Fall, deswegen musste ich mich eigenstaendig auf die Suche machen. Letztendlich bin ich durch Empfehlungen af die Organisation GLS gekommen. Zuerst musste ich noch in Deutschland zu einer Art Vorstellungsgespraech, auf dem getestet wurde, ob ich ueberhaupt fuer einen Austausch geeignet bin. Dann kam der ganze Papierkram: Ungefaehr gefuehlte hundert Seiten ausfuellen, zum Arzt gehen, mit Lehrern reden und all das. Aber wenn all diese kleine Huerden ueberwunden sind, dann beginnt die schoenste Zeit des Lebens!
Ich freue mich schon auf die kommenden, mir noch verbleibenden drei Monate hier und ihr werdet auf jeden Fall nochmal von mir hoeren. Bis dahin, macht es gut und immer schoen „Pura Vida“ leben! Eure Fabienne